Hier einige Fakten als Kontrapunkte zur sehr selektiven Wahrnehmung der AK in der Publikation „Wirtschaft & Umwelt“ der AK zum Thema „Agrarpolitik quo vadis?“:
Entgegen wiederkehrender Falschbehauptungen auch der „AK-Experten“ ist in den EU-Rechtstexten unmissverständlich festgeschrieben, dass der Erhalt von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik an die Erbringung konkreter Umweltleistungen für Gewässer-, Boden-, Luft- sowie Tierschutz, aber auch für Biodiversität und Landschaftspflege gebunden sind. Und das für Leistungen, welche über gesetzliche Mindeststandards hinausgehen. Auch die „Greening“-Prämie, die darüber hinaus umwelt-, klima- und biodiversitätsfördernden Leistungen abgilt, ist ein Teil der Direktzahlungen. Oder anders formuliert: Niemand – weder große noch kleine Betriebe – erhält Agrarmittel, ohne derart erbrachte Leistungen. Mehr noch: Schon heute greift EU-weit eine Deckelung („Capping“) der Basisprämie für Großbetriebe.
Trotz wiederholter Behauptung aus der AK irreführend ist, die Landwirtschaft erhalte den Löwenanteil des EU-Budgets. Anders als etwa die Bereiche Gesundheit, Arbeitsrecht oder Pensionen ist Agrarpolitik auf EU-Ebene geregelt. Legt man denselben Maßstab der Finanzierung, nämlich durch EU und Nationalstaaten, an alle Politikbereiche an, so rangiert die Landwirtschaft mit rund 1 Prozent im unteren Bereich der Skala.
Was jüngst in der Agrarpolitik-Publikation der AK zudem vergessen wurde darzustellen ist die Produktionsfunktion und damit Versorgungsrolle der Land- und Forstwirtschaft mit Lebensmitteln und Rohstoffen sowie deren Schutz der Ressourcen. Hier ist die GAP der EU recht erfolgreich gewesen: seit mehr als 50 Jahren ist die Lebensmittelversorgung gesichert, weitgehend unabhängig und es gibt kein Hunger mehr. Durch Kooperationen in der gesamten Wertschöpfungskette ist Österreichs Landwirtschaft in den vergangenen 25 Jahren zu einem erfolgreichen Exporteur von Lebensmitteln geworden, wovon Land, Wirtschaft als auch Arbeitnehmer profitieren.
Selektive Wahrnehmung dominiert in der Prinz Eugen-Straße 20-24 in Wien, dem Sitz der AK, auch bei deren Schuldzuweisung an die Landwirtschaft, Hauptverursacher für den Rückgang der Artenvielfalt zu sein. Die Entwicklung der Artenvielfalt hängt jedoch von einer Vielzahl miteinander verwobener Einflussfaktoren ab: Klimawandel, Bodenversiegelung, Verkehr, Fragmentierung der Lebensräume durch Infrastruktur, Lichtverschmutzung, das menschliche Konsumverhalten an sich. Artenvielfalt, wie wir sie auf Europas Wiesen, Äcker und Almen kennen, konnte sich erst durch die Landwirtschaft entwickeln.
Feindbildpflege dominiert in der Broschüre auch das Thema Tierhaltung: Dieselben Experten, die Preisregelungen im Milchbereich kritisiert und „wettbewerbsfähige“ Strukturen gefordert haben, stellen nun die moderne Rinderhaltung mit größeren Stallflächen und Laufställen an den Pranger, als Verursacher höherer CO2-Emissionen. Gleichzeitig schwärmt man in der AK von den billigen Diskonter-Preisen in Deutschland. Das enorme Problem des rasant steigenden Flächenverbrauches wird von den AK-Autoren dagegen völlig negiert. Während immer mehr Äcker und Wiesen in Österreich versiegelt werden, müssen Lebensmittel für mehr und mehr Menschen auf einer immer geringer werdenden Agrarfläche produziert werden.
Fest steht: Das öffentliche Interesse an Landwirtschaft und deren Produktionsmethoden nimmt zu. Doch aktuelle Konflikte wie Tierwohl mit Freilaufstall kontra Treibhausgasemissionen oder wachsender Bedarf nach nachwachsenden Rohstoffen (als klimaneutrale Energiequelle) kontra Extensivierung der Bewirtschaftung werden von der AK nicht objektiv dargestellt, sondern populistisch desavouiert. Dabei wäre es für alle lohnender, wenn sich alle Sozialpartner gemeinsam ein Stück weit hin zu einer Regionalpartnerschaft entwickeln würden.
Arbeiterkammer & Agrar: Irreführend, desavouierend
Die Covid-Krise führt derzeit vielen Österreichern die Bedeutung der heimischen Landwirtschaft für den Staat und die Gesellschaft klar vor Augen. Jüngst publizierte Beiträge der Arbeiterkammer zeugen dagegen weder von Wertschätzung der Arbeit der Bäuerinnen und Bauern noch von tiefem Verständnis der (EU-)Agrarpolitik.
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