
Die deutsche Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) hat 2023 ihre Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Milchkühen nach gut 20 Jahren überarbeitet und spezifiziert. Welche Erkenntnisse sich daraus für die Milchbauern im Land ergeben, hat Franz Tiefenthaller, Fütterungsexperte der LK Oberösterreich, heuer auf der Viehwirtschaftlichen Tagung an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein erläutert. Hier eine Zusammenfassung seines Tagungsberichts.
Nur der Bohrstock bringt Gewissheit
Laut Tiefenthaller sei die Bedeutung der bedarfsgerechten Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen des Milchviehs unter Bauern bekannt, werde jedoch oftmals nicht korrekt umgesetzt. Um aber Leistungsdepressionen in allen Altersstufen der Kühe vorzubeugen (und auch aus Angst vor zu geringen Konzentrationen im Grundfutter) würden Mineralfuttermischungen nicht selten „in überbordendem Ausmaß“ (also mit massiven Mengenzuschlägen) verabreicht. Tiefenthaller appelliert daher, die Versorgung mit Mineralfutter „faktenbasierter“ zu gestalten. Eine Futtervorlage nach dem Motto „Viel hilft viel“ sei indes ein Fall für die Geschichtsbücher.
Der tatsächliche Bedarf könne nur anhand konsequenter Probenziehung aller am Betrieb geernteten Futtermittel erfolgen. Errechnete Mittelwerte aus Futterwerttabellen seien nur Anhaltspunkte. Tiefenthaller: „Die Proben sind jedenfalls mit dem Bohrstock durch den ganzen Futterstock zu ziehen. Entnahmen kleiner Mengen von der Anschnittfläche sind niemals repräsentativ für das gesamte Erntegut.“ Auch müssen die gezogenen Proben neben Nährstoffen auch auf ihren Gehalt an Mengen- und Spurenelementen untersucht werden (erweiterte Weender-Analyse). Nur so lasse sich tatsächlich ableiten, wie viel Kalzium (Ca), Phosphor (P), Magnesium (Mg), Natrium (Na), Kalium (K) und Chlor (Cl) sowie Eisen (Fe), Mangan (Mn), Zink (Zn) und Kupfer (Cu) ergänzt werden müssen.
Ausnahme Schwefel
Die Bedarfsempfehlungen für Mengen- und Spurenelemente werden grundsätzlich faktoriell errechnet. Als Basis dient der Nettobedarf, also jene Menge, die auch ohne dass sie im Futter enthalten ist, über Kot und Harn ausgeschieden wird. Diese wird um Aufschläge für die in die Milch, den Fötus, die Eierstöcke und Plazenta sowie das Wachstum abgegebene oder angesetzte Mengen ergänzt. Einzige Ausnahme bildet Schwefel. Dieser wird bei Wiederkäuern vor allem von den Pansenmikroben zur Proteinsynthese benötigt. Laut Tiefenthaller wird deren Bedarf aber in den meisten Fällen aus dem Grundfutter gedeckt. Nur in maissilagebetonten Rationen sei eine Zuführung nötig, wobei diese auch aus Extraktionsschroten erfolgen kann. Eine Überversorgung an Schwefel (> 4-5 g/kg TM bei grundfutterbetonter Ration) könne im schlimmsten Fall zu Schädigungen im Gehirn der Tiere führen. Auch sekundäre Mangelerscheinungen bei Kupfer, Selen und Zink seien dann möglich.
Unterschiede je nach Rasse
Neu ist, dass bei der Abgabe von Ca und P über die Milch nach Rassen unterschieden wird. So verlieren Holstein über die Milch weniger Kalzium und Phosphor, während Jersey aufgrund der hohen Inhaltsstoffe generell wesentlich mehr abgeben. Fleckvieh und andere Rassen liegen im Mittelfeld. Diese Tatsache hält nun auch in den Rationsberechnungsprogammen der diversen Anbieter Einzug.
Verwertung: P runter, MG, Na, K und Cl rauf
Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse fließen auch bei der Verwertung der Mengenelemente ein. Bekanntlich sind im Stoffwechsel der Rinder stets nur unterschiedliche Anteile der über das Futter zugeführten Elemente tatsächlich nutzbar. Beschränkt werde die Verwertung durch den Verdauungsprozess an sich, aber auch durch Überversorgung. So liegt die Verwertungsrate von Ca bei etwa 50 Prozent, unabhängig von der Quelle. Überschüsse scheiden die Tiere über den Kot aus. Neu beurteilt wird die P-Verwertbarkeit. Bisher ging man von 70 Prozent aus. Nun wurde dieser Faktor auf 80 Prozent erhöht. In der Praxis bedeutet das, dass bei allen Tierkategorien im Stall – insbesondere bei Einsatz von Extraktionsschroten – auch ohne mineralische Ergänzung eine ausreichende bis überreichliche Versorgung gegeben ist.
Bei allen anderen Mengenelementen nennt die GfE nun erheblich höhere Bedarfszahlen (siehe Tabelle). So steigen diese bei Mg um satte 45 Prozent (gegenüber der Auflage aus 2001), bei N um etwa 15 Prozent, bei K um 20 bis 40 Prozent und bei Cl um rund ein Viertel. Laut Tiefenthaller sind diese Anpassungen neuen Untersuchungen zur Verwertbarkeit, vor allem aber dem gestiegenen Leistungsniveau geschuldet. Nun gelte es, diese Tatsache auch in der praktischen Fütterung zu berücksichtigen.
Kleine Menge, große Wirkung
Keine wesentlichen Änderungen gibt es bei der Spurenelement- Versorgung. Trotz der geringen Mengen, die von den Tieren aufgenommen werden, sind Eisen, Jod, Kobalt, Kupfer, Mangan, Selen und Zink essenziell für diverse Funktionen im Organismus. Die zur Verabreichung empfohlenen Mengen (siehe Tabelle) wurden um Sicherheitszuschläge ergänzt, „um Auswirkungen verschiedener Einflussfaktoren auszugleichen“, so die Experten.
Der Fachmann der LK Oberösterreich merkt diesbezüglich an, dass die GfE-Empfehlungswerte in der Praxis aber ohnehin meist um ein Mehrfaches überschritten werden: „Nur in seltenen Ausnahmefällen werden sie krass unterschritten, weshalb auch an der Kuh und in den Leistungsparametern sichtbare Mangelzustande auftreten.“ Anders als bei den Mengenelementen stellt die Einschätzung der Verwertung von Spurenelementen die Wissenschaft aber noch vor Herausforderungen. Deren Wirksamkeit sei nämlich nicht allein durch Konzentrationen in Organen abzuleiten, sondern auch durch deren spezifische Wirkung, etwa auf Enzyme. Außerdem sei der Organismus der Wiederkäuer in der Lage, Konzentrationen durch Absorption aus Speicherorganen temporär auszugleichen. Auch hier gebe laut Tiefenthaller letztlich nur eine konsequente Futtermittelbeprobung Aufschluss über den Ist-Stand am Betrieb.
Fazit
Aus den neuen GfE-Empfehlungen lesen die heimischen Wissenschafter Handlungsbedarf bei der Mineralfutterversorgung von Milchviehherden heraus. Eine konsequente Überversorgung könne im Extremfall nicht nur dem Organismus der Tiere schaden, sondern verteuere auch die Produktion und verschwende wertvolle Ressourcen. Bei der Rationsberechnung leistet derweil die Applikation der Rinderzucht Austria im RDV-Portal wertvolle Dienste.
Der Tagungsband der Viehwirtschaftlichen Tagung 2025 steht hier kostenlos zur Verfügung.
- Bildquellen -
- Mineralfuttergabe: agrarfoto.com