Neue Perspektiven gegen das Höfesterben

Die fehlende Hofnachfolge ist immer noch der häufigste Grund für eine Betriebsaufgabe. Eine Lösung kann die außerfamiliäre Hofübergabe sein.

Die jüngere Generation lernt von der älteren. Dass dabei kein Verwandschaftsverhältnis bestehen muss, zeigt sich am Beispiel der außerfamiliären Betriebsübergabe.

Die österreichische Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Neben wirtschaftlichem Druck, Arbeitskräftemangel, hohen Bodenpreisen, Klimawandel, Regulierungen und Bürokratie ist immer noch die fehlende Hofnachfolge der häufigste Grund für eine Betriebsaufgabe.  

„Wenn es keine innerfamiliäre Hofnachfolge gibt, bedeutet das meist die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebs”, so der Agrarsoziologe Michael Groier in „Wachsen oder Weichen”. In einer Studie aus 2019 gaben 47 Prozent der Betriebsleiter über 50 Jahren an, keine gesicherte Nachfolge in Aussicht zu haben. 

„Die Erkenntnis einer Betriebsleiter-Generation, als letzte von mehreren Generationen einen Hof aufgeben zu müssen, ist eine starke persönliche Belastung”, beschreibt Manuela Larcher die psychischen Auswirkungen, dazu kommt oft körperliche Belastung bis ins hohe Alter. Auch in den Betrieb wird eher nicht mehr investiert, wenn die Zukunft ungewiss erscheint. 

Entwicklung des Höfesterbens

Die Zahl der Betriebe ist seit den 1950er Jahren dramatisch gesunken. Zwischen 1951 und 2022 reduzierte sich die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich von über 400.000 auf etwa 127.000. Dies ist nicht nur ein Ergebnis technologischer und wirtschaftlicher Entwicklungen, sondern auch sozialer Veränderungen. Der gesellschaftliche Status von Landwirtinnen und Landwirten hat sich im 20. Jahrhundert deutlich verändert. Während der Beruf früher mit hohem Ansehen verbunden war, haben wirtschaftliche Unsicherheiten und ein wachsender Druck durch die Agrarindustrie das Bild des Bauern vielfach belastet. In vielen Gegenden Österreichs ist der Druck auf den Boden stark. Die Einkommen aus der Landwirtschaft sind bescheiden, während die Verkaufspreise für Boden für touristische Zwecke oder Fachmarktzentren massiv gestiegen sind. 

Das Höfesterben schreitet voran und immer öfter fehlen junge Hofnachfolger im elterlichen Betrieb. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Junge Menschen zieht es vermehrt in die Städte, wo sie bessere Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten finden, Arbeit in anderen Berufssparten ist oftmals attraktiver oder es gibt keine Kinder in der Familie. 

Vergangenheit: Von Familien und Übergaben

Der Generationenwechsel in der Landwirtschaft ist ein Prozess, der sich über die Jahrhunderte stark verändert hat. Historische Einblicke und aktuelle Entwicklungen zeigen, wie tiefgreifend dieser Prozess ist und welche neuen Wege sich heute eröffnen. 

 „Historisch gesehen war die Landwirtschaft in den vergangenen Jahrhunderten stark auf Familienstrukturen aufgebaut. Ein Betrieb wurde traditionell von einem Arbeitspaar, meist einem Ehepaar, gemeinsam bewirtschaftet und die Kinder wurden in den Betrieb inte-
griert, um mitzuarbeiten. Es gab eine enge Verbindung zwischen Familie und Landwirtschaft.“, beschreibt der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Ernst Langthaler. Die Verfügbarkeit von Familienarbeitskräften war somit ein ausschlaggebender Faktor für die Bewirtschaftung eines Hofes. Fehlte dieser, arbeiteten und lebten auch außerfamiliäre Arbeitskräfte am Hof und oftmals wurde die Landwirtschaft infolge fehlender eigener Kinder an ein fremdes Paar übergeben. Das Übergeberpaar wurde mit einer Art Leibrente bis an ihr Lebensende versorgt und konnte somit am Hof verbleiben. 

Die Einführung des privaten Bodeneigentums im Jahr 1848 markierte einen Wendepunkt. Vorher war der Boden im Obereigentum der Grundherrschaft, meist adeliger oder kirchlicher Natur. Bauern konnten den Grund zwar vererben, aber nicht frei verkaufen. Diese Veränderungen schufen die Basis für die moderne Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen.

Gegenwart: Wandel im Agrarbereich 

Die außerfamiliäre Hofübergabe ist jedoch nicht nur historisch gesehen relevant, auch heutzutage gewinnt sie an Bedeutung. 

Der Verein Perspektive Landwirtschaft setzt sich dafür ein, junge Menschen für die Landwirtschaft zu begeistern und neue Wege der Hofübergabe zu fördern. Wenn es keine Nachfolge in der Familie gibt, kann trotzdem der Wunsch bestehen, den Hof an eine nächste Generation weiterzugeben. Viele Landwirte sehen in ihrem Hof mehr als den ökonomischen Wert und möchten auch ihren Lebensabend am Betrieb verbringen und sehen, dass es weitergeht. Der Verein wurde 2013 an der BOKU gegründet, um ein Bindeglied zwischen Landwirten zu sein, die eine Nachfolge suchen und jungen Menschen, die Verantwortung für eine Landwirtschaft übernehmen möchten. Als Werkzeuge dienen ein österreichweites Veranstaltungsangebot sowie die Plattform www.perspektive-landwirtschaft.at, wo beide Seiten einen Steckbrief ausfüllen und sich gegenseitig kennenlernen und austauschen können. Der Verein möchte das Thema stärker in den Fokus der öffentlichen Diskussion rücken. Ziel ist es, Höfe als lebendige Zentren zu erhalten, die den ländlichen Raum aufwerten und wichtige wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Funktionen erfüllen.  

Zukunft: Die Summe aller Möglichkeiten 

Der Generationswechsel in der Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, aber auch vor spannenden Möglichkeiten. Die historische Entwicklung zeigt, dass der Wandel von Traditionen und Strukturen stets Teil der Landwirtschaft war. 

Heute müssen neue Wege gefunden werden, um Höfe langfristig zu sichern und den Beruf der Bäuerinnen und Bauern attraktiv zu gestalten. Trotz aller Schwierigkeiten gibt es Optionen, eine Brücke zwischen Tradition und Moderne aufzubauen und die Landwirtschaft zukunftsfähig zu gestalten. 

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  • 2019 Neubauer Agnes VaterundSohnErde: Agnes Neubauer
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AUTORMargit Fischer und Nathalie Brunhölzl
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