Niedrige Getreidepreise: Gibt es ein Gegenmittel?

Wintergetreideernte 2016: Zwar lassen die Qualitäten gebietsweise nach den Niederschlägen zur Blüte und vor der Ernte zu wünschen übrig, die Mengen stimmen jedoch. ©agrarfoto.com
Wintergetreideernte 2016: Zwar lassen die Qualitäten gebietsweise nach den Niederschlägen zur Blüte und vor der Ernte zu wünschen übrig, die Mengen stimmen jedoch. ©agrarfoto.com
Mit jedem Tag Erntefortschritt werden die seit dem Frühjahr erwarteten guten Erträge mehr Realität. Zwar sind gerade im Qualitätsweizenbereich die Proteingehalte und Fallzahlen schwächer, als im Vorjahr, die Menge stimmt aber in Österreich größtenteils. Vor 14 Tagen bescherten Sorgen um schwache Erträge und Qualitäten nach den ersten französischen Weizenpartien den Terminmarktnotierungen an der MATIF Paris kurzzeitig einen starken Ausreißer nach Norden. Diese Bewegung setzte sich jedoch auf den Kassamärkten kaum durch. Wenn überhaupt waren nur kurzfristig bessere Auszahlungspreise zu vereinbaren. Die Gewissheit um hohe Überlager und gute Verfügbarkeit drückt die Kauflaune. Vor allem aus dem Schwarzmeerraum werden riesige Getreideernten prognostiziert. Lokale Beobachter berichten schon seit Mitte Juli, und sprechen von der Rekordernte seit dem Zerfall der Sowjetunion (über 110 Millionen Tonnen Getreide). Auch aus Rumänien und Ungarn werden sehr gute Erträge gemeldet.

Gedämpfte Preisniveaus könnten länger anhalten

Neben den guten Ernten ist die bevorstehende Exportpolitik für Europa entscheidend. Mangelnde Lagerkapazität zwingt die Produzenten in Osteuropa und Russland zu Verkäufen aus der Ernte heraus. Die Exporte werden jedenfalls bis im Herbst, wahrscheinlich sogar bis in den Winter hinein brummen. Mit der niedrigpreisigen Konkurrenz im Nacken dürfte es für die mitteleuropäischen Exporteure schwer werden. Schon im Vermarktungsjahr 2015/16 kamen die hiesigen Exporte erst nach der Jahreswende richtig in Fahrt. Durch nochmals höhere Konkurrenz könnte es im jungen Vermarktungsjahr 2016/17 noch länger dauern, ehe sich die russischen Lager leeren und der Absatz leichter läuft.

Alternativ: Weizenverkauf und Kontraktkauf

Matif-Mahlweizen: 2014 und 2015 waren die Preistiefs an der Terminbörse jeweils im September. ©MATIF
Matif-Mahlweizen: 2014 und 2015 waren die Preistiefs an der Terminbörse jeweils im September. ©MATIF
Vertritt man die Erwartung, dass die Preisgefüge nur während der Ernte einen Tiefpunkt markieren und später wieder anziehen werden, kann man einen frühzeitigen physischen Verkauf des Wintergetreides mit dem Kauf von Terminkontrakten kombinieren. Dazu wird das Getreide schon während der Ernte, oder kurz danach mit dem Agrarhandelspartner abgerechnet. Der Betrieb erhält sofort die volle Liquidität zur Deckung der laufenden Betriebskosten. Im gleichen Atemzug werden an der Warenterminbörse Terminkontrakte oder Call-Optionen (jeweils 50-Tonnen-Schritte) für einen mittelfristigen Liefertermin in den nächsten sechs bis neun Monaten eingekauft. Für die Call-Option ist beim Abschluss, ähnlich wie bei einer Versicherung, eine fixe Prämie fällig. Steigen in den folgenden Monaten die Notierungen an den Terminbörsen (z.B.: durch stärkere Nach-frage der Mühlen bzw. bessere EU-Exporterfolge) so gewinnen die eingekauften Terminkontrakte oder Call-Optionen an Wert. In den Jahren 2014 und 2015 waren die Nachernte-Tiefpunkte jeweils im September gegeben (siehe Grafik). Auf eigenen Wunsch können die Terminkontrakte und Optionen jederzeit vor Laufzeitende aufgelöst, und die Erlöse am Handelskonto realisiert werden. Durch die Auszahlung aufs Betriebs-Bankkonto erhöhen diese Erlöse dann den Verkaufserlös des Sommers. Bleiben die Notierungen an den Terminbörsen bis in den Winter hinein auf unverändert niedrigem Niveau, werden die Terminkontrakte oder Optionen wertlos aufgelöst. Es sind nur die Abwicklungskosten und bei der Option die Prämie zu tragen. Fallen die Notierungen ab dem Zeitpunkt des Kontrakt-Einkaufs bis in den Herbst/Winter hinein weiter, so wäre bei der Terminkontrakt-Absicherung die Differenz zum Einkaufspreis zu tragen, bei der Optionsstrategie bleibt nur die Prämie einbehalten.

Auch für Veredler interessante Strategie

Über den Einkauf von Terminkontrakten können übrigens auch Veredelungsbetriebe interessante Einkaufspreisniveaus für Getreide absichern. Trotz niedriger Einstandspreise kann der eigene Lagerraum für längerfristige Voreindeckungen zu klein sein, oder vielleicht sollen Lagerhalterisiken nicht eingegangen werden. Über den Kauf von Terminkontrakten oder Optionen können während Preistiefs Einzelkomponenten der Ration preislich abgesichert werden. Erst beim tatsächlichen Kauf der Ware wird die Absicherung aufgelöst. Die Erlöse dienen zum Ausgleich der veränderten Einkaufspreise. Entscheidend für die Nutzung solcher Strategien ist die laufende Beobachtung und eigene Einschätzung der Marktentwicklung der nächsten Monate.

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