Etwa jede sechste Erbschaft führt zum Streit. Wenn ein Betriebsführer plötzlich stirbt, stellt sich die Frage, wer den Betrieb weiterführen darf. Wer für solche Fälle keine Vorkehrungen trifft, überlässt die Verantwortung dafür den Erben. Ein Beispiel aus der Mediationspraxis, wie man die Betriebsweiterführung absichern und Erbstreit vermeiden kann:
Karl L. (Name geändert), betriebsführender Landwirt, verstirbt unvorhergesehen mit 56 Jahren. Er hinterlässt eine Witwe und drei volljährige Söhne. Es existiert kein Testament. Seine Frau, Krankenschwester im Angestelltenverhältnis, kann sich nicht vorstellen, den Hof, den Karl von seinen Eltern übernommen hat, weiter zu bewirtschaften. Zwei der Söhne sehen sich als alleinige Hofnachfolger. Wie wird nun ein Streit vermieden und eine gute Lösung gefunden?
Die gesetzliche Erbfolge gilt, weil kein Testament oder Erbvertrag erstellt wurde. Die Ehefrau erbt neben den Kindern ein Drittel des Vermögens des Verstorbenen, die Söhne gemeinsam zwei Drittel (Sonderbestimmungen bei Erbhöfen). Der Erbhof gehörte Karl allein, die Witwe wird nicht Anerbin. Der zuständige Notar empfiehlt der Familie, sich einvernehmlich auf einen Anerben unter den Söhnen zu einigen.
Mit Mediation eine faire Lösung finden
Im beschriebenen Beispiel wurde in der Mediation klar, dass allen Beteiligten die Weiterführung des Betriebes am Herzen liegt. Unterschiedlich waren die Vorstellungen darüber, in welcher Form: Ein Sohn wollte verpachten und Teile verkaufen, ein anderer wollte selbst bewirtschaften, wogegen die anderen blockierten. Die Witwe wollte weiter am Hof wohnen.
In der Mediation wurden alle Anliegen und Ideen gehört und ernst genommen. Aus den unterschiedlichen Vorstellungen leiteten sich die gemein-samen Ziele und davon sinnvolle Maßnahmen zur Umsetzung ab. Die Familie entschied, dass ein Sohn den Hof im Nebenerwerb weiterführt, zwei Flächen samt Wald verkauft und der Erlös unter den Erbberechtigten aufgeteilt wird. Die Witwe behält ihr Wohnrecht. Das Ergebnis wurde von allen als fair akzeptiert. Alle Beteiligten haben sich ehrlich darüber ausgetauscht, was sie brauchen und wollen und wo sie bereit sind, den anderen entgegen zu kommen. Weil jeder in die Entscheidung eingebunden wird, übernimmt jeder Verantwortung und Missverständnisse werden ausgeräumt.
Tipps: So kann man sich auf die Gespräche vorbereiten
• Wer behauptet: „Das wurde immer so gemacht“ sollte sich die Meinungen
der anderen zumindest anhören. Neue Möglichkeiten in Betracht ziehen bedeutet nicht, alles Gute zu zerstören. Aber es kann Verbesserung schaffen.
• Wer fragt, führt: „Was heißt das?“, „Wozu ist das gut?“. Fragen stellen schafft Zeit und lässt einen verstehen, worum es wem wirklich geht.
• Konsequenzen überlegen, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden. Das vergrößert den Handlungsspielraum.