Leider gibt es alle Jahre wieder vor allem auf Almen Zwischenfälle im Zusammenhang mit Weidevieh und Wanderern, zum Teil mit gravierenden Folgen. Häufig sind auch mitgeführte Hunde im Spiel, besonders in Verbindung mit Mutterkühen eine gefahrenträchtige Konstellation. In diesem Zusammenhang stellt sich für die Tierhalter, aber auch für die Geschädigten, die Frage nach der straf- und zivilrechtlichen Verantwortung. Die Höchstgerichte hatten sich schon des Öfteren mit derartigen Fällen zu befassen, und dabei ein paar grundsätzliche Feststellungen getroffen.
Allgemein geht es um die Frage der Tierhalterhaftung. Dazu bestimmt das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) in § 1320 sinngemäß, dass der Tierhalter für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung des Tieres zu sorgen hat. Im Schadensfall gilt eine Beweislastumkehr. Das bedeutet, der Tierhalter muss beweisen, dass er die nötigen Vorkehrungen getroffen hat. Dabei dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden und müssen im Rahmen des Zumutbaren bleiben. Wie so oft ist die gesetzliche Formulierung recht vage und entscheiden im Ernstfall die jeweiligen Umstände.
OGH: Keine Pflicht, Wege durch Zäune abzugrenzen
Im Jahr 2015 hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) folgenden Fall zu entscheiden: Die Klägerin und ihr Mann, die jeweils einen Jagdhund an der Leine mitführten, benützten einen Wanderweg, der über eine Almweide führte, wobei die Klägerin durch eine Mutterkuh verletzt wurde. Bei beiden Zugängen zur Weide standen Warnschilder mit der Aufschrift „Achtung Mutterkühe! Mitführen von Hunden auf eigene Gefahr“. Schon ein Jahr zuvor war es auf dieser Weide zur Verletzung eines Wanderers, der einen Hund mitführte, durch die Kühe gekommen.
Die Frau klagte die Eigentümer der Rinder (16 Mutterkühe und 15 Kälber) sowie den Almbesitzer mit der Begründung, der Almbesitzer hätte durch einen Zaun dafür sorgen müssen, dass Wanderer von Kühen nicht angegriffen werden können. Das Aufstellen von Warnschildern sei zu wenig.
Der Oberste Gerichtshof sah das anders. In ähnlichen Fällen hatte er schon vorher entschieden, dass keine Pflicht besteht, einen Weg, der durch eine Kuhweide führe, durch Zäune vom Weidegebiet abzugrenzen. Die Höchstrichter meinten aber auch, dass aggressive Tiere gesondert zu verwahren seien und dass nach einem Vorfall, bei dem Mutterkühe auf Hunde aggressiv reagierten, zumindest eine Warnung durch Aufstellen eines Schildes geboten sei.
Freie Rinderhaltung auf Almen üblich
In der aktuellen Entscheidung bestätigt der OGH seine Linie und traf ein paar grundsätzliche Aussagen: Die freie Haltung von Rindern auf der Alm sei üblich. Die im allgemeinen Interesse liegende Landwirtschaft dürfe nicht durch Überspannung der Anforderungen unbillig belastet werden. Auf dem Warnschild sei ausreichend auf die von den Mutterkühen ausgehende Gefahr hingewiesen worden.
Man könne zwar nicht als allgemein bekannt voraussetzen, dass angeleinte Hunde auf Almwanderungen Rinder zu aggressivem Verhalten reizten. Im Anlassfall wurde aber durch das angebrachte Warnschild gerade auf diese Gefahr hingewiesen, sodass sich die Klägerin auf ihre diesbezügliche allfällige Unkenntnis nicht berufen könnte. Überdies sei auch von Hundehaltern zu verlangen, dass sie über die mit dem Halten von Hunden ausgehenden Gefahren Bescheid wissen.
Tipp für Tierhalter: Warntafeln anbringen!
Auch müsse das Warnschild nicht noch zusätzlich – wie in der Klage behauptet – auf die „Lebensgefahr“ hinweisen. Dass ein Angriff einer ausgewachsenen Kuh oder gar mehrerer solcher Kühe unter Umständen lebensgefährlich sein kann, verstehe sich aufgrund deren „gewaltigen Erscheinung“ mit einem Gewicht von circa 750 Kilo je Kuh von selbst.
Zusammenfassend ist Tierhaltern anzuraten, vorsorglich an markanten Stellen gut sichtbare Warntafeln anzubringen, auch wenn es bisher noch keine Vorfälle gab.