Kommentar von Sabine Kronberger,
Chefredakteurin „Welt der Frauen“
Katharina* war verliebt, als sie Jürgen geheiratet hat. Dass er kurz zuvor seine Eltern verloren hatte und damit als Hoferbe eine emotionale, aber auch verantwortungsvolle Bürde trug, machte sie noch wichtiger für ihn. Aufopfernd half sie ihm, den Betrieb aufzubauen. Dass er sich immer mehr abwandte, kein Interesse an ihr als Frau hatte und sie nur als Arbeitskraft schätzte, übersah sie im Trubel der kleinen Kinder, der vielen Aufgaben am Betrieb und dem Wunsch, gebraucht zu werden. Heute sind die Kinder groß, der Hof wirtschaftet stabil und viele Jahre sind ins Land gezogen. Die Ehe existiert nur noch auf dem Papier, man ist mehr Arbeits- als Liebesgemeinschaft, hat sich nichts mehr zu sagen.
Obwohl sie längst nicht mehr glücklich ist, verlässt sie Jürgen nicht. Warum? „Weil ich dann keine Bäuerin mehr bin – wer wär´ ich denn dann?“ Katharina ist kein Einzelfall. Die Angst, nach einer Trennung nicht mehr den Bäuerinnen anzugehören, die Angst, die Berufsbezeichnung „Bäuerin“ zu verlieren, „niemand“ mehr zu sein sowie das „Wofür“ im Leben neu ausrichten zu müssen, hält heute noch viele Frauen ab, ein ungesundes Lebensumfeld zu verlassen. Wenn man in so einer Situation steckt, ist es wichtig zu wissen: Die Bäuerinnen freuen sich über jede Frau im Netzwerk – mit oder ohne Hof. Verschiedene Anlaufstellen wie Frauenberatungsstellen oder „Lebensqualität Bauernhof“ helfen anonym und professionell. Und egal wie man sich auch entscheidet, ob man bleibt oder geht: Man ist niemals „niemand“.
*Name verändert (ist mir bekannt)