Das EU-Parlament stimmte heute über die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft bis 2030, auch bekannt unter dem Namen SUR (Sustainable use plant protection products) ab. Der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel sollte demnach um 50 % reduziert werden, so der Vorschlag aus dem Umweltausschuss des Parlaments. Federführend dafür zeichnete die Grüne Abgeordnete Sarah Wiener.
Das EU-Parlament sprach sich im Plenum am 22. November in Strassburg jedoch mit 299 Gegenstimmen zu 207 Befürwortern eindeutig gegen diese einschneidenden Maßnahmen im Pflanzenschutz aus.
Geplant war, die Verwendung von „gefährlichen Pestiziden“ im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2017 um 65 % zu senken. Im Bericht aus dem EU-Umweltausschuss waren weitere gravierende Änderungen für die Landwirtschaft vorgesehen. So steht darin etwa ein Verbot chemischer Pflanzenschutzmittel in sensiblen Gebieten wie den Natura-2000-Gebieten und städtischen Grünflächen. Auch sollte der Verkauf risikoarmer Mittel gefördert und somit gesteigert werden. Der Vorschlag ist Teil eines Maßnahmenpaketes im Green Deal, mit dem der ökologische Fußabdruck des Lebensmittelsystems verringert werden soll.
„Angesichts der aktuellen Krisen die europäische Lebensmittelproduktion durch realitätsfremde Vorgaben und Bürokratie zu gefährden halte ich für verantwortungslos und so hat das auch die Mehrheit der Abgeordneten heute bewertet“, sagt der ÖVP-Europaabgeordnete Alexander Bernhuber. Der Vorschlag der Grünen hätte gravierende Auswirkungen auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten wie NATURA2000 Gebiete gehabt und die vorgeschlagenen Reduktionsziele hätten zu höheren Lebensmittelpreisen und mehr Importen aus Drittstaaten geführt, so die Mehrheitsmeinung der Abgeordneten im EU-Parlament.
Uneinigkeit bis zum Schluss
Schon die Plenardebatte im Europaparlament tags zuvor spaltete die Abgeordneten in zwei größere Lager: Konservative und rechte Parteien wollen die Reduktionsziele für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2035 statt bis 2030 umsetzen und keine Sonderregeln für „sensible Gebiete“ anerkennen. Sie folgen den Empfehlungen des Agrarausschusses. Die Liberalen waren uneins und die Sozialdemokraten sowie die Linken sprachen sich für einschneidende Maßnahmen in der Landwirtschaft aus.
Quelle: Eric VIDAL/EPDer Chefverhandler für die Europäischen Volkspartei (EVP) im Umweltausschuss (ENVI), Alexander Bernhuber, hat diese einschneidenden Maßnahmen im Pflanzenschutz schon im Vorfeld heftig kritisiert und Abänderungsanträge eingebracht. „In der Praxis bedeutet dies langwierige Notfallzulassungen, Hinweisschilder auf Feldern und die Veröffentlichung umfangreicher Informationen“, nahm Bernhuber dazu im Vorfeld Stellung.
Nach monatelangen Verhandlungen, teils fehler- und rätselhaften Vorschlägen der EU-Kommission und einer Folgenabschätzung, die eine teilweise sogar besorgniserregende Reduktion der Produktion bei den Sonderkulturen bedeutet hätte, stimmte das EU-Parlament heute gegen den Bericht.
Natura-2000-Gebiete waren im Fokus
Die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln um 50 % bis zum Jahr 2030 hätte sich laut Bernhuber vor allem auf Sonderkulturen wie Wein, Obst oder Erdäpfel sowie Betriebe in Natura-2000-Gebieten massiv ausgewirkt. Etwas weniger Probleme hätte es damit in den klassischen Ackerkulturen wie im Weizen oder Mais gegeben. Konsens zum Vorschlag gab es lediglich bei der schnelleren Zulassung von neuen Pflanzenschutzmitteln mit niedrigem Risiko für Mensch, Tier und Umwelt. Bernhuber, selbst Ackerbauer in Niederösterreich, stellte zudem infrage, ob das mehrmalige Anwenden eines Striegels in der Bodenbearbeitung wirklich besser für Vögel und Bodenbrüter sei als der bereits reduzierte Einsatz eines Pflanzenschutzmittels.
„Es ist ein Vorschlag zur Reduktion mit einer reinen Erreichung von Zielen, ohne die Auswirkungen zu berücksichtigen. Jene Mitgliedstaaten, die im Pflanzenschutz bereits vorbildlich gehandelt haben, wären damit abgestraft worden“, so Bernhuber. Beispielsweise wären jene Länder, die jetzt schon sehr niedrige Einsatzmengen vorweisen können und über die vergangenen Jahre hinweg weniger Pflanzenschutzmittel zum Einsatz brachten, bestraft worden. Zu den Ländern, die schon in der Vergangenheit Schutzgebiete wie Natura 2000 in agrarischen Gebieten ausgewiesen haben, zählen etwa Österreich, Deutschland oder Slowenien.
Die EVP fordert indes eine schnellere Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, dass keine Mittel aus der GAP für die SUR verwendet werden dürfen und dass sensible Gebiete, Regionen oder Kulturgruppen ausgenommen werden. Umweltverbände und NGOs sind vom heutigen Abstimmungsergebnis enttäuscht.
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- Sarah Wiener: Eric VIDAL/EP
- Alexander Bernhuber: Eric VIDAL/EP
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