Eigentlich hätten Österreichs Rübenbauern heuer mehr als genug Jubiläen zu begehen: 30 Jahre EU-Beitritt, 120 Jahre Rübenbauernbund NÖ und Wien und nicht zuletzt 100 Jahre Weißzuckerherstellung am Standort Leopoldsdorf. In Feierlaune war bei den vergangene Woche in Wien und St. Florian bei Linz abgehaltenen Generalversammlungen der Rübenbauverbände trotzdem niemand. Nach zwei zufriedenstellenden Jahren sei der Preisverfall am EU-Zuckermarkt „traurige Realität“, erklärte der Präsident des Dachverbandes „Die Rübenbauern“, Ernst Karpfinger. Was den Auslöser der Marktkrise betrifft, sind sich Bauern und Industrie einig: Die unter dem „Vorwand der Solidarität“ erfolgte völlige Öffnung des EU-Zuckermarktes für die Ukraine im Jahr 2022 sei der Grund dafür. Ukrainische Agrarholdings reagierten damals mit einer Ausweitung ihrer Rübenflächen um etwa ein Fünftel, was in der EU in einem dramatischen Mengen- und Preisdruck resultierte.
Dauerbrenner Freihandel
Auch die übrigen Freihandelsabkommen seien für die Branche ein Dauerbrenner. Karpfinger: „Seit der Reform der Zuckermarktordnung 2005 sind wir Rübenbauern dieser Entwicklung ausgesetzt.“ Mittlerweile ströme Zucker aus Südamerika, dem Westbalkan, Australien und Asien in die EU. „Das Mercosur-Abkommen wird die Situation noch weiter verschärfen“, ist der Präsident überzeugt. In Summe sei der Markt schon jetzt für 3,8 Mio. Tonnen Zucker geöffnet.
Karpfinger: „Seit der Reform der Zuckermarktordnung 2005 sind wir Rübenbauern dieser Entwicklung ausgesetzt.“
Das sei insofern heikel, weil im selben Zeitraum die Rübenproduktionskosten je Hektar um gut 60 Prozent auf etwa 2.600 Euro gestiegen sind. Während früher durch Neuzüchtung und Pflanzenschutz höhere Ernten die Kosten abfederten, sei es damit heute längst vorbei. „Uns sind durch verschärfte Auflagen im Pflanzenschutz in den vergangenen Jahren Wirkstoffe verloren gegangen. Und ohne neue Züchtungsmethoden gibt es keinen Fortschritt mehr“, monierte der oberste Rübenbauer. Wettbewerbsfähigkeit und Eigenversorgung seien so massiv gefährdet, ist Karpfinger überzeugt.
Agrana: 50 Mio. Euro Minus im Zuckergeschäft
Als Reaktion auf diese Gemengelage haben sich Agrana und Rübenbauern heuer einvernehmlich auf eine Kontrahierungsfläche von lediglich 28.000 Hektar geeinigt. Von den 38.000 Hektar, die für den wirtschaftlichen Betrieb der Zuckerfabriken in Tulln und Leopoldsdorf benötigt würden, ist man damit wieder deutlich entfernt. „Diese Entscheidung haben wir wohlüberlegt getroffen“, erklärte Erwin Hameseder. Als Generalanwalt von Raiffeisen ist er oberster Vertreter der Agrana- Eigentümer. Er wie auch Agrana- Vorstandsvorsitzender Stephan Büttner betonten, man wolle die heimische Zuckerproduktion nachhaltig absichern. „Dieses Bekenntnis ist ungebrochen.“ Der Agrana-Vorstandschef gab zu bedenken, dass im Segment Zucker in den ersten drei Quartalen des laufenden Geschäftsjahres ein Minus von 50 Mio. Euro eingefahren wurde.
Büttner: „Bei diesem Marktumfeld können wir nicht zur Tagesordnung übergehen.“
Büttner: „Bei diesem Marktumfeld können wir nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Nun gelte es Entscheidungen zu treffen, um die Zuckerproduktion im Land zu erhalten. „Der Maßstab ist nicht, was einmal war, sondern was wir brauchen, um in Zukunft zu bestehen“, so der Agrana-Manager. Bei seiner Rede vor den Rübenbauern in St. Florian sagte Karpfinger: „Die Folge des heurigen Kontrahierungsergebnisses ist wieder eine Standortdiskussion.“ Noch sei im Agrana-Aufsichtsrat aber keine Entscheidung darüber gefallen. Diese werde aber demnächst zu treffen sein. Immerhin: Norbert Totschnig, von Neuem Landwirtschaftsminister, erneuerte im Sinne der Rübenbauern seine Forderung: „Für uns ist klar: Es darf keine Ausweitung der Ukraine-Quote und eine weitere Herabsetzung der Zölle geben.“ Es stünde zu viel auf dem Spiel.
- Bildquellen -
- Zuckerrueben Blattentwicklung: agrarfoto.com