Wie geht Europa mit dem Pflanzenzüchtungsverfahren Genschere CRISPR-Cas und möglichen Patenten darauf um? Diese Frage beschäftigt die Brüsseler Entscheidungsträger schon seit geraumer Zeit. Im Juli 2023 ließ die EU-Kommission bekanntlich mit einem Verordnungsentwurf aufhorchen, wonach mittels NGT gezüchtete Pflanzen künftig nicht als gentechnisch verändert, sondern als konventionell gezüchtet gelten sollen, sofern die so entstandene Mutation auch natürlich vorkommen kann. Das EU-Parlament hat seine Verhandlungsposition im zuständigen Umweltausschuss schon im Jänner 2024 festgelegt und sprach sich grundsätzlich dafür aus.
Ringen um Verhandlungsposition
Damit das offizielle Gesetzwerdungsverfahren, die sogenannten Trilog-Verhandlungen, gestartet werden konnte, fehlte noch die Zustimmung des Rates. Unter den Mitgliedstaaten dauerte die Einigung allerdings deutlich länger. Versuche der ungarischen Ratspräsidentschaft, eine Einigung zu erzielen, schlugen fehl. Unter polnischer Führung gelang vergangene Woche im Ständigen Ausschuss der EU-Botschafter (Coreper) die Einigung, schreibt Agra-Europe. Nun geht auch eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten (wie zuvor das Parlament) mit dem Entwurf d’accord, dass es für theoretisch auch natürlich vorkommende Mutationen, genannt NGT-1, keine Kennzeichnung im Handel, wohl aber am Saatgut braucht.
Nationale Verbote sollen möglich sein
Bei der zweiten Gruppe, den sogenannten NGT-2, hat der Rat aber Änderungswünsche dargelegt. So soll die Möglichkeit einer „Opt-out-Regelung“ für Mitgliedstaaten vorgesehen werden. Das würde bedeuten, dass EU-Länder den Anbau von NGT- 2-Planzen in ihrem Hoheitsgebiet verbieten dürfen. Weiters will man Hebel schaffen, um unbeabsichtigte Einschleppung oder grenzüberschreitende Kontamination zu verhindern, insbesondere zum Schutz der Biolandwirtschaft.
Wie auch das EU-Parlament ist sich der Rat einig, dass es in der Frage der Patentierbarkeit Sonderregelungen bedarf, die der Kommissionsvorschlag noch nicht vorsieht. Den Mitgliedstaaten schwebt hier eine öffentlich zugängliche Datenbank vor, welche alle bestehenden NGT-1-Sorten enthält. Was die Folgen der neuen Verordnungen betrifft, setzt sich der Rat außerdem für zeitnahe Untersuchungen ein. Geht es nach den Ländern, soll die Kommission schon ein Jahr nach Inkrafttreten eine Studie über die Auswirkungen der Patente etwa auf die Saatgutverfügbarkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Pflanzenzucht vorlegen.
Gentechnik-Gegner laufen Sturm
Hierzulande stößt die Ratsposition bei Gentechnik-Gegnern übrigens auf geharnischte Kritik. Die Arge Gentechnik-frei spricht von einem „faulen Kompromiss“. „Die Frage der Haftung oder der für Lebensmittel notwendigen Sicherheitsprüfungen sind noch völlig ungeklärt“, moniert Arge- Geschäftsführer Florian Faber. Ähnliche Töne schlägt Bio-Austria- Obfrau Barbara Riegler an: Die Ratsposition sei ein „Schlag ins Gesicht der biologischen und gentechnik-freien Landwirtschaft“.
Auf die Kritik werden die Entscheidungsträger wohl in den offiziellen Trilog-Verhandlungen reagieren müssen. Dort sitzen Vertreter der Kommission, die EU-Agrarminister und Vertreter des EU-Parlaments mit am Tisch. Dem Vernehmen nach sei ein zeitnaher Start geplant.
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