Nach Bayern und Südtirol fand der Alpengipfel heuer erstmals in Nordtirol statt. Es war das dritte Mal, dass sich hochkarätige Vertreter aus Agrarpolitik und landwirtschaftlicher Interessensvertretung sich im Rahmen dieser Veranstaltung zusammenfanden, um über die Zukunft der Almwirtschaft zu sprechen.
Almen ohne Auftrieb nicht denkbar
Zahlen, Daten und Fakten zur Almwirtschaft in Österreich präsentierte Josef Obweger, Obmann der Almwirtschaft Österreich. 306.623 Rinder, davon 50.414 Milchkühe, 100.854 Schafe, 12.529 Ziegen und 9.988 Pferde werden gealpt. 8.072 Almen und 7.474 Hirten gibt es hierzulande. Und ganze 11 Prozent der Landesfläche Österreichs entfallen auf bewirtschaftete Almen. Insgesamt zeigt sich ein leichter Abwärtstrend bei den Auftriebszahlen: In GVE werden seit 2010 11 Prozent weniger Tiere aufgetrieben.
Besonders bei den Schafen spüre man einen Verlust: Innerhalb eines Jahres wurden von 2022 auf 2023 6.315 Stück weniger gealpt. Das habe mit dem bürokratischen Aufwand der Meldung, aber natürlich auch mit Wolf und Bär zu tun.
Dabei sei es extrem wichtig, dass die Almen auch weiterhin bestoßen würden. Sie leisten nicht nur einen großen Dienst für die Biodiversität, den Naturgefahrenschutz, die Jagd und die Bevölkerung, sondern sorgen auch für Tierwohl. „Die Alpung ist die höchste Stufe an Tierwohl“, bestätigte Obweger.
Keine Almen ohne Kombinationshaltung
Um das Tierwohl ging es auch bei der Diskussion um die Absicherung der Kombinationshaltung in der Rinderhaltung. „Nicht die Haltung entscheidet über das Tierwohl, sondern die Tier-Mensch-Beziehung“, stellte Landwirtschaftsminister NR Josef Hechenberger klar und sprach sich dafür aus, Haltungsformen nicht gegeneinander auszuspielen. Die dauerhafte Absicherung der Kombinationshaltung sei eine Rahmenbedingung für die Tiroler Landwirtschaft. Ansonsten müsste man nicht nur mit einem Bauernsterben, sondern auch mit der Industrialisierung der Landwirtschaft rechnen – und damit die Almwirtschaft massiv gefährden.
Tourismus-Abgeltung der Almwirtschaft
Referentin Theresa Mitterer-Leitner stellte drei Thesen auf, weshalb die Alm Konflikten anheimfällt: Fehlendes Wissen und Missverständnisse zwischen Landwirtschaft und Tourismus, die vermeintliche Selbstverständlichkeit der Almen in den Augen des Tourismus und der Freizeitwirtschaft sowie die gegenläufige Entwicklung von Almwirtschaft und Tourismus und Freizeitwirtschaft.
Sie präsentierte auch drei Lösungsansätze: Wertschätzung, Respekt und Verständnis. „Die meisten Konflikte wären dadurch auszuräumen“, erklärt sie. Zu überlegen sei auch eine konkrete Haltung zur Abgeltungskultur, denn bisher würden die Almen zwar von Tourismus und Freizeitwirtschaft genutzt, ihre Erhaltung aber nicht finanziell abgegolten. „Den Stellenwert der Alm anzuerkennen ist auch für die Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Tourismus in Zukunft erforderlich“, schloss sie ihren Vortrag.
Neubewertung bei Großraubtieren nötig
Eine Koexistenz zwischen Mensch und Großraubtieren habe es noch nie gegeben, sonst wäre der Wolf nicht ausgerottet worden, erklärte Referent Gregor Grill von der LK Salzburg. „Kein Wolfsschutz rechtfertigt, dass sich die Menschen so stark einschränken müssen. Das heißt, proportional zum ‚Problem‘ muss sich auch die Regelung dessen entwickeln – oder die Regelung wird nicht mehr ernst genommen“, führte Grill aus.
Südtirols Bauernbundobmann Daniel Gasser sagte: „Der aktuelle Umgang mit Großraubtieren gefährdet die Almwirtschaft. Ich sage es klar: Der Wolf ist nicht vom Aussterben bedroht, die FFH-Richtlinie muss neu bewertet werden.“
Allianzen für starken Auftritt in EU
„Die Almwirtschaft ist Teil der österreichischen Identität. Auch die Bevölkerung schätzt die Alm sehr, nur muss vermittelt werden, dass sie nicht selbstverständlich ist. Daher müssen wir Maßnahmen setzen, um den Anreiz zum Almauftrieb zu stärken“, meinte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Aus diesem Grund sei es auch wichtig, intensiven Austausch mit Nachbarländern zu forcieren. „Die EU reagiert auf starke Allianzen, daher schließen wir uns im Alpenraum zusammen, um gehört zu werden.“ Besonders beim Thema Großraubtiere setze man auf einen starken Schulterschluss, um eine Senkung der FFH-Richtlinie zu erwirken.
Im Rahmen des Alpengipfels wurde den Ministern Totschnig und Eric Beiswenger eine Resolution der landwirtschaftlichen Interessensvertretungen zur „Unterstützung der Alm- und Alpwirtschaft, insbesondere Stärkung des Auftriebes von Rindern, Kühen, Schafen, Ziegen und Pferden zur Aufrechterhaltung der Almen“ übergeben.
Mitspracherecht in der EU-Politik
„Aus der GAP darf keine GUP werden“, sprach auch der Europaminister Eric Beiswenger aus Bayern die EU-Politik an. Die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik auf EU-Ebene müssten weiterhin für die Anliegen der Landwirtschaft eingesetzt werden und nicht für jene der Umweltschützer. Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, stimmte mit ein: „Wir sollten nicht immer danach handeln müssen, was die Gesellschaft will, sondern danach, was wir als Praktiker in der Landwirtschaft wollen.“
Dass es für die Zukunft der Landwirtschaft essenziell ist, welche Vertretung in Brüssel eingesetzt wird, betonte Tirols Bauernbundobmann LH-Stv. Josef Geisler. „Wir stehen kurz vor der EU-Wahl. Es gibt nur wenige Abgeordnete, die unsere Interessen vertreten werden. Daher ist es umso wichtiger, unsere regionalen Kandidaten durch die Wählerstimme zu unterstützen und in den bestimmenden Gremien unterzubringen.“
- Bildquellen -
- Alpengipfel 2024: Bauernzeitung