In der Vielfalt liegt die Kraft des Weins

Die Bedeutung des Wiener Weinbaus geht weit über seine knapp 600 Hektar hinaus. Das liegt auch am „Gemischten Satz“ und an Perfektionisten wie Rainer Christ, dem Winzer des Jahres 2025.

Weingegenden gibt es in Wien einige: vom noblen mit Touristen überströmten Grinzing bis hin zum Bisamberg im ehemaligen Arbeiterbezirk Floridsdorf. Gäste aus Übersee sieht man hier weniger, dafür zahlreiche Einheimische. Sie schätzen das besondere Ambiente der Kellergassen mit Kopfsteinpflaster, meterhohen Lösswänden sowie sich unvermittelt öffnenden Blicken auf Wien und vor allem die urigen Heurigen.

Veltliner bis Cabernet

Angebaut werden hier typische österreichische Weißweinsorten, wie Grüner Veltliner und Weißer Burgunder, bis hin zu spätreifen Roten wie Cabernet Sauvignon. Ähnlich vielfältig wie die Sorten sind auch die Winzer des Bisambergs. Da gibt es viele kleine, die nebenberuflich oder als Ausgleich zu ihrem Brotberuf Wein anbauen, von „einfachen Leuten“ über Juristen bis hin zu Philharmonikern. Daneben findet man aber auch größere, professionelle Betriebe, teils mit langer Tradition und Bedeutung über die Landesgrenzen hinweg.

Überhäuft mit Auszeichnungen

Quelle: BZ/Stockinger
Rainer Christ vor seinen speziellen 350 l Holzfässern: Für den Perfektionisten reichen übliche 225 l Barriquefässer nicht. Er will seine Weine „ausbauen“ und nicht mit Röstnoten „aromatisieren“.

Zu letzteren gehört das Weingut Christ. Die Familie führt seit über 400 Jahren einen landwirtschaftlichen Betrieb, seit den 80er Jahren wird nur noch Wein produziert. Im Gegensatz zu manch anderen in den Medien gehypten Tropfen besitzt der Wein unter Kennern einen hervorragenden Ruf. Das liegt neben den Top-Lagen zweifellos an Rainer Christ, der seit 2005 den Betrieb samt Heurigen leitet. Regelmäßig fahren seine Weine bei Verkostungen Auszeichnungen ein und zuletzt wurde er selber von den Herausgebern des Wirtshausführers und des Weinguides „Wein mit Egle“ als Winzer des Jahres 2025 ausgezeichnet.

Vom Skeptiker zum überzeugten Biowinzer

Quelle: BZ/Stockinger
Renoviert, elegant, mit viel Holz und in Erdtönen präsentiert sich der Heurige.

Christ bewirtschaftet seine 25 ha biologisch und ist ein glühender Verfechter dieser Art der naturnahen Produktion. Damit ist er nicht allein: Wien gilt als Weinbaugebiet mit der höchsten Biodichte.

Christ: “In den trockenen Weinbaugebieten im Osten gibt es keinen Grund nicht biologisch zu wirtschaften.”

Am Anfang seiner Karriere haben Christ noch die Vorteile von modernen in die Pflanze eindringenden und sich dort im Saftstrom verteilenden systemischen Pflanzenschutzmitteln überzeugt. Inzwischen sieht er sie als Problem, weil „die Weinstöcke dadurch ihre eigenen Abwehrkräfte reduzieren und Resistenzen der Schaderreger entstehen“.

Quelle: BZ/Stockinger
Unweit der Hochhäuser der Großfeldsiedlung liegt ein Highlight für Freunde des edlen Tropfens: Weingut und Heuriger Christ.

Christ steht zu seinem Wandel: „Man kann durchaus dazu lernen und gescheiter werden, das schadet niemandem“. Zu tun hat das „Gescheiterwerden“ bei dem Wiener auch mit der Übernahme des Petershofs mit den ältesten Bioflächen der Stadt im Jahr 2014. „Das Jahr war aus Sicht des Pflanzenschutzes eine Katastrophe mit extremen Regenfällen und dennoch waren mit wenigen Kenntnissen im Biobereich die Ergebnisse nicht schlechter als im konventionell gespritzten Weingarten“, erklärt Christ. Inzwischen kommt er pro Hektar und Jahr mit 1,2 bis 1,5 Kilogramm Kupfer aus, dem wohl am kritischsten diskutierten Wirkstoff im Bioweinbau. Das ist kaum mehr als manch konventionell arbeitender Winzer nur bei seiner letzten Abschlussspritzung einsetzt – wohlgemerkt nach einigen Applikationen systemischer Mittel. Christ: „In den trockenen östlichen Weingebieten gibt es keinen Grund, nicht biologisch zu wirtschaften“.

Lob dem Gemischten Satz

Der biologischen Bewirtschaftung, aber auch der Komplexität des Weins, kommt die Tradition des Wiener Gemischten Satzes entgegen.

Christ: Der Gemischte Satz ist die biodiverseste und traditionellste Art des Weinmachens.

Mindestens drei Qualitätsrebsorten aus ein und demselben Weingarten müssen sich im »Wiener Gemischten Satz DAC« finden. Bei Christ sind es meist acht bis zehn. Für den 50-jährigen Winzer und Vater zweier Kinder ist der Gemischte Satz die „biodiverseste und traditionellste Art des Weinmachens, mit Pflanzen, die sich in einer Region besonders wohlfühlen und adaptiert sind. Ganz im Unterschied zum Weinbau wie er sonst meist betrieben wird: als Monokultur auf zigtausenden Quadratmetern mit Fokus auf einen Pflanzenklon mit einer DNA.“

Edelstahl und Holz

Quelle: BZ/Stockinger
Auf die richtige Balance kommt es an. Neben Holzfässern setzt Top-Winzer Christ für fruchtbetontere Weine auch Edelstahltanks ein.

Di­ver­si­fi­ka­ti­on gibt es bei Christ nicht nur im Weingarten, sondern auch im Keller. Er setzt sowohl Edelstahltanks als auch Holzfässer ein. Letztere sind meist speziell angefertigte mit 350 Litern Inhalt und besonders gleichmäßigem Toasting ohne Brandspuren. Sie kosten zwar deutlich mehr als die üblichen 225-Liter-Barriquefässer, dafür werden seine Weine „nicht parfümiert, sondern langsam ausgebaut“. Das gilt auch für gehaltvolle Weißweine mit hohem Anteil an Grünem Veltliner und bioligischem Säureabbau. Im Unterschied zu manchem Chardonnay aus Übersee riechen sie nicht primär nach Fass, sondern sind geprägt durch Sorten und Terroir.

Möglichst schonende Behandlung der Trauben und ihres Saftes ist generell eine Devise von Christ. So nutzt er nach Möglichkeit Schwerkraft statt Pumpen. Schwefel wird im Weinkeller sparsam eingesetzt: vor der Gärung grundsätzlich nicht und danach liegen die Weine lange unbehandelt auf der konservierend wirkenden Hefe. Weißweine werden nur grob filtriert, Rotweine überhaupt nicht. Manchmal ist weniger einfach mehr. Insbesondere was den Wein betrifft.

WEINGUT & HEURIGER CHRIST
• 25 Hektar Weinbau am Bisamberg, großteils in Wien
• Sorten: 85 Prozent Weißwein, 15 Prozent Rotwein
• Besondere Spezialität: Gemischter Satz
• Personal: 28 bis 30 Mitarbeiter
• Heuriger: Jeden zweiten Monat beginnend mit Jänner geöffnet
weingut-christ.at

Video
Fotos: Weingut Christ, BZ/Stockinger, ÖWM/WSNA
Video-Sequenzen: BZ/Stockinger, Weingut Christ
Am Flügel: Hubert Farnberger

 

- Bildquellen -

  • Rainer Christ: BZ/Stockinger
  • Heuriger Christ: BZ/Stockinger
  • Weingut und Heuriger Christ: BZ/Stockinger
  • Edelstahlfaesser: BZ/Stockinger
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AUTORMichael Stockinger
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