Die Milchforschung ist der Schrittmacher in der Ernährungswissenschaft. Und auch wirtschaftlich haben Milch und Milchprodukte einen besonderen Stellenwert: Mit 1,1 Mrd. Euro Wertschöpfung macht Milch den größten Produktionswert der heimischen Landwirtschaft aus. Das erklärten der Wissenschaftler Wolfgang Kneifel von der Universität für Bodenkultur und AMA-Marketing-Geschäftsführer Michael Blass heute, Dienstag, beim AMA-Milchsymposium anlässlich des Weltmilchtags am 1. Juni.
Umso erstaunlicher seien die Negativberichte über Milch, die in den vergangenen drei Jahren zugenommen hätten, machte Ernährungswissenschaftler Stephan Bischoff von der Universität Hohenheim darauf aufmerksam, dass oftmals voreilige Schlüsse in der Ernährungswissenschaft gezogen würden. So seien die Berichte über einen Zusammenhang zwischen Tumorbildung und Milchgenuss auf Miss- bzw. Unverständnis zurückzuführen.
Positive Eigenschaftender Milch betonen
Auch die hoch industrialisierte Verarbeitung – gerade bei Milch – könne man nicht kritisieren, erklärte Wissenschaftler Ulrich Kulozik von der Technischen Universität München. Die Milchindustrie nehme wissenschaftliche Erkenntnisse sehr ernst, so auch umgekehrt, zeigte sich Kulozik überzeugt. So war die Rohmilchqualität noch nie so hoch wie heute, bestätigte auch Kneifel.
“Zusammenfassend gibt es derzeit keine wissenschaftliche Basis für generelle Bedenken gegen Milch als Grundnahrungsmittel in unserer Gesellschaft, eher sind die positiven Eigenschaften der Milch zu betonen”, stellte auch Bischoff klar. Zu diesen positiven Eigenschaften zählt vor allem der hohe Kalziumgehalt. Deshalb sei der Verzehr von Milch in jedem Alter für den Aufbau und Erhalt stabiler Knochen zu befürworten, so Bischoff. Milch liefert außerdem Vitamine wie D, E und K, vor allem aber Vitamin A und B, Mineralstoffe wie Zink, Phosphor und Jod sowie gut verdauliche Proteine.
Konsequente Qualitätsphilosophie
Was die österreichische Milchwirtschaft betrifft, so hat sie mit der gentechnikfreien Fütterung ein Alleinstellungsmerkmal. Dieses müsse stärker kommuniziert werden, erklärte Blass. Ein weiteres besonderes Merkmal stellt der hohe Anteil an Spezialmilch im heimischen Milchsektor dar. Darunter fallen Bio- und Heumilchprodukte sowie andere Spezialisierungen. Mehr als 20 Prozent der angelieferten Rohmilch entsprechen den Kriterien für Heu- und/oder Biomilch, Tendenz steigend. Blass: “Dieser hohe Anteil an Spezialsortimenten unterstreicht die konsequente Qualitätsphilosophie der heimischen Landwirtschaft, die sich bei den Verarbeitern fortsetzt. Gentechnikfreie Fütterung und die fast ausschließliche Anlieferung der höchsten Rohmilch-Qualitätsklasse sind einzigartig in Europa.”
Das zeige sich auch beim Einkaufsverhalten – ausländische Milch in österreichischen Regalen wäre für die Konsumenten “eine Aufregung”, so Blass. Damit das so bleibt, müssen auch faire Preise bezahlt werden. Den positiven Meldungen über Milch und Milchprodukte stehen nämlich die derzeit sehr niedrigen Milchpreise gegenüber. Das könne sich kein Betrieb auf Dauer leisten, betonte auch Bauernbund-Präsident Jakob Auer anlässlich des Weltmilchtags.
Abseits des AMA-Milchsymposiums beschäftigt die Milchpreiskrise die heimische und internationale Agrarpolitik. Die Spielräume, um der Marktkrise politisch entgegenzusteuern, seien äußerst eng, so Auer. Umso mehr müssten alle Möglichkeiten genutzt werden, um Ruhe in den Markt zu bringen. Auf EU-Ebene hat die Kommission den Weg für eine neue Art der Mengenlimits freigemacht. “Alle Hebel zur Marktstabilisierung sind zügig und entschlossen zu ergreifen. Es steht zu viel auf dem Spiel, ganze Regionen und Wirtschaftszweige, etwa der Tourismus, hängen von der Milchwirtschaft ab”, betonte Auer.
Alle politischenMaßnahmen umsetzen
Als zusätzliche Maßnahmen, die von der Agrarpolitik selbstständig ergriffen werden können, schlug Auer Kreditstundungen bzw. Zinserleichterungen vor. “Alles, was die Liquidität auf den Höfen sichert und Zahlungsunfähigkeit abwehrt, ist notwendig und sofort umzusetzen”, so der Bauernbund-Präsident. Für eine schnelle finanzielle Entlastung hatte Auer bereits Anfang Mai einen Quartalsrabatt bei der Sozialversicherung gefordert.
EU-Abgeordnete und Bauernbund-Vizepräsidentin Elisabeth Köstinger zeigte sich zudem überzeugt, dass im Kampf gegen die Milchmarktkrise auch die Handelsketten in die Pflicht genommen werden müssen: “Ich erwarte von der EU-Kommission konkrete Gesetzesvorschläge, durch die Preisdumping und Produzentenerpressung systematisch bekämpft werden.” Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter kündigte auf nationaler Ebene einen Milchdialog noch vor dem Sommer an. Dabei soll gemeinsam mit Vertretern der gesamten Branche nach Lösungen gesucht werden.
Milch-Zahlen: Strukturveränderung und Einkaufsverhalten
• Seit 1990 ist die Anzahl der Milchkühe um 40 Prozent zurückgegangen. • Höhere Leistungen pro Kuh ließen die Produktion insgesamt wachsen.• Mehr als 20 Prozent der angelieferten Rohmilch entsprechen den Kriterien für Heu- und/oder Biomilch, Tendenz steigend.• 38 Euro gibt ein durchschnittlicher Haushalt für Milch und Milchprodukte pro Monat aus, davon entfallen 6,6 Euro auf Trinkmilch. QUelle: AMA-Marketing