Die möglichen Verluste beziehungsweise Mehrkosten differieren je nach Kultur deutlich.

Eine jüngst in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Communications Earth & Environment“ publizierte Metastudie zu den ökonomischen Auswirkungen eines Verbots des Wirkstoffs Glyphosat für die Landwirtschaft sorgt rund drei Monate vor dem erneuten Auslaufen der Zulassung des Totalherbizids in der Branche für Aufsehen. Konkret haben Robert Finger von der ETH Zürich (Schweiz), Niklas Möhring von der Universität Wageningen (Niederlande) sowie Per Kudsk von der Universität Aarhus (Dänemark) 19 Studien aus mehreren europäischen Ländern ausgewertet und versucht, die Mehrkosten und Ertragsverluste durch einen Verzicht auf Glyphosat zu beziffern. Die Analyse der in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien sowie Dänemark und Schweden erhobenen Daten ergab ein differenziertes Bild sowie schwer in Relation zu setzende Ergebnisse.

100 Euro Verlust pro Hektar

Denn während etwa Frankreichs Winzer den Wissenschaftlern zufolge mit Gewinnminderungen von bis zu 553 Euro je Hektar rechnen müssen (immerhin ein Fünftel ihrer Gewinnspanne), sind Tierhalter in Deutschland bei Silomais etwa nur mit ein bis zwei Euro Verlust je Hektar betroffen. Über alle Ackerkulturen hinweg errechneten die Experten Einbußen von 100 Euro je Hektar und Jahr. Auch für Österreichs Agrarbetriebe wurde ein verringerter Bruttogewinn von 22 bis 163 Euro je Hektar attestiert. Besonders teuer würde es übrigens, wenn Betriebe aufgrund des Wirkstoffverbots der konservierenden Bodenbearbeitung den Rücken kehren. „Der Pflug bringt zwei- bis dreifache Mehrkosten“, heißt es in einer der gesichteten Studien. Mehr Bodenbearbeitung würde auch zusätzliche Maschinenanschaffungen und höheren Personalbedarf für die betroffenen Betriebe erfordern. In absoluten Zahlen würden vor allem den mehrjährigen Kulturen immense Mehrkosten entstehen.

Mangel an Alternativen

Dies habe zwei Gründe, so die Wissenschafter: Während in Ackerkulturen Glyphosat – wenn überhaupt – jedes Jahr nur einmal zum Einsatz kommt, wird das Totalherbizid in mehrjährigen Kulturen mehrmals im Jahr zur Unkrautkontrolle eingesetzt. Alternative Präparate seien dabei rar und mit mehreren Überfahrten und damit steigenden Produktionskosten verbunden. So sollen etwa Tafeläpfel-Erzeuger in Deutschland mit saftigen 1.200 Euro Mehrkosten je Hektar betroffen sein. Auch spanischen Zitronenbauern entstünden mit eingepreisten Qualitätsverlusten 626 Euro an Mehrkosten je Hektar Plantagenfläche. Dem paneuropäischen Forscherteam zufolge würden dem Sektor insgesamt im Falle eines Verbots Einkommensverluste von bis zu 37 Prozent drohen.Quelle: Commun Earth Environ 4, 286 (2023)

Finger, Möhring und Kudsk kommen in ihrer Metastudie zu dem Schluss, dass es rund um das derzeit wieder auf EU-Ebene zur Diskussion stehende Glyphosat-Verbot noch zahlreiche Fragen zu deren Auswirkungen zu klären gilt. So gäbe es noch keine Untersuchungen, inwieweit sich die Bodenbearbeitungssysteme generell durch den Wegfall des Totalherbizids verändern würden. Auch über langfristige Auswirkungen auf Märkte und Erzeuger- sowie Konsumentenpreise gebe es bisher keine validen Prognosen. Eine in den USA von der Firma Bayer in Auftrag gegebene Studie bezifferte unterdessen die Mehrkosten für die US-Landwirtschaft mit 1,9 Mrd. US-Dollar – umgerechnet 1,79 Mrd. Euro – mit Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise. Hier gilt es allerdings zu beachten, dass Glyphosat in den USA durch den Anbau von GVOKulturen das mit Abstand bedeutendste Herbizid darstellt.

Weitere Informationen: Studie im Detail

 

- Bildquellen -

  • Tabelle: Commun Earth Environ 4, 286 (2023)
  • Glyphosat-Anwendung: S. Leitenberger - stock.adobe.com
- Werbung -
AUTORClemens Wieltsch
Vorheriger ArtikelRekord-Sojaernte erwartet
Nächster ArtikelLabsal vom Kanzler