Im Zivilprozess gegen einen Bauern in Tirol ist das Urteil in erster Instanz ergangen. Nachdem eine deutsche Urlauberin von den Kühen des Bauern zu Tode getrampelt worden ist, soll er mit knapp einer halben Million Euro haften. Laut orf.at verpflichtet das Urteil den Landwirt konkret zu einer Zahlung von 132.832,63 Euro und einer monatlichen Rente von 1.215,50 Euro an den Ehemann der Verunglückten sowie von 47.500 Euro und einer monatlichen Rente von 352,50 Euro an den Sohn.
Strasser: Schadenersatzforderungen von 490.000 Euro existenzbedrohend für Bauern
Ein Urteil, das Bauernbund-Präsident Georg Strasser fassungslos macht: “Die Umstände sind tragisch, das Urteil würde aber das Aus für unsere Almen bedeuten. Eine verpflichtende Einzäunung von Almweiden, aber vor allem Schadenersatzforderungen würden die Almbäuerinnen und Almbauern in Zukunft ruinieren”, warnt Strasser. “Die Weidewirtschaft ist aus Tierschutzgründen erforderlich und Teil vieler heimischer Markenprogramme. Für die Rinder ist die Weidehaltung mit einer Steigerung des Tierwohls verbunden und daher für Betriebe in Berggebieten unerlässlich. Weidehaltung, wie wir sie in Österreich kennen und schätzen, wird es dann nicht mehr geben. Die Folgen für Landwirtschaft und Tourismus wären fatal, denn die Bewegungsfreiheit in der Natur wird weiter eingeschränkt – zum Nachteil von Mensch und Tier”, verdeutlicht Strasser.
Im aktuellen Fall handelt es sich um ein Urteil 1. Instanz, der betroffene Bauer wird in Berufung gehen. Ihm droht im Falle einer Verurteilung fast eine halbe Million Euro an Schadenersatz. “Eine derart hohe Forderung ist für einen einzelnen Bauern existenzzerschmetternd. Unter diesen Verhältnissen können heimische Bäuerinnen und Bauern ihre Hoftore für immer zusperren”, so Strasser, der auf die Eigenverantwortung der Wanderer hinweist und an die Rechtsprechung herantritt: “Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse bei der Haftung. Dass Hunde auf Weiden ein Problem sind, wird seit Jahren kommuniziert. Eigenverantwortung und Hausverstand sollten wieder mehr Einzug halten. Wir brauchen klare Spielregeln, die ein Miteinander auf den Almen gewährleisten”, fordert Strasser.
LK und Bergbauern: Enorme Auswirkungen auf Weidewirtschaft und Tourismus drohen
Ebenfalls besorgt über das Urteil sind LK und Bergbauern. “Bei dem Unglück in Tirol, bei dem eine deutsche Urlauberin zu Tode gekommen ist, handelte es sich um einen äußerst bedauerlichen tragischen Einzelfall. Es ist bekannt, dass Hunde auf Weiden und Almen Abwehrreaktionen bei Kühen auslösen können. Die Landwirtschaftskammern warnen daher seit Jahren davor. Wenn das nun ergangene Urteil letztlich bestätigt wird, hat das enorme Auswirkungen auf Tourismus und Weidewirtschaft vor allem im alpinen Raum. So müssten Wanderwege durch Weiden und Almen gesperrt und für Wanderer nicht mehr zugänglich gemacht werden. Eine verpflichtende Einzäunung wäre den Bergbauern finanziell nicht zumutbar und brächte vielerorts das Ende der Weidewirtschaft, die aber nicht nur aus Tierschutzgründen, sondern auch im Sinne von Artenschutz, Biodiversität, Landschaftserhaltung und Klimaschutz dringend erforderlich ist”, erklärten der Präsident der Landwirtschaftskammer (LK) Österreich, Josef Moosbrugger, und der Obmann der Arbeitsgemeinschaft Bergbauernfragen, Rupert Quehenberger, zu möglichen Folgen des jüngst ergangenen Urteils für Tourismuswirtschaft und Landwirtschaft.
“Beim jetzigen Urteil handelt es sich um ein Urteil 1. Instanz, das den Weg durch die Instanzen noch vor sich hat. Doch ist es für uns wichtig, darauf hinzuweisen, welche Folgen so ein Rechtsspruch für die Landwirtschaft, die Umwelt und die Tourismuswirtschaft hätte. Darüber hinaus sind Haftungskosten von fast einer halben Million Euro für einen Bergbauernbetrieb, dessen Jahreseinkommen im Schnitt unter 20.000 Euro liegt, mehr als problematisch”, so die beiden Präsidenten Moosbrugger und Quehenberger abschließend.
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