Rübenpreis senken, Anbau ausweiten, Konkurrenten aus dem Markt drücken – für diese Strategie hat sich laut Berichten in deutschen Agrarmedien der Südzucker-Konzern entschieden. Das Motiv, diesen Weg zu gehen, ist die ab dem Rübenanbau 2017 abgeschaffte EU-Zuckerquotenregelung. In Vorbereitung auf die Zeit nach der Quote hat Südzucker kürzlich als erster der großen Konzerne in der EU bereits das Preismodell für die Kampagne 2017/18 vorgestellt. Es beinhaltet folgende Eckpunkte:
Die Latte liegt auf 32 Euro pro Tonne “all inclusive”
• 32 Euro pro Tonne Vertragsrübe als “all inclusive”-Preis, das heißt, inklusive sämtlicher Nebenerlöse (Melasse, Schnitzel, …)• 18 % Polarisation,• 25 % Frachtkostenbeteiligung,• 125 % Liefererfüllung.Zurückgerechnet auf 16 % Zuckergehalt sowie ohne Nebenerlöse würde das Südzuckeranbot einem nackten Rübenpreis von etwa 22 Euro/t entsprechen – Anmerkung: Selbst die EU-Kommission hat 2006 den seither geltenden Rübenmindestpreis bei 26,30 Euro/t, 16 % Pol. höher angesetzt.Den “all inclusive” Preis von 32 Euro/t können die Südzucker-Vertragsbauern nur dann erreichen, wenn ihre Rübe zumindest 18 % Zuckergehalt aufweist und wenn sie den Anbau bzw. die Rübenlieferung auf mindestens 125 % ihres derzeitigen Lieferrechts ausweiten. Zudem liegt der Preisableitung ein Zuckerpreis am EU-Markt von zumindest 450 Euro/t zugrunde. Sollte der Zuckerpreis unter dieser Marke zu liegen kommen, dann wird auch der Rübenpreis neu kalkuliert. Dies gilt auch für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass der Zuckerpreis über diese Marke ansteigt.
Anbauverträge 2017 ab Mai zur Kontrahierung
Den Pressemeldungen zufolge haben auch die Verbände der rund 18.000 Südzucker-Vertragsbauern dem Preismodell zugestimmt. Bereits ab kommendem Mai will Südzucker den Landwirten die Anbauverträge zum Abschluss vorlegen. Die offene Frage ist allerdings, wie weit die Bauern das Anbot annehmen. Denn der vorgeschlagene Rübenpreis liegt in der Wettbewerbsfähigkeit etwa gleichauf mit Weizen oder Raps, die derzeit auf eher bescheidenem Niveau gehandelt werden. Sollte sich hier die Marktlage entspannen, dann würde die Rübe deutlich ins Hintertreffen geraten. Dass Südzucker dem eigenen Anbot nicht so ganz traut, mag auch daran abzulesen sein, dass nach der ersten Kontrahierungsrunde im Mai auch noch eine weitere Runde für Juni oder Juli geplant ist, um noch allenfalls offene Mengen zu verteilen. Erklärte Absicht der Südzucker AG ist zudem, den Anbauumfang um zumindest 25 %, möglichst aber um 40 % auszuweiten. Bei den beiden anderen großen deutschen Zuckerkonzernen (Nordzucker, Pfeifer & Langen) ist die Preisfindung noch im Gang. Aufgrund der Südzuckerankündigung dürften preislich keine allzu weit darüberliegenden Anbote zu erwarten sein. Zudem wollen beide Unternehmen, ebenso wie Südzucker, den Anbau kräftig ausweiten. Die angestrebte Produktionsausweitung liegt in der Größenordnung von 30 bis 40 Prozent. Damit sollen wirtschaftlich optimale Kampagnedauern von zumindest 120 Tagen erreicht werden.
Preiskampf ohne Auffangnetz
Seitens der österreichischen Rübenbauern hält Verbandspräsident Ernst Karpfinger das Südzuckermodell für eine “Kampfansage an die Mitbewerber”. Vor allem die beabsichtigte Produktionsausweitung hält Karpfinger nicht für verkraftbar. Ernst Karpfinger: “Das Konzept ist nicht schlüssig, denn jeder Rübenbauer hat das Recht, mehr zu liefern. Die Auslastung der Standorte ist jedoch sehr unterschiedlich.” Als Bauernvertreter findet Karpfinger es auch unverantwortlich, dass das Modell “keine Absicherung nach unten” enthält.Karpfinger vermutet marktpolitische Motive hinter der Strategie. Erstens sperre niemand gerne eine Fabrik zu, also wolle man, koste es, was es wolle, eine Kampagnedauer von 120 Tagen erreichen. Und zweitens gehe es um das Signal nach außen – schaut her, wir stellen uns dem Wettbewerb. Adressat dieser Signale könnte vor allem die französische Zuckerindustrie sein, mit den Konzernen Tereos (12.000 Landwirte in Frankreich, ca. 2,2 Mio. Tonnen Zucker pro Jahr in Europa und 1,6 Mio. Tonnen in Brasilien) sowie Cristal Union (9300 Landwirte, ca. 1,7 Mio. Tonnen Zucker). Diesen französischen Mengen stehen rund 4,0 Mio. Tonnen Zucker aus deutscher Produktion gegenüber. Karpfinger hält diese Strategie für zerstörerisch und sieht Parallelen zum Milchsektor, der genau mit diesem Konzept in die Krise geschlittert ist. Schon das Jahr 2015 habe das bewiesen. “Wir haben aufgrund hausgemachter Konkurrenz fast 100 Euro pro Tonne Zucker auf dem Markt liegen gelassen”, meint der Rübenbauernpräsident. Denn ausgehend von einem Weltmarktpreis von 390 Euro/t zuzüglich Zoll und Transportkosten hätte der Zuckerpreis in der EU auf einem Niveau von über 500 Euro/t liegen müssen. Tatsächlich wurden aber nur etwa 425 Euro/t Zucker erzielt. Karpfingers Fazit: “Die Zuckerwirtschaft in Europa kann nur über den Marktpreis am Leben erhalten werden. Wenn wir 100 Euro/t am Markt verschenken, dann wird es blutig.” Entscheidend werde sein, wie die europäischen Rübenbauern die Anbote ihrer Zuckerkonzerne annehmen.
Bauern kooperativ – “solange kein Minus bleibt”
Was den heimischen Rübenanbau betrifft, meint Karpfinger, dass das Ende der Zuckerquote schon vorweggenommen worden sei. Es seien nur noch zwei Fabriken in Betrieb, die bereits durchwegs Kampagnedauern von mindestens 120 Tagen erreichen – dies auch im ertragsschwachen Jahr 2015. Der Verarbeiter Agrana sei gesund und durch die Mehrspartenstrategie wirtschaftlich gut aufgestellt. Und nicht zuletzt seien die Rübenbauern kooperativ, mit der Einschränkung “solange kein Minus bleibt”. Kulturen, die in Österreich mit dem Rübenanbau konkurrieren, seien vor allem Mais, Ölkürbis und Sojabohne. Es sei deshalb eine Sache der wirtschaftlichen Vernunft, am bisherigen Rübenmindestpreis von rund 26,30 Euro/t festzuhalten (bei 16 % Zuckergehalt und einem Zuckerpreis von 404 Euro/t). Dass die heimischen Bauern ihre Anbauentscheidung mit Vernunft und Kostenbewusstsein treffen, das zeige nach Auffassung Karpfingers auch die Kontrahierung 2016. Denn obwohl der Abschluss 2015 “ganz gut” gewesen sei, wurden dennoch rund 2000 ha weniger kontrahiert.Von der Parole “Haltet durch, nach drei Jahren wird es besser” hält Karpfinger wenig. Sinnvoller sei, gleich nur die Mengen zu produzieren, die der Markt braucht. Karpfinger auch in Richtung europäische Rübenbauern: “Bisher hat die Quote die Bauern voreinander geschützt, nun liegt es an den Bauern selbst, wie es weitergeht.”