Von der Blüte ins Glas: Renaissance von Streuobst

Anlässlich des Tages der Streuobstwiese am Freitag, den 25. April, will man dem Weltkulturerbe aus Bauernhand jene Aufmerksamkeit geben, die es auch verdient.

In Ritzlhof kümmern sich die Schüler um die Streuobstwiesen, fördern die Lebensräume für Bienen, ernten das Obst und verarbeiten es zu hochwertigen, regionalen Produkten.

So unterschiedlich sich die Vierteln und Regionen präsentieren, ein Landschaftselement prägt das gesamte Bundesland: die Streuobstwiese. „Die großkronigen Bäume sind ein wichtiger Lebens- und Naherholungsraum“, betonte Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger bei einer Pressekonferenz inmitten der arten- und sortenreichsten Streuobstwiese des Landes in Ritzlhof.

Lebendiges Kulturerbe und Biodiversitäts-Hotspot

Streuobstwiesen sind aber viel mehr als malerische Landschaftselemente – sie sind lebendiges Kulturerbe, Quelle hochwertiger Lebensmittel und Biodiversitäts-Hotspot zugleich. Denn die Streuobstbestände bieten auch Lebensraum für bis zu 5000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. Sie fördern Wildbienen und blütenbestäubende Insekten wie Schmetterlinge und Käfer. Auf kleinstem Raum bieten sie Nahrung und Nistmöglichkeiten für viele Insekten sowie auch Rückzugsorte für viele Wildtiere. Ihre ökologische, kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung ist immens – ihr Erhalt jedoch keineswegs gesichert.

Quelle: Foto: Land OÖ
Silber, Ferstl, Langer-Weninger und Eder (v.l.) inmitten der Blütenpracht

Oberösterreich: Land der Streuobstbäume

Was einst durch Bauershand angelegt und über Generationen gepflegt wurde, stand im 20. Jahrhundert vielerorts unter Druck: Arbeitsintensität und feh­lende Absatzmöglichkeiten führ­ten zum Rückgang der Flächen. Von circa 35 Millionen Bäu­men in den 1930er-Jahren sind heute nur mehr etwa 4,2 Millionen in Österreich erhalten. Ohne einen funktionierenden Absatzmarkt könnten die hohen Standards und Pflegeaufwände der Landwirte jedoch schwer aufrechterhalten werden, was den Erhalt solcher Kulturlandschaften wirtschaftlich untragbar machen würde.

“In Oberösterreich werden Streuobstwiesen nicht nur gezielt erhalten, sondern sogar neu angelegt.” Michaela Langer-Weninger

Heute aber erleben Pflege, Nutzung und Wertschätzung der Streuobstwiesen eine Renaissance. „Mit circa 1,5 Millionen Obstbäumen auf etwa 15.000 Hektar Fläche beherbergt Oberösterreich mittlerweile ein Drittel des gesamten österreichischen Bestands – und ist damit zu Recht das Land der Streuobstbäume“, freut sich Langer-Weninger.

Damit das so bleibt, setzt das Agrarressort des Landes gezielt Anreize für den Erhalt alter Bäume und die Pflanzung neuer – etwa im Rahmen des Agrarumweltprogramms ÖPUL oder dem Programm Naturaktives Oberösterreich.

70 Prozent Birnen, 30 Prozent Äpfel

70 Prozent des Streuobstbestandes in Oberösterreich sind Birnen, 30 Prozent Äpfel und die zahlreichen Steinobstarten wie zum Beispiel Zwetschken. „Viele der Obstbäume sind 100 Jahre und älter. Mit geschätzten 400 verschiedenen Streuobstsorten bei Apfel und Birne ist das Sortenangebot für die Verarbeitung, für die Küche und als Tafelobst nahezu unbegrenzt“, betonte Rosemarie Ferstl, Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich.

Im langjährigen Schnitt werden im Land ob der Enns circa 110.000 Tonnen Streuobst geklaubt. Verarbeitet wird dieses zum Großteil zu Saft, aber auch zu Bränden sowie circa 3,5 Millionen Liter Most.

Faire Preise und Förderungen notwendig

Viele engagierte Produzenten entwickeln aus dem Streuobst hochwertige Produkte, dennoch bleiben faire Preise und gezielte Förderungen zentrale Herausforderungen. „Der Streuobstanbau ist ein zukunftsfähiges, nachhaltiges Anbausystem. Durch Sortenvielfalt und angepasste Bewirtschaftung lassen sich auch Klimarisiken wie Spätfrost oder Trockenheit abfedern.

WeltkulturerbeDer „Streuobstanbau in Österreich“ wurde 2023 als nationales Immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt. Diese Auszeichnung würdigt die Vielfalt an Sorten und Arten, die traditionelle Nutzung sowie das Wissen rund um Pflege, Verarbeitung und Vermarktung.

Eine nachhaltige Streuobst-Zukunft braucht jedoch gezielte Maßnahmen: bessere Marktbedingungen, Wertschätzung durch Konsumenten sowie politische Unterstützung, die auch die ökologischen Leistungen honoriert“, betonte Rainer Silber, Obmann der ARGE Streuobst Österreich und Geschäftsführer im Naturpark Obst-Hügel-Land.

Entscheidend in diesem Zusammenhang ist auch die Aus- und Weiterbildung. „Unsere Schüler lernen in Theorie und Praxis Obstbäume zu pflanzen, zu pflegen und zu veredeln, aber auch wie das Obst verwertet werden kann. Wir nutzen die Obst-Genbank für den praktischen Unterricht und ernten Obst für die Apfelsaftproduktion“, so Wolfgang Eder, Direktor der Gartenbauschule Ritzlhof, die heuer ihr 25-jähriges Bestehen feiert.

Tag der Streuobstwiese

Am Freitag, den 25. April 2025,  steht europaweit zum fünften Mal die Vielfalt und Schönheit der Streuobstwiesen im Mittelpunkt.

Unter dem diesjährigen Motto „Streuobstpicknick“ lädt der Tag dazu ein, Streuobstwiesen als Orte der Begegnung, Entspannung und des Genusses zu erleben. Ob gemütliches Picknick im Grünen, Führung durch Streuobstbestände, Verkostung regionaler Spezialitäten, Baumpflanzaktionen oder Schulprojekte – jede Aktivität bringt Menschen näher zur Natur und macht auf die Bedeutung dieser einzigartigen Kulturlandschaften aufmerksam.
www.tagderstreuobstwiese.at

Obstbaum-Rettung: Wer kennt diese alten Sorten?

Ein Team der ARGE Streuobst hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit der Aktion nach alten verschollenen Obstsorten zu suchen.

Wer kennt einen Standort von folgenden sehr alten, einst in vielen Obstgärten, Obstwiesen oder Feldrainen verbreiteten Obstsorten? Viele der nobel klingenden Apfel-, Birnen- und Kirschsorten haben die Bevölkerung in unterschiedlichsten Formen versorgt und zur Gesundheit beigetragen – ob roh gegessen oder in Mehlspeisen, gedörrt, versaftet, vermostet, vergeistigt, in Rexgläsern oder im Essigfaß.

Äpfel: Abkampapfel, Arneth Apfel, Braunauer Rambour, Englischer Prahlrambour, Erzherzog Anton Apfel, Erzherzog Johann Apfel, Fensterling Apfel (Hohenheimer Schmelzling), Fette Goldrenette, Haferapfel, Karoline Auguste Apfel, Kramer Apfel, Kremsmünsterer Schmalzapfel

Birnen: Feitel/Feldlbirne (Graue Krautbirne), Gassenbirne (Wintermarotzenbirne im Innviertel, Grüne Königsbirne bzw. Grasbirne im Hausruckviertel), Goldwörter Lederbirne, Grieblehner Holzbirne oder Mostbirne, Große Mostputzerbirne (Wellisbirne, Wörlesbirne, Wödlbirne, Tatzenbirne, Kasparhansnbirne), Gurkenbirne (Holländische Feigenbirne), Kleine Füchselbirne, Königshofer Mostbirne, Meerbirne, Meixnerbirne, Limonibirne (Große Weinbirne, Pomeranzenbirne von Zabergäu), Rauschindlbirne, Sauerbirne, Regelsbirne (im 16. Jahrhundert wurde damit korbweise der Zehent bezahlt), Weiße Fuchsbirne, Weiße Kochbirne, Weiße Pelzbirne (Hochpiribirne in Kimpling, Gelbe Wällisbirne, Kenkerbirne im Innviertel), Wöristbirne

Kirsche: Grammelkirsche;
Das Team der ARGE Streuobst ersucht um Rückmel-dung unter sortensuche@pomologie.at, wenn jemand diese Sortennamen bzw. Baumstandorte kennt. Gerne auch telefonisch unter der Nummer 0 650/619 07 60 (Organisator Franz Wörister). Damit soll die Biodiversität in Österreichs Obstgärten wieder stärker in den Vordergrund gerückt werden.

Quelle: Arge Streuobst
Das Team der ARGE Streuobst ist auf der Suche nach alten Sorten.

- Bildquellen -

  • Silber, Ferstl, Langer-Weninger und Eder: Foto: Land OÖ
  • Obstbaum Rettung ARGE Streuobst Österreich: Arge Streuobst
  • Baum: BZ/Mursch-Edlmayr
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AUTORred Thomas Mursch-Edlmayr
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