Sinkende Erträge, Qualitätsverluste oder gar Totalausfälle das sind Schlagzeilen, die bei der heurigen Ernte in den Medien zu lesen waren. Inzwischen ist es um diese Themen wieder deutlich stiller geworden. Die Problematik des drohenden Verlustes der Selbstversorgung bleibt aber aktuell. Der Bauernbund wird daher nicht müde, vor dieser Gefahr zu warnen.
Eine Portion Ideologie kann gefährden
Kein Bauer setzt Pflanzenschutzmittel nach Lust und Laune ein. Denn Pflanzenschutzmittel kosten Geld. Ihr Einsatz sichert kombiniert mit einer optimalen Düngung, Bodenbearbeitung und Fruchtfolge, den Ertrag und die Qualität des Erntegutes. „Betrachtet man die europäische Geschichte, so ist eine durchgehend ausreichende Lebensmittelversorgung erst seit dem Zweiten Weltkrieg gegeben. Davor gehörte Hunger, ausgelöst durch Missernten, zum Alltag. Die Globalisierung hat diesem Szenario den Schrecken genommen. Die vergangenen Jahre mit Corona und Krieg in Europa haben jedoch gezeigt, wie schnell sich das Blatt wenden kann“, so Bauernbund-Direktor Wolfgang Wallner.
Schadhafte Ware nicht verkaufsfähig
Aufgrund immer mehr verbotener Pflanzenschutzmittel in der EU und besonders in Österreich stehen den Bauern immer weniger Mittel zu Verfügung, um ihre Kulturen zu schützen. Ewald Mayr, Landwirtschaftskammerrat und Obmann des Verbandes der Gemüse-, Erdäpfel- und Obstbauern, ist selbst als Gemüsebauer im Eferdinger Becken betroffen. „Seit mehreren Wochen kann ich meine Radieschen nicht mehr verkaufen. Der Grund dafür ist das Verbot wirksamer Pflanzenschutzmittel in Österreich. Wir müssen mit einer Wirkstoffmischung arbeiten und mehrere Spritzungen durchführen. Unsere Kollegen beispielsweise in Deutschland haben dieses Problem nicht. Sie führen eine Behandlung des Bestandes im Keimblattstadium und nochmals eine Woche später durch. Eine weitere Behandlung ist dann nicht mehr nötig“, erklärt Mayr.
Kein Fleckchen, keine Fraßspuren kurzum: Die Ware muss stets frei von jeglichem Makel sein. Ansonsten wird sie weder vom Handel, noch vom Konsumenten gekauft. „Es gibt keine Versicherung, die mir den Schaden bei den Radieschen abdeckt. Ich bleibe auf meinen Kosten vollständig sitzen und muss schauen, wie ich meinen Einkommensentgang anderweitig ausgleichen kann. Es ist nicht sinnvoll, Verbote zu machen und keine Alternativen anzubieten“, so Mayr.
Kammerrat Michael Treiblmeier, Vorsitzender des Ausschusses für Pflanzenbau, ist ebenfalls besorgt von dieser Entwicklung und ergänzt: „Wir erzeugen durch Verbote immer mehr nicht verkaufsfähige Lebensmittel und füttern salopp gesagt nur mehr die Schädlinge. In den vergangenen zehn Jahren wurden 500 von 900 Wirkstoffen verboten. Betroffen sind derzeit besonders Kulturen wie Zuckerrübe, Raps, Erdäpfel und Kürbis.“
Produktionsrisiko steigt, Anbauflächen sinken
Aufgrund fehlender Wirkstoffe reduzieren die Bauern, beispielsweise bei Kulturen wie Erdäpfeln, ihre Anbauflächen. „Das Risiko für Ertragsausfälle ist einfach mittlerweile für viele Bauern zu hoch“, so Treiblmeier, und fügt hinzu: „Die Einschränkung der Palette an Pflanzenschutzmitteln bedeutet auch eine Zunahme der Lebensmittelverluste. So wurden im Jahr 2018 circa 112.500 Tonnen Erdäpfel durch den Drahtwurm vernichtet. Diese Menge hätte die gesamte Wiener Bevölkerung ein Jahr lang mit Erdäpfeln versorgen können. Entsprechende Adaptierungen des Green Deals sind daher nötig.“
Widerspruch auf EU-Ebene
Die Landwirtschaft gerät immer mehr in die Fänge eines durch Ideologie heiß umkämpften Wirtschaftssektors. Auf EU-Ebene wird versucht, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durch den Green Deal bis 2050 um 50 Prozent zu reduzieren. Ob damit die Versorgungssicherheit gefährdet wird, scheint die dafür zuständigen politischen Entscheidungsträger nicht zu kümmern. „Es darf keine rein ideologiebasierte Politik und das zu Lasten der Bevölkerung, der Ernährungssicherheit und der Bauern stattfinden. Dieser muss eine klare Absage erteilt werden. Die zunehmende Einschränkung der Pflanzenschutzmittel steht auch im Widerspruch mit den europäischen Zielen, wie dem Umwelt- und Klimaschutz. Die unzähligen Studien zu den Auswirkungen der Umsetzung der Pflanzenschutzmittelreduktionsverordnung müssen endlich beachtet werden. Wir können keine Produktionsrückgänge von über 20 Prozent hinnehmen. Ansonsten müssen die fehlenden Lebensmittel, die zu deutlich geringeren Produktionsstandards in Drittstaaten erzeugt werden, in die EU importiert werden. Der OÖ Bauernbund spricht sich gegen diese Entwicklungen mit einem entschiedenen Nein aus“, betont Wallner.
Ausländische Lebensmittel häufig belastet
In anderen Länder dürfen nach wie vor Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, die in der EU schon lange verboten sind. Auch die Höhe der Wirkstoffmenge spielt wegen mangelnder staatlicher Kontrollen und Vorgaben kaum eine Rolle. „Den Konsumenten muss klar werden, dass heimische Lebensmittel über höchste Standards in den Bereichen Umwelt und Tierwohl verfügen. Diese dürfen nicht durch den Import ausländischer Produkte untergraben werden,“ so Bauernbund-Direktor Wallner.
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- Kartoffel Spritzen J 4 ID43243: Agrarfoto.com