Die Schweinehaltung in Deutschland und wohl auch in Österreich steckt in einer tiefen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise. Das Diktat der Kostenführerschaft in globalen Märkten stellt Tausenden Betriebsführern in diesem Produktionszweig die Existenzfrage. In dieser Situation ist es geboten, die globalen Fakten realistisch einzuschätzen und Alternativen zu überdenken. Mit Rückenwind von den Konsumenten scheint es realistisch, im Premium- und Biobereich neue Programme zu etablieren. Dem Lebensmittelhandel kommt hier eine Schlüsselrolle zu.
Preisbremse Export
Im Schweinemarkt gab es schon immer Zeiten mit relativ niedrigen Erlösen. Doch das derzeit anhaltende Preistief geht über das Auf und Ab des Schweinezyklus weit hinaus. Während in früheren Zeiten meist ein langer Atem zum Durchhalten reichte, ist derzeit die wirtschaftliche Situation vieler Schweinebetriebe so dramatisch, dass sie nicht mehr weiterwurschteln und abwarten können.
Die Globalisierung des Schweinemarktes läuft seit etwa zehn Jahren. Länder wie Dänemark oder die Niederlande haben schon länger einen sehr hohen Exportanteil mit entsprechend niedrigen Schweineerlösen. Deutschland ist ebenfalls in diesen Weltmarkt eingetreten, konnte jedoch bei dem früheren Selbstversorgungsgrad von nur etwa 70 Prozent ein höheres Preisniveau halten. Mit dem nunmehrigen Selbstversorgungsgrad von ca. 115 Prozent hat sich die Lage dramatisch geändert. Deutschland gehört neben Kanada, USA und Brasilien zu den wichtigsten Schweinefleisch-Exportnationen. Im Exportgeschäft konkurrieren deutsche Schweinehalter mit ihren Berufskollegen in Übersee. Die entscheidende Rolle auf diesem Markt spielt der Preis. Um hier betriebswirtschaftlich bestehen zu können, ist im Wesentlichen die Kostenführerschaft gefragt. Dem sind jedoch die meisten deutschen Schweinehalter nicht gewachsen. Das liegt
• an den in Deutschland hohen Tierschutz- und Umweltauflagen,
• an den kleineren betrieblichen Strukturen sowie
• an den viel höheren Bau- und Arbeitserledigungskosten.
Summa summarum können unsere internationalen Konkurrenten das Kilogramm Schweinefleisch um ca. 40 Cent günstiger erzeugen. Bei den auf absehbare Zeit vorhandenen Überschüssen auf dem Schweinemarkt können unter deutschen, insbesondere süddeutschen Gegebenheiten kaum auskömmliche Preise erzielt werden.
Das Russlandembargo hat an der Marktkrise mitgewirkt, es ist aber nicht der Hauptgrund für das Preistief. Auf dem Weltmarkt ist immer mit derartigen Marktbehinderungen zu rechnen. Marktbeteiligte können solche Preissituationen nur bei relativ niedrigen Produktionskosten verkraften, die sind jedoch in Deutschland kaum möglich.
Preisdruck durch TTIP
Nun droht zusätzliches Ungemach! Deutsche Schweinehalter müssen befürchten, dass durch den bevorstehenden Abschluss des Transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) der Preisdruck noch weiter zunehmen könnte. In den USA machen sich Farmer berechtigte Hoffnungen auf die Öffnung des europäischen Marktes für ihre wesentlich kostengünstiger erzeugten Produkte. Tier- und Umweltstandards spielen für sie nur eine untergeordnete Rolle, es gibt keine Mindestlöhne für Arbeitskräfte, und die Höfe haben reichlich Flächenausstattung. Deutschland ist dagegen als langjähriger Exportweltmeister bei Industrieprodukten von den Absatzmärkten in Amerika stark abhängig. Der Auto- und Maschinenbau als Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist die Grundlage für den deutschen Wohlstand. Bei politischen Entscheidungen hat die Schweinehaltung nur eine untergeordnete Bedeutung.
Regionalität als Ausweg
Da die deutsche Schweinehaltung in der Kostenführerschaft nicht punkten kann, bietet sich als Ausweg eine Maximierung der Erlöse durch besonders hochwertige Erzeugnisse an. Die zunehmende Besinnung des Lebensmitteleinzelhandels auf Regionalität mit hohen Tierschutzvorgaben bietet schweinehaltenden Betrieben neue Chancen. Diese können jedoch nicht mit Haltungsverfahren genutzt werden, die sich am Minimum orientieren. Zu lange haben sich Betriebe bei ihren Investitionen auf die Einhaltung der Mindeststandards nach Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verlassen. Solche gesetzlichen Vorgaben haben jedoch immer Ermessensspielräume, die dem Gesinnungswandel und der Auslegung einzelner Personen oder Gerichte unterworfen sind.
Schweinehalter sind also gut beraten, wenn sie ihre investiven Entscheidungen nicht an den Mindestvorgaben ausrichten. Das Risiko für Fehlinvestitionen bzw. teure Nachbesserungen wäre groß. Vielmehr müssen Ställe für einen halbwegs überschaubaren Zeitraum ohne bauliche Veränderungen nutzbar sein.
Mit regionalen Produkten, die auf hohem Tierschutzniveau erzeugt sind, kann der Lebensmitteleinzelhandel auch kleineren und mittleren Beständen die Chance bieten, auskömmliche Erlöse aus der Schweinehaltung zu erzielen. In Verbindung mit längerfristigen Preisgarantien wäre es möglich, die regionale Produktion von den Tiefpreisen, dem Exportzwang und den Unwägbarkeiten der globalen Märkte abzusetzen.
Rudolf Wiedmann
Beispiel EDEKA-“Hofglück”: 2,15 Euro/kg über zehn Jahre
Ein Beispiel, wie ein regionales Programm mit hohem Tierschutzstandard aussehen kann, bietet in Deutschland nun Edeka Südwest. Dieser umsatzstarke Lebensmitteleinzelhändler bietet den Schweinehaltern über die Dauer von zehn Jahren im Premiumbereich (“Hofglück”) einen Schlachtgewichtserlös von 2,15 Euro/kg und im Biobereich von 3,75 Euro/kg. Daraus leiten sich entsprechende Festpreise für 30 kg-Ferkel ab – und zwar 84 Euro bzw. 155 Euro (incl. MwSt.). Damit setzt Edeka Südwest ein deutliches Zeichen für die Platzierung von regionalen Produkten, die nach hohen Tierschutzvorgaben erzeugt sind. Wichtige Voraussetzungen für den Erfolg solcher Programme sind aber nicht nur kostenträchtige Schulungen des Thekenpersonals verbunden mit entsprechenden Werbemaßnahmen, sondern vor allem ein deutlich sichtbarer Unterschied zu konventionell erzeugtem Fleisch.
Zurück zu Einstreu und Auslauf
Aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen ist es wahrscheinlich, dass Aktivitäten wie jene von Edeka Südwest kein Einzelfall bleiben. Schweinehalter, die vor baulichen Entscheidungen stehen, sollten deshalb unter Rücksicht auf mögliche Marktchancen folgende Eckpunkte beachten:
• Beim Platzangebot sollte vom doppelten Mindeststandard ausgegangen werden.
• Ausläufe dürfen als “Schaufenster” der Haltung nicht fehlen und verbessern auch die Funktionssicherheit der Ställe
• Nicht kupierte Tiere benötigen organisches Beschäftigungsmaterial, dies ist bei der Entmistung zu berücksichtigen.
• Perforierte Böden nur noch im Kotbereich.
• Gesonderte Funktionsbereiche für Ruhen, Fressen, Trinken, Aktivität und Koten/Harnen.
• Kastenstände verlieren an Bedeutung; die freie Abferkelung könnte in absehbarer Zeit zum Standard werden.
• Angebot einer Suhle oder Berieselung zur Abkühlung für Mastschweine, leere und tragende Sauen bei hohen Außentemperaturen.
• Freie Lüftung reduziert das Notfallrisiko.
• Neubauten sollten so geplant werden, dass sie die baulichen Voraussetzungen auch für die Premium- oder auch für die Bioproduktion bieten.