Schon vor 1900 gab es in einigen Tiroler Gemeinden Bauernvereinigungen mit wirtschaftlicher Zweckbestimmung. Seit 1897 schrieb der junge unter dem Namen „Reimmichl“ bekannte Priester und junge Volksschriftsteller Sebastian Rieger immer wieder und recht überzeugend davon, dass sich die Tiroler Bauern und verschiedenen Bauernvereine in einer großen und ganz Tirol umfassenden Bauernorganisation zusammenschließen sollten, um sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch besser behaupten zu können.
Bauerntag in Sterzing
1902 gab der Kreis der sogenannten „Brixner Chronik“ erstmals die „Tiroler Bauernzeitung“ heraus. Sie setzte sich zum Ziel, die Bauern und die lokalen Bauernvereine für eine eigenständige Politik zu interessieren und sie damit dem Sog der Liberalen zu entziehen. Reimmichls Anregungen zum Zusammenschluss aller Bauern Tirols wurden nun in der Tiroler Bauernzeitung entsprechend intensiv weiterentwickelt und vom Sillianer Bürgermeister Josef Schraffl nach und nach realisiert.
Am 20. Februar 1904 wurde ein vorbereitendes Komitee zur Abhaltung eines allgemeinen Bauerntages konstituiert. Es begann ein Versammlungssturm in ganz Tirol. Am 4. und 5. Juni kam es sodann zum gut vorbereiteten Bauerntag in Sterzing mit rund 7.000 Bauern und Bauernvertretern. Die Gründung eines „Tiroler Bauernbundes“ wurde als zeitnotwendig erkannt und einmütig beschlossen. Schraffl wurde mit den Vorarbeiten für die rechtliche Konstituierung betraut. Die ganze Bauernbund-Idee hatte aber bedauerlicherweise einen Zwiespalt in den Tiroler Klerus gebracht. Mit einem Hirtenbrief vom 30. November 1904 untersagten die Tiroler Bischöfe den Geistlichen jede Aktion für oder gegen den Tiroler Bauernbund.
Bewegte Jahre
Die für den 13. November 1904 in Innsbruck vorgesehene konstituierende Gründungsversammlung musste wegen Studentenunruhen auf den 11. Dezember 1904 verlegt werden. Dort waren dann rund 2.500 Bauern und Bauernvertreter anwesend, unter ihnen auch Reimmichl, der Initiator der großen Idee. Die Beschlüsse wurden nach gründlicher Diskussion einmütig gefasst. Man wählte Josef Schraffl zum ersten Obmann des Tiroler Bauernbundes.
Der Tiroler Bauernbund hatte zu diesem Zeitpunkt schon fast 8.000 eingeschriebene Mitglieder. Am 16. September 1905 fand die zweite Generalversammlung in Bozen statt. Die Mitgliederzahl war bereits auf 12.900 angestiegen.
1906 erschien erstmals der „Tiroler Bauernkalender“, zwar nicht direkt vom Tiroler Bauernbund, sondern von der Verlagsanstalt Tyrolia Bozen herausgegeben. 1907 gab der Tiroler Bauernbund erstmals im Selbstverlag den Tiroler Bauernkalender heraus.
Im Jahre 1907 kam es auch zur Einführung des allgemeinen Wahlrechtes, für den Tiroler Bauernbund natürlich ein großartiges Ereignis, denn das für die Bauern sehr nachteilige Kurienwahlrecht musste damit dem persönlichen Wahlrecht weichen. Am 14. Mai 1907 war Wahltag. Die Christlichsoziale Partei und in ihr speziell der Bauernbund erzielten einen überwältigenden Wahlsieg: Mit dem Anstieg von 26 auf 83 Mandaten war die Christlichsoziale Partei mit einem Schlag die stärkste Partei im Parlament, der Bauernbund errang in allen Landgemeindebezirken die Mehrheit.
Am 1. Juli 1907 wurde die von Schraffl gegründete „Tiroler Bauernsparkasse“ am Margarethenplatz (heute Boznerplatz) in Innsbruck eröffnet.
Am 19. Februar 1908 brachten die Tiroler Landtagswahlen dem Bauernbund einen durchschlagenden Erfolg: 22 Mandate. Damit erhob der Bauernbund natürlich Anspruch auf die Landeshauptmannstelle, erklärte sich dann aber mit der Wiederernennung von Dr. Theodor von Kathrein als Landeshauptmann einverstanden, nachdem er in der Landesregierung wunschgemäß berücksichtig worden war. 1908 zählte der Tiroler Bauernbund bereits 20.000 Mitglieder. Im Dezember 1909 wurde von den Tiroler Bischöfen das Verbot der Beteiligung des Tiroler Klerus am Tiroler Bauernbund wieder aufgehoben.
Zuerst war die Tyrolia Eigentümer und Herausgeber der „Tiroler Bauernzeitung“. Mit 17. Jänner 1913 gab der Tiroler Bauernbund erstmals die „Tiroler Bauernzeitung“ als Eigentümer heraus, und zwar mit dem neuen Zeitungskopf, die bekannte Bauerngruppe um Schraffl und das Bild von Sterzing.
Aktuell wie nie
In den vielen Jahrzehnten seines Bestandes hat der Tiroler Bauernbund stets da-rauf hingewiesen, dass es nicht im Sinne einer verantwortungsbewussten Staatsführung sein kann, die Landwirtschaft und den ländlichen Raum zu vernachlässigen. Im Land Tirol, in dem der Bauernbund selbst die Politik gestalten konnte, wurde mit Überzeugung ein anderer Weg gewählt. Der Tiroler Bauernbund hat das Ganze vor die einzelnen Teile gestellt und eine Politik für das gesamte Land gemacht. Das ist auch der Grund dafür, dass Tirol heute vielfach besser dasteht als andere Bundesländer. Beispiele dieser Politik sind der Anschluss an das internationale Verkehrsnetz, die Unterteilung des Landes in Kleinregionen, die modernen Raumordnungsgesetze oder auch die Verkehrserschließungs-Sonderprogramme.
Der künftige Erfolg der Arbeit des Bauernbundes wird von einer ausreichenden Landwirtschaftsförderung durch Staat und Land sowie der Sicherung von Märkten, auch unter dem EU-Aspekt, für die oft unter extremen Bedingungen erzeugten Produkte unserer Bauern, abhängen.
- Bildquellen -
- Schraffl Josef LH Bauernbund: Heinz Wieser