Bereits im Juli des Vorjahres hatte die Europäische Kommission ihren Verordnungsentwurf zur Aufhebung der elf bisher geltenden Richtlinien, welche derzeit die Produktion und Vermarktung von Saatgut, Stecklingen und Jungpflanzen regeln, präsentiert, um „den Verwaltungsaufwand zu verringern und die Effizienz und Wirksamkeit der Registrierungs- und Zertifizierungssysteme zu steigern“, wie es hieß.
Im Zuge der Debatte rund um die Zulassung von neuen genomischen Techniken (CRISPR/Cas) geriet aber auch die EU-Saatgutverordnung unter Beschuss. Auch vom gemeinnützige Verein Arche Noah, der sich dem Erhalt gefährdeter Nutzpflanzensorten verschrieben hat, gab es geharnischte Kritik. Dessen Aktivitäten würden durch die neue Gesetzgebung (zu) stark reguliert, was den Saatguttransfer einschränken und die bürokratischen Hürden und Kosten erhöhen würde. Außerdem würden Patente auf Sorten die Rechte der Bauern massiv einschränken.
Kompromiss „ausgewogen“
„Wir werden uns weiterhin für größtmögliche Sortenvielfalt einsetzen“, betonte indes Alexander Bernhuber, Agrar- und Umweltsprecher der ÖVP im Europaparlament. Sortenvielfalt und hochwertiges Saatgut seien „das Um und Auf für Biodiversität und Ernährungssicherheit“, weshalb er und seine Fraktion jedenfalls für europaweit einheitliche Qualitätskriterien einstehen. Aber auch Bernhuber sah beim Kommissionsvorschlag Nachbesserungsbedarf: „Gerade kleinere Saatgutproduzenten müssen wir vor zu viel Bürokratie und unverhältnismäßig hohen Kosten schützen.“
Bernhuber: „Gerade kleinere Saatgutproduzenten müssen wir vor zu viel Bürokratie und unverhältnismäßig hohen Kosten schützen.“
Die vom Agrarausschuss erarbeitete Position bezeichnet Herbert Dorfmann von der Europäischen Volkspartei (EVP) gegenüber Euractiv als „ausgewogen“. Man habe „die Kernelemente“ des Kommissionsvorschlags zwar beibehalten, die Regeln für die Erhaltungszucht jedoch „deutlich gelockert“. So sollen der Zugang, der Verkauf und die Übertragung sogenannter „alter Sorten“ in kleinen Mengen von den Vorschriften ausgenommen und die Registrierungsfrist für das Pflanzenmaterial auf 30 Jahre verlängert werden.
Transparenzoffensive bei forstlichem Vermehrungsmaterial
Weiters stimmten die Parlamentarier dafür, Bauern „den informellen Austausch“ von Saatgut und anderem Vermehrungsmaterial „in überschaubarem Ausmaß“ zu erlauben. Laut ursprünglichem Vorschlag soll jede Form von Saatgutweitergabe als Vermarktung gelten. Bernhuber: „Uns ist wichtig, dass Tausch und Verkauf weiterhin möglich sind, aber nach klaren Regeln, was Mengen und Kriterien angeht.“ Außerdem soll in die Union eingeführtes Saatgut künftig den hier geltenden Standards genügen müssen.
Eine Transparenzoffensive ist auch beim forstlichen Vermehrungsmaterial angedacht. Hier wurde eine Rückverfolgbarkeit von der Ernte bis zur Vermarktung empfohlen.
Gelingen soll dies durch eine Verständigungspflicht der nationalen Behörden vor der Ernte der Jungpflanzen, schreibt Agra-Europe.
Patentfrage bleibt offen
Von Arche Noah wird der Vorstoß des Landwirtschaftsausschusses dezidiert begrüßt. „Der Ausschuss hat klare und aus unserer Sicht positive Vorgaben für die weitere parlamentarische Arbeit gemacht“, teilte deren Referentin für Saatgutpolitik, Magdalena Prieler, per Aussendung mit. Als „Wermutstropfen“ wurde indes die ungelöste Frage der Eindämmung von Patenten auf konventionell gezüchtetes Saatgut bezeichnet. Ein diesbezüglicher Vorschlag fand unter den Ausschussmitgliedern keine Mehrheit.
Trilog-Verhandlungen beginnen im Herbst
„Ernsthafte Vorbehalte“ gegen die Empfehlungen brachte derweil der Dachverband der europäischen Saatgutindustrie, Euroseeds, vor. Dort spricht man von „einem Rückschritt, der die Saatgutqualität, die Pflanzengesundheit, die Kundeninformation und die amtliche Aufsicht für das gesamte Saatgut und alle Lieferanten und Nutzer gefährdet.“ Die Position des Fachausschusses sei „in seiner jetzigen Form inakzeptabel“.
Das EU-Parlament wird voraussichtlich am 24. April in seiner letzten Plenarsitzung vor den EU-Wahlen über die Saatgutverordnung abstimmen. Parallel dazu verhandeln die Agrarminister über Änderungen am Gesetzesvorschlag. Die eigentlichen Trilog-Verhandlungen sind erst für Herbst anberaumt.
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- Aussaat Gerste: agrarfoto.com