Auch neue Methoden der Mutagenese sind als Gentechnik einzustufen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch, den 25. Juli, in Luxemburg. Bei Mutagenese-Verfahren in der Pflanzenzüchtung können einzelne DNA-Bausteine gezielt ausgetauscht werden. Die Mutagenese ermöglicht also natürliche Mutationen an genau jenen Stellen, an denen sie erwünscht sind. Der Unterschied zur „klassischen Gentechnik“ (Transgenese) ist, dass keine artfremden, sondern nur arteigene Erbsubstanzen in die Pflanzen eingebracht werden.
Dennoch entschied der EuGH, dass durch Mutagenese gewonnene Organismen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzustufen sind und somit der EU-Richtlinie für GVO unterliegen. Der Gerichtshof begründet seine Entscheidung damit, dass durch Mutagenese-Verfahren Veränderungen am genetischen Material einer Pflanze vorgenommen werden, die nicht auf natürliche Weise möglich wären. Laut Saatgut Austria unterscheiden sich diese Mutationen jedoch nicht von natürlichen Mutationen. Außerdem, argumentiert der EuGH, seien die Risiken beim Einsatz der neuen Mutagenese-Verfahren vergleichbar mit jenen bei der „klassischen Gentechnik“. Um schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu verhindern, müssen durch Mutagenese gewonnene Organismen auch von der GVO-Richtlinie erfasst werden, heißt es im Urteil.
Eine Ausnahme besteht für „seit Langem als sicher geltende“ Mutagenese-Verfahren. Dies sind jene Verfahren, die Mutationen durch radioaktive Bestrahlung und mithilfe von Chemikalien bewirken. In diesen Fällen obliegt es den Mitgliedsstaaten, diese Organismen unter Beachtung des Unionrechts der GVO-Richtlinie zu unterwerfen.
Kritik: Europäische Züchtung wird zum Museumsstück
Scharfe Kritik am EuGH-Urteil übte Saatgut Austria: „Eine pauschale Unterwerfung der neuen Züchtungsmethoden unter die GVO-Richtlinie ist unwissenschaftlich und in der Sache falsch. Die Anwendung des Gentechnikrechts sollte sich aus der Methode und der Art der Veränderung in der Pflanze ergeben“, betonte Michael Gohn, Obmann von Saatgut Austria. Aus Sicht von Saatgut Austria wird die Züchtung in Europa damit zum Museumsstück. Durch die Einstufung als GVO stehen die neuen Techniken den kleinen und mittelständischen Pflanzenzüchtern in Österreich und Europa aus wirtschaftlichen Gründen und hier v. a. aufgrund der langwierigen und kostenintensiven Zulassungsprozesse nicht zur Verfügung. „Die Entscheidung fügt den kleinen und mittelständischen Züchtern immensen Schaden zu, sie sind im internationalen Wettbewerb längerfristig quasi chancenlos, was den Konsolidierungsprozess in der Züchtungsbranche weiter beschleunigt“, so der Saatgut Austria-Obmann.
Die Umsatzeinbußen würden in der Folge zur Einstellung von Züchtungs- und Forschungsprogrammen, zur Abwanderung von Unternehmen sowie zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. „Auch die Landwirtschaft hat durch Sortenpatentierungen mit höheren Kosten und sinkender Vielfalt zu rechnen, denn mit den heimischen Züchtern werden auch regionale und flächenmäßig weniger bedeutende Sorten bald verschwunden sein“, betonte Gohn.
Bauernbund: Einheitliche EU-Regelungen für neue Züchtungsmethoden notwendig
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