„Trump hat sich verzockt“

Der frühere EU-Beamte Jerzy Plewa zu den Folgen der Trump’schen Zollpolitik. Er hofft auf ein rasches Ende des Zollspektakels und lobt zudem die EU-Kommission für ihre Besonnenheit.

US-Zolloffensive: ein Paradebeispiel für den Protektionismus des 19. Jahrhunderts, verpackt in eine rote „MAGA“-Kappe.

Mit seinen jüngst vorgestellten Zollplänen hat US-Präsident Donald Trump einen Zoll-Tornado entfacht, mit dem er einmal mehr den Rest der Welt geschockt hat. Zuletzt kündigte der selbst ernannte „Deal-Maker“ eine weitere Erhöhung der Zölle auf aus China importierten Waren um erstaunliche 125 Prozent an. Das ist deutlich mehr als das 25-Fache des von der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbarten Durchschnittszolls von zuletzt drei bis fünf Prozent. Doch Trump war noch nie ein Freund von Statistiken oder internationalen Organisationen. Kürzlich haben die USA sogar ihre Beitragszahlungen an die WTO ausgesetzt. Eine Institution, welche die USA einst gemeinsam mit der EU, Kanada und Australien zur Stabilisierung und Liberalisierung des Welthandels mitbegründet hatte.

Ein solcher Zollschritt widerspricht klar den Grundprinzipien des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), das seit 1947 den globalen Handel regelt. Laut diesen Regeln muss jede drastische Zollanhebung durch eine Bedrohung der nationalen Sicherheit oder eine plötzliche Importflut gerechtfertigt sein, welche die nationale Produktion gefährdet.

Natürlich wäre Trump nicht Trump, wenn er dem Ganzen nicht eine Prise Spektakel hinzufügen würde. Er kündigte eine 90-tägige Aussetzung der Zollanhebungen für mehr als 70 Staaten der Welt an. Währenddessen behielt er die erste Stufe bei: eine Zollsteigerung von zehn Prozent auf alle in die USA importierten Waren. Die am 12. März eingeführten Zölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium bleiben in Kraft.

Die Reaktion Chinas folgte prompt: 125 Prozent Vergeltungszölle auf alle aus den USA importierten Waren, gültig seit 12. April. Napoleon Bonaparte riet einst: „Störe deinen Feind nie, wenn er dabei ist, einen Fehler zu machen.“ Offenbar hat Peking sich diesen Satz zu Herzen genommen.

Ein Déjà-vu

Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump eine Zolloffensive gestartet, um „die Produktion der USA zu retten“. 2018 verhängte er globale Zölle auf Stahl (25 %) und auf Aluminium (10 %). Das rief eine starke Reaktion der Handelspartner hervor. Zusätzlich erhob er Sonderzölle auf Elektronik, Maschinen und Textilien aus China im Wert von über 350 Mrd. Dollar. Peking reagierte mit Gegenzöllen auf US-Agrarprodukte wie Soja, Schweinefleisch und Obst. Ein harter Schlag für die amerikanische Landwirtschaft.

Die EU reagierte seinerzeit rasch, aber vorsichtig und ausgewogen mit Zöllen auf US-Produkte (Bourbon Whiskey, Motorräder und Agrargüter) im Wert von 3,2 Mrd. Dollar Daraufhin sanken 2018 und 2019 die US-Agrarausfuhren um über 27 Mrd. Dollar. 71 Prozent der Verluste entfielen rein auf Soja. Und was tat Trump? Er zahlte den Farmern Entschädigungen, rund 23 Mrd. Dollar. Die Folge: US-Konsumenten zahlten mehr, die Industrie importierte billigeren Stahl aus Kanada und das US-Handelsdefizit stieg. Das war der „große Deal“.

Logik Fehlanzeige

Und jetzt? Der Rest der Welt bekommt eine „Dispens“ für 90 Tage. Besonders pikant: Diese Entscheidung kam nur einen Tag nach einem offiziellen Dementi. Lässt dies auf Verhandlungsbereitschaft Washingtons schließen? Wohl eher auf einen panischen Kurswechsel. Wie sonst lässt sich erklären, dass man zunächst der EU, Südkorea, Japan und anderen droht, um dann plötzlich allen Bedenkzeit für ihre „Sünden“ zu gewähren? Warum nur 125 Prozent? Warum nicht gleich 500 oder 1.000 Prozent? Hier geht es nicht um Logik, sondern um Show. Trump versucht als „Showman“ einmal mehr, eine Katastrophe als Triumph zu verkaufen. Ob er sein Publikum mit solchen Volten noch lange begeistern kann?

Der neueste Schritt ist ein Paradebeispiel für den Protektionismus des 19. Jahrhunderts, verpackt in eine rote „MAGA“-Kappe („Make America Great Again“). Indes zahlen die US-Verbraucher mehr, amerikanische Exporteure geraten unter Druck und die Weltwirtschaft beginnt erneut zu wanken. Trump wird es auf seinem Medienkanal trotzdem als Sieg verkaufen – für jene, die der Realität ohnehin überdrüssig sind.

Strategie statt Spektakel

Angesichts der Zollwelle von der anderen Seite des Atlantiks hat die Europäische Kommission bemerkenswerte Ruhe bewahrt. Statt emotional zu reagieren und mit einer neuen Zollrunde zu kontern, setzte sie auf Dialog, Konsultationen und Koordination mit Handelspartnern. Eine überlegte und vorausschauende Reaktion – ein Beweis dafür, dass die EU protektionistischen Exzessen begegnen kann, ohne die Spannungen weiter anzuheizen. Europa will keinen Handelskrieg – es will fairen Wettbewerb und vorhersehbare Regeln. Diese Haltung verdient Anerkennung.

Was die Welt jetzt braucht, sind weniger Tweets und mehr Verträge. Auch das EU-Mercosur-Abkommen bekommt strategische Bedeutung. Dessen Abschluss würde nicht nur neue Märkte für europäische Unternehmen öffnen, sondern auch ökologische und soziale Standards fördern. Ebenso wichtig ist die fortgesetzte Integration der Ukraine in die EU, als Antwort auf globale Instabilität und als Signal, dass Europa Populisten und Autokraten nicht das Feld überlassen wird. 

Das Ende der Illusion?

Das tatsächliche Ausmaß der Folgen von Trumps Gebaren lässt sich noch nicht beziffern. Zölle sind Steuern. Für China, für US-Unternehmen und Bürger. Die Inflation zieht bereits an. Ökonomen kommen bei der Berechnung der Zusatzkosten für Otto-Normalamerikaner kaum noch hinterher.

Bedeutet die Pause von 90 Tagen ein stilles Auslaufen des Zollspektakels? Es sieht ganz danach aus. Trump fürchtet offenbar nicht nur die Reaktion der Märkte, sondern auch weitere Umsatzverluste der Industrie und der Landwirtschaft im eigenen Land. 

Ist das das Ende des Mythos von Trump als „Deal-Maker“? Gut möglich. Denn anders als seine jubelnden Wahlkampf-Fans können Konsumenten, Börsianer und Landwirte rechnen. Und die Zölle, als Waffe gedacht, kehren nun als Bumerang zurück – mit voller Wucht. 

Zur Person
Dr. Jerzy Plewa war von 2013 bis 2019 Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft (DG Agri) in der EU-Kommission.

Dieser Text wurde von AgE mit dem Einverständnis des Autors in die deutsche Sprache übersetzt.

- Bildquellen -

  • Amerika Zölle: Carlos Barria / REUTERS / picturedesk.com
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AUTORRed. BW
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