Eine Koexistenz mit dem Wolf ist möglich – zumindest nach Ansicht von NGO-Lobbyisten wie dem WWF und hauptberuflichen Wolfsarbeitern. Regelmäßig wird dabei auf das Vorbild Schweiz verwiesen, wo der Herdenschutz angeblich funktionieren soll.
Für Bauernbunddirektor Peter Raggl ist das reine Augenauswischerei. „Die Herdenschutzmaßnahmen im Nachbarland sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein und der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Der Wolf muss wieder lernen, dass vom Menschen und seinen Nutztierherden eine Gefahr ausgeht“, so Raggl.
Juwel Almwirtschaft
Die alpine Landschaft, die von Einheimischen und Gästen aus der ganzen Welt geschätzt wird, ist das weltweit einzigartige Ergebnis aus Berglandwirtschaft und Almwirtschaft. Die alpenländischen Almen sind nicht nur ein Jahrhunderte altes Kulturgut, sie tragen auch große Verantwortung für den Erhalt der kleinbäuerlichen Berglandwirtschaft und stellen eine wichtige Grundlage für den Sommer- und Wintertourismus und die gesamte Freizeitwirtschaft dar. Auf den Almen verbindet sich Tierwohl, Menschenwohl und Naturwohl zur Nachhaltigkeit in Reinkultur.
Die Almwirtschaft hat für die biologische Vielfalt Österreichs eine außerordentlich hohe Bedeutung, bei vielen Organismengruppen sind die Artenzahlen auf der alpinen Stufe besonders hoch und viele Arten haben hier ihren Verbreitungsschwerpunkt. Ein „wilder“, ungenutzter Alpenraum wäre bedeutend artenärmer als die traditionelle Kulturlandschaft mit ihren Alpweiden, Blumenwiesen, Streuflächen, Hecken, Obstgärten, Trockenmauern oder Wasserläufen. Durch die Rückkehr der Großraubtiere, insbesondere von Wolf und Bär, sind nicht nur wirtschaftliche Tätigkeiten wie Almwirtschaft, Berglandwirtschaft und Tourismus gefährdet. Auch für die ansässige Bevölkerung kommt es zu Einschränkungen, z. B. beim Schwammerl suchen, bei der Jagd, bei Sportaktivitäten und Erholungsspaziergängen. Auf Haustierhalter und Eltern von kleineren Kindern kommt eine besondere Herausforderung zu.
Schweiz: Herdenschutz alleine reicht nicht
Bauernbunddirektor Peter Raggl ärgert die falsche Botschaft der NGO’s, in der Schweiz ließen sich mit passiven Herdenschutzmaßnahmen die Probleme lösen, die Österreicher wären nur zu faul dazu. In der Schweiz wird seit über 20 Jahren eine Mischung aus Herdenschutz mit Zäunen, Hirten und Nachtpferchen, Herdenschutzhunden sowie Weideführung betrieben – jedoch ergänzt mit gezielten Abschüssen von Jungtieren in Rudeln oder als problematisch eingestufte erwachsene Tiere. Das wird von den NGO’s gerne verschwiegen, stattdessen wurde in der Vergangenheit jeder einzelne Abschussbescheid gerichtlich bekämpft. Bauernbunddirektor Peter Raggl widerspricht: „Passiver Herdenschutz funktioniert nirgends, auch in der Schweiz nicht. Wolf und Bär müssen wieder lernen, dass Herdenschutz für sie nicht nur ein lästiges Hindernis ist, sondern dass ihnen bei Annäherung an Menschen und Nutztieren tödliche Gefahr droht.“
Der Schweizer Herdenschutzexperte Peter Küchler, Direktor des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums Plantahof im Kanton Graubünden, der Fachstelle für Herdenschutz, sieht beim Herdenschutz massive Schwierigkeiten bei geringem Erfolg.
Herdenschutz mit Zäunen und Herdenschutzhunden, die Haltung in Nachtpferchen und die ständige Behirtung würden zwar einen gewissen Schutz bieten. Ohne diese Maßnahmen wären die Schäden bereits so schlimm, dass an eine Alpung nicht mehr zu denken sei.
Mehr Aufwand als Nutzen
Die Wölfe lernen mittlerweile, mit dem Herdenschutz umzugehen. Die passiven Schutzmaßnahmen werden nicht als Gefahr erkannt, sondern lediglich als lästiges Hindernis, das sie zu umgehen lernen. Wölfe lernen, Zäune zu überspringen und Herdenschutzhunde zu überlisten oder zu töten. Werden die Schafe im Nachtpferch gehalten, werden die Herden eben untertags angegriffen.
Herdenschutz gleicht einem Wettrüsten. Je besser die Kleinviehherden geschützt werden, desto mehr wenden sich die Wölfe dem Großvieh zu. Die Risse von Kälbern steigen und die festgestellten Verhaltensänderungen von Mutterkuhherden im touristisch genutzten Almgebiet bereitet zunehmend große Sorgen: Die Anwesenheit von Wölfen macht die Rinder aggressiver.
Wolfssichere Zäune nicht machbar
Die NGO’s ignorieren, dass großräumige Zäunungen im Almgebiet arbeitsmäßig, technisch und finanziell nicht machbar sind, der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. „Ein Tiroler Schafhalter muss anders kalkulieren als eine NGO, die sich kostspielige Projekte aus Steuergeldern finanzieren lässt“, so Raggl. Durchgehende stromführende Zäune mit vier bis fünf Drähten stellen nicht nur für den Wildwechsel und den Austausch innerhalb von Lebensraumverbundsystemen, sondern auch für Freizeitsportler und Bergwanderer unüberwindbare Hindernisse dar und sind ein ästhetischer Störfaktor im Berggebiet, meint der Tiroler Bauernbunddirektor.
Hirtenhunde
Abgesehen davon, dass Herdenschutzhunde einem extremen Stress ausgesetzt werden und in Kämpfe auf Leben und Tod geschickt werden – allein in Frankreich wurden im Jahr 2020 nicht weniger als 59 Herdenschutzhunde von Wölfen getötet – sind auch Hunde nur begrenzt wirksam. In Frankreich sind über 5.000 Herdenschutzhunde im Einsatz. Sie stehen rund 600 Wölfen gegenüber, die trotz Schutzmaßnahmen über 12.200 Nutztiere reißen.
In der Schweiz werden südeuropäische Herdenschutzrassen eingesetzt, die menschenverträglicher als die östlichen Rassen sind, trotzdem kam es 2020 zu 30 erfassten Vorfällen mit Herdenschutzhunden. 26 davon betrafen Menschen, in vier Fällen wurden andere Hunde angegriffen. Auch stellt die Winterhaltung der Herdenschutzhunde im Tal ein riesiges Problem dar.
Kosten unverhältnismäßig
Ausgebildete Hirten sind kaum verfügbar und bei den kleinen Herdengrößen in Österreich auch nicht leistbar. Eine Studie der LFS Grabnerhof mit der HBLFA Raumberg-Gumpenstein ergab für die schuleigene Herde von 27 Tieren, die in Koppelwirtschaft von einem Hirten gehütet und über Nacht gepfercht wurde, Kosten von 298 Euro pro Schaf und Almsommer. Die Tiroler Pilotprojekte, bei denen in Spiss und Ladis von der traditionellen Bewirtschaftung im freien Weidegang auf gelenkte Weideführung sowie vorbeugender und bedarfsorientierter Herdenschutzmaßnahmen umgestellt wurde, erbrachten einen Kostenanstieg von über 400 Prozent. In der Schweiz rechnet man mit Kosten von 100.000 bis 150.000 Euro pro Wolf.
Keine Narrenfreiheit für eine Art
In Frankreich gibt es pro Jahr über 12.000 Nutztierrisse, in Deutschland rund 4.000, in der Schweiz über 800 und in Österreich fast 800. Jedes Jahr werden es mehr. „Es ist unverständlich und inakzeptabel, dass wegen einer oder zwei Raubtierarten, die alles andere als vom Aussterben bedroht sind, die Almwirtschaft und die Biodiversität im Berggebiet aufgegeben werden soll“, entrüstet sich Bauernbunddirektor Peter Raggl. „Passive Herdenschutzmaßnahmen sind unwirksam. Die Naturschutzlobbyisten sollen ihre rosaroten Brillen abnehmen und den Tatsachen ins Auge sehen!“
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