Neben der Eingangstür zum Widmoshof hängt auf der einen Seite die Erbhoftafel – die Erbhofwürde wurde 1982 verliehen, auf der anderen das Familienwappen mit der Jahreszahl 1416: Wie im “Tiroler Erbhofbuch” nachzulesen ist, führte in diesem Jahr bereits ein “Christian auf Widmos” das Anwesen, zu dem sechs Joch Acker, eine Weide in der Mora und ein Krautgarten gehörten. 600 Jahre Kontinuität in der Familienbewirtschaftung – das ist schon ein beachtlicher Zeitrahmen in punkto Nachhaltigkeit.
Doch zurück zur Gegenwart: Heute führt der 53-jährige Klaus Widmoser gemeinsam mit seiner Frau Christine den Widmoshof. Klaus hat nach der Ausbildung an der Landwirtschaftlichen Landeslehranstalt St. Johann-Weitau zum Landwirtschaftsmeister den Hof vor 25 Jahren übernommen und führt ihn seither als Biobetrieb. Sohn Stefan (20) arbeitet hauptberuflich am Hof, die Töchter Veronika (25) und Claudia (24) gehen anderen Berufen nach, helfen aber auch am Hof mit.
Tradition hat auf dem Widmoshof die Haltung von Pinzgauer-Rindern. Derzeit stehen rund 30 Kühe und 25 Stück Jungvieh im modernen Laufstall. Die Bioheumilch wird an die Marke “Zurück zum Ursprung” geliefert. Eine Heutrocknungsanlage mit Entlüftung sorgt für optimale Futterqualität, der Strom dazu kommt aus der eigenen Fotovoltaikanlage mit 30 kW Leistung. Klaus Widmoser: “Das dient zum Großteil für den Eigenverbrauch, der Rest wird eingespeist.”
Mehrere Standbeine
Neben dem Hauptstandbein Milchproduktion gibt es direkt vom Widmoshof auch ein- bis zweimal jährlich Fleischpakete, weiters Masthühner und Eier. Das ist so wie auch die Zimmervermietung das Reich von Christine Widmoser, selbst Gastwirtstochter aus dem nahen St. Johann in Tirol. “Die drei Ferienwohnungen sind eine gute Ergänzung für den Betrieb”, erzählt sie. Vor allem die Wintersaison ist dank des nahen Skigebietes auf der Waidringer Steinplatte sehr gut nachgefragt. Stichwort Steinplatte: Dort liegt auch die zum Widmoshof gehörige Alm. Junior Stefan erklärt: “Im Sommer erledige ich die Arbeit am Hof allein, die Eltern sind da auf der Alm. Im Winter ist wieder der Vater für den Stall verantwortlich, da mache ich Schneeräumungsarbeiten.”
Die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung hat Klaus Widmoser nie bereut: “Wir sehen das als einzigen Weg, um im Berggebiet einigermaßen mithalten zu können.” Und dass Nachhaltigkeit auch in der Rinderzucht gelebt wird, hat sich zum Beispiel heuer gezeigt: Da erreichte die knapp 15-jährige Pinzgauer-Altkuh “Miaz” vom Widmoshof die Traummarke von 100.000 Kilogramm Milch mit einer durchschnittlichen Laktationsleistung von 8372 kg – 3,45 % Fett – 3,90 % Eiweiß und wurde in den Klub der “Golden Girls” aufgenommen.
Dieses Gesamtpaket aus Zucht, Milchproduktion, eigener Stromerzeugung, sparsamem Umgang mit Grund und Boden und vielen weiteren Faktoren wurde für die Auswahl zum Nachhaltigkeitspreis unter die Lupe genommen. Als nach dem Bezirkssieg (für den Bezirk Kitzbühel) schlussendlich auch die Wahl des Landessieges auf ihren Betrieb fiel, hat die Familie dann doch ziemlich überrascht. “Wir möchten den Jungen vorleben, was auf einem Betrieb möglich ist – und nicht jammern”, so Klaus und Christine Widmoser.
Vorkämpfer Josef Willi
Die Landwirtschaftskammer Tirol hat den “Josef-Willi-Nachhaltigkeitspreis” als Vermächtnis des vor zwei Jahren verstorbenen Agrarexperten Ing. Josef Willi gestiftet. Der gebürtige Vorarlberger hat sich als unerschrockener Pionier der Biolandwirtschaft in Österreich und unermüdlicher Kämpfer für die Bergbauern bleibende Verdienste erworben. Beruflich wirkte er jahrzehntelang in der Landwirtschaftskammer Tirol – als Leiter der Lehrlings- und Fachausbildungsstelle und der Berufsschule für Gartenbau. 1963 gründete er die “Fernschule der Landwirtschaft”. In seiner Pension wirkte Josef Willi als ehrenamtlicher Geschäftsführer des Studienzentrums für Agrarökologie am Agrarinstitut der Universität Innsbruck. Dort organisierte er unzählige Lehrgänge, Vortragsveranstaltungen und Exkursionen.
Josef-Willi-Preis: Nachhaltige Betriebsführung
Die Landwirtschaftskammer Tirol hat heuer bereits zum dritten Mal den “Josef-Willi-Nachhaltigkeitspreis” (benannt nach dem Agrarpionier Ing. Josef Willi, siehe rechts) an Tiroler Bauernfamilien mit nachhaltiger Betriebsführung verliehen. Dabei werden die Leistungen der bäuerlichen Betriebe in 44 verschiedenen Kategorien bewertet. In den drei Hauptkategorien ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit werden dabei unter anderem Faktoren wie Biodiversität und Pflanzenbestand, Landschaftspflege, Nährstoffkreislauf, Futterqualität, Risikomanagement, Bildung, Familie und Sicherheit am Hof berücksichtigt. Prämiert werden jeweils acht Bezirkssieger und ein Landessieger.
Andreas Humer