BauernZeitung: Die Agrana hat ihre zweite Zuckerfabrik in Leopoldsdorf endgültig geschlossen. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe hat viele Bauern verwundert. Warum gerade jetzt?
BÜTTNER: Die Schließung erfolgte zeitnah nach Abschluss der Verarbeitungskampagne 2024/25 aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Wir mussten jetzt evaluieren und letztlich entscheiden, ob wir bis zum Start der nächsten Kampagne im Herbst in die Instandhaltung von zwei Werken investieren können, was aufgrund der derzeit katastrophalen Ergebnislage nicht gegeben ist und völlig unökonomisch wäre. Bei der aktuellen Fläche von 27.000 Hektar, die heuer kontrahiert wurden, ist das mit einem Werk effizienter. All das auch angesichts der Ungewissheit, welche Flächenverluste der Rüsselkäfer zukünftig verursacht.
Was bedeutet nur noch eine Zuckerfabrik in Österreich für den Rübenanbau heuer? Der Anbau startet ja in den kommenden Tagen.
Kurzfristig erwarten wir mit nur einer Fabrik eine längere Kampagne von zumindest 150 oder auch 160 Tagen je nach Erntemenge. Das erfordert jedenfalls eine sorgfältige logistische Planung. Langfristig wird es mit dem Bestehen von nur noch einer Zuckerfabrik in Österreich zu Anpassungen an den Bedarf des heimischen Zuckermarktes kommen.
Bauernvertreter wie Niederösterreichs Kammerpräsident Schmuckenschlager fordern den Ausbau der Verarbeitungskapazität im Werk Tulln und den Erhalt der vereinbarten Lieferrechte. Was planen Sie?
Mit der Fokussierung auf Tulln bleibt eine vollständige Auslastung gewährleistet. Wir werden die Produktion dort künftig jedenfalls darauf ausrichten, die Anforderungen des österreichischen Marktes bestmöglich zu erfüllen und nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen.
„Für uns zählt, was passiert, wenn die Rübe nur 40 Euro kostet.“
Wird Agrana hierzulande mittel- bis langfristig je wieder mehr als 30.000 Hektar Kontraktflächen anbieten können?
Nein. Deshalb arbeiten wir bereits an einem neuen Modell für die Zusammenarbeit von Rübenbauern und Agrana. Und das hängt wieder sehr stark an den agrarpolitischen Rahmenbedingungen für die Landwirte, die wir aber nicht beeinflussen können. Gemeint sind legitime Forderungen der Bauern, was etwa die Überregulierung bei dem ganzen Thema Pflanzenschutz betrifft. Oder wenn die EU ihren Binnenmarkt öffnet für Zucker aus der Ukraine oder aus Übersee, sprich dem Mercosur-Raum. Ein weiteres probates politisches Mittel wären gekoppelte Zahlungen als Unterstützung, wie für Bauern in anderen EU-Ländern.
Wie groß ist denn der Anteil der EU-Zuckerimporte speziell aus der Ukraine an der nun getroffenen Entscheidung?
Zuckerimporte, insbesondere aus der Ukraine, beeinflussten unseren Absatz erheblich, wodurch wir vor allem in Rumänien, Ungarn und Bulgarien Marktanteile verloren haben. Das betrifft genau die Mengen, die wir in Österreich mehr erzeugen, als wir im Land selber absetzen können. So simpel ist das. In einer Hochpreisphase, in der wir waren, kann man in einem Commodity-Business selbst mit sehr kleinen Mengen den Markt extrem aus dem Gleichgewicht bringen. Und 700.000 Tonnen importierter Zucker, das entspricht fünf Prozent der EU-Produktion, von heute auf morgen ist keine kleine Menge.
Lassen wir uns bitte nicht in die Irre führen: 70 Euro für die Rübe pro Tonne, das hat es jetzt einmal gegeben. Für uns zählt aber, was passiert, wenn die Rübe nur 40 Euro kostet. Denn wir kämpfen mit Mitbewerbern in Frankreich, Polen und Deutschland. Die kommen möglicherweise mit einem geringeren Rübenpreis klar. Letztlich gilt: Investitionen müssen mit stabilen politischen Rahmenbedingungen vereinbar sein, um Planungssicherheit zu gewährleisten. Wir müssen daher dort investieren, wo wir nachhaltig erfolgreich sein können. Wir sind ja kein Staatsunternehmen. Unsere Eigentümer wollen für ihr Geld, das sie investieren, auch eine Verzinsung haben.
Wie geht es weiter mit der Rübe? In den bisherigen Gunstlagen bereitet die Trockenheit als Folge des Klimawandels massive Probleme in der Kulturführung. Dazu kommt vermehrter Schädlingsdruck. Indes gehen den Bauern die Wirkstoffe verloren. Wie sieht man bei Agrana generell die Zukunft des Rübenanbaus in Österreich?
Klimawandel und Schädlingsdruck sind große Herausforderungen. Wir müssen im Zusammenspiel mit den Rübenbauern wettbewerbsfähig bleiben und an Lösungen arbeiten.
„EU-Zuckerimporte, insbesondere aus der Ukraine, beeinflussen unsere Absatzmärkte erheblich.“
Rechnen Sie mit einer Verlagerung der Rübenkontraktfläche in Richtung Oberösterreich? Sperren Sie langfristig sogar wieder die Zuckerfabrik in Enns auf?
Strukturverschiebungen in andere Regionen mit günstigeren Anbaubedingungen hängen vom Rübenpreis und den Konditionen ab. Und nein, wir planen keine Wiedereröffnung einer Fabrik. Wir müssen uns einfach den aktuellen Marktherausforderungen stellen.
Der Bauernbund fordert, dass den Landwirten durch die Schließung keine höheren Kosten beim Rübentransport entstehen dürfen. Können Sie das zusichern?
Garantieren können wir nichts, da wir im Wettbewerb stehen. Aber zusagen, dass wir im Sinne der Bauern und von Agrana Übergangsregelungen erarbeiten werden, um logistische Optimierungen zu erzielen.
Agrana erzeugt mehr Zucker, als im Land verkauft werden konnte. Eine Herkunftskennzeichnung von heimischem Zucker in der Lebensmittelverarbeitung ist wohl eher illusorisch. Ist Österreichs Eigenversorgung mit Zucker in Gefahr?
Die Eigenversorgung ist nicht gefährdet. Wir bleiben für die Selbstversorgung bei Lebensmitteln engagiert und stellen sicher, dass wir wirtschaftlich handeln. Unser Ziel ist, den Zuckerstandort Österreich langfristig abzusichern.
Ihre Fabrik in Leopoldsdorf war bisher ein bedeutender Arbeitgeber im Marchfeld. Was passiert jetzt mit den dortigen Mitarbeitern?
Wir kümmern uns um die betroffenen Mitarbeiter durch Schulungen und Stellenvermittlung. Das steht jetzt einmal ganz klar im Vordergrund. Dass wir das Werk aus wirtschaftlichen Gründen schließen müssen, ist schlimm genug. Sie haben einen super Job gemacht, Leopoldsdorf ist eines unserer besten Werke. Das tut mir auch persönlich weh. Zusammen mit der Politik entwickeln wir ein Nachfolgekonzept für den Standort, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Droht Agrana als europäischem Konzern auch Ungemach durch die erratischen Zolldrohungen von US-Präsident Trump? Müssen Sie um gute Geschäfte mit und in Amerika im Fruchtgeschäft fürchten?
Mögliche US-Zölle sind für uns momentan kein großes Risiko, da unsere Wertschöpfung mit eigenen Standorten auch im Land selbst erfolgt. Unsere Exporte in die USA sind moderat, und wir haben Vereinbarungen, die uns helfen, Änderungen weiterzugeben. Wer weiß, wie lange solche Zölle bestehen bleiben, so sie überhaupt verhängt werden. Aber natürlich erfordern solche internationalen Rahmenbedingungen unsere ständige Aufmerksamkeit.
Zur Person: Mag. Stephan Büttner leitet seit 2024 als Vorstandsvorsitzender den Frucht-, Zucker- und Stärkekonzern Agrana.
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- Stephan Büttner: Agrana/Stefan Burghart