
BauernZeitung: Weitere vier Jahre an der Spitze der Österreichischen Bäuerinnen liegen vor Ihnen. Was sind die größten Herausforderungen, die es zu meistern gilt?
NEUMANN-HARTBERGER: Einzelne Herausforderungen zu benennen ist schwierig. Wir arbeiten daran, unsere Themen, die wir seit vielen Jahren behandeln, weiterzuentwickeln und die Bäuerinnenorganisation fit für die Zukunft zu machen. Dabei
gilt es aus meiner Sicht auch, neue Themen wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz mitzudenken. Unsere langjährigen Anstrengungen wie im nötigen Dialog mit
der Gesellschaft, um die Bewusstseinsbildung für heimische Produktion zu verbessern, gehören weiter ausgebaut und erfordern auch neue Formate.
Rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich wird mittlerweile von Frauen geführt. Wie wollen Sie die Rolle der Bäuerin in Zukunft noch weiter stärken?
Das liegt für mich ganz klar auf der Hand: durch die politische Teilhabe von Frauen in allen agrarischen Gremien. Wir haben seit 2017 unsere Charta für eine partnerschaftliche Interessenvertretung, wo wir für einen Frauenanteil von 30 Prozent stehen.
In den Kammern sind wir gut aufgestellt. Wir haben aber noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns. – Irene Neumann-Hartberger
Partnerschaftlich mit Verbänden, Organisationen und Genossenschaften verfolgen wir diesen Weg, um dieses Ziel zu erreichen. In der Landwirtschaftskammer sind wir bereits gut aufgestellt. Aber ich muss zugeben: Wir haben noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns. Es ist ganz einfach wichtig, dass Frauen in den verschiedenen Gremien präsent sind und dort auch eine Stimme haben. Auf den Höfen tragen die Frauen ja auch ihren Teil bei. Das sollte auch in den Gremien so sein.
Wie innovativ sind denn die Bäuerinnen generell?
Sie sind sehr innovativ. Ein Drittel der Frauen, die auf einem Bauernhof leben und
arbeiten, sind heute Quereinsteigerinnen. Diese Frauen mit einer außerlandwirtschaftlichen Ausbildung bringen oft einen sehr breiten Horizont mit auf den Hof und haben gleichzeitig viel Mut, um neue Wege zu gehen. Sie kennen den Blick über den Tellerrand und scheuen auch nicht davor zurück, sich über Konventionen hinwegzusetzen. Sie sind es oft, die einfallsreiche Wege einschlagen und beschreiten und so letztendlich die Existenz des Betriebes sichern.
Wie wichtig ist eine stabile Landwirtschaft in wirtschaftlich unsicheren Krisenzeiten?
Landwirtschaft ist unsere Lebensgrundlage. Eigenversorgung und Lebensmittelsicherheit sind gerade in Krisenzeiten ein großes Thema. Da steigt auch in der Bevölkerung wieder das Bewusstsein. Das haben wir zu Corona-Zeiten deutlich gesehen. Es hat sich aber auch gezeigt, dass dieses Bewusstsein nach ausgestandener
Krise rasch wieder abnimmt. Aber gerade in schwierigen Zeiten ist Ernährungssicherheit für ein Land essenziell.
Welche Projekte liegen Ihnen besonders am Herzen?
Die Absicherung der Frauen sowohl aus rechtlicher Sicht als auch im Hinblick auf ihre Pension. Altersvorsorge generell ist ein wichtiges Thema, so wie die Entlastung auf den Höfen. Wenn Frauen oder Familien eine Auszeit brauchen oder in Urlaub fahren möchten, soll es möglich oder leichter werden, eine Betriebshilfe zu bekommen. Es gibt da viele Projekte, an denen wir weiterhin arbeiten werden, etwa in Kooperation mit dem Maschinenring.

Wie ist die Stimmung derzeit bei den Bäuerinnen und wie kann es gelingen, in diesen eher unsicheren Zeiten positiv nach vorne zu blicken?
Nach zwei intensiven Tagen österreichweiter Vernetzung mit 105 Gebiets- und Bezirksbäuerinnen kann ich berichten: Die Stimmung ist bestens. Wir haben viele motivierte und engagierte Frauen, denen es ein großes Anliegen ist, ihre Freizeit in unsere Interessengemeinschaft zu investieren und Teil der Gemeinschaft zu sein. Der Austausch über alle Branchen hinweg ist allerdings sehr wichtig. Das lässt ein Gemeinschaftsgefühl entstehen. Daraus kann man viel Energie und Motivation für die eigene Arbeits- und Lebenswelt mitnehmen.
Bildung hat auch einen Stellenwert für Bäuerinnen. Welche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
Ein Grundpfeiler, auf dem die Bäuerinnenorganisation beruht, ist die Weiterbildung von Frauen für Frauen. Weiterbildung ist damals wie heute ein Muss. Über die Landwirtschaftskammern und das LFI gibt es zahlreiche Angebote, die regelmäßig adaptiert werden. Eine Umfrage, an der rund 1.600 Bäuerinnen teilgenommen haben, zeigt deutlich, dass bei diesen nach dem Wunsch nach finanzieller Sicherheit der Bereich Bildung und Weiterbildung an zweiter Stelle steht.
Weiterbildung ist ein Grundpfeiler, auf dem die Bäuerinnenorganisation seit jeher beruht. –
Irene Neumann-Hartberger
Dabei geht es nicht nur um Persönlichkeitsentwicklung, sondern um das breite Spektrum von der Unternehmensführung über Innovation bis hin zur Digitalisierung und Diversifizierung. An dritter Stelle steht der Wunsch nach Vernetzung und Austausch. Auch das ist neben der Aus- und Weiterbildung ein zentraler Faktor für eine gelungene Gemeinschaft.
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- Bundestagung: Victoria Hörtnagl Für ARGE Bäuerinnen
- Wiederwahl Bundesbäuerin: Glatzl, LK Österreich