Zwecklosigkeit kann ein Fahrtrecht beenden

Geh- und Fahrtrechte bilden regelmäßig einen Konfliktherd zwischen Grundeigentümern. Was aufseiten des Berechtigten Nutzen und Vorteil bringt, sorgt naturgemäß beim Verpflichteten für wenig Begeisterung.

Mag. Wolfgang Raab, Bauernbundjurist, Linz ©ZVG
Mag. Wolfgang Raab, Bauernbundjurist, Linz ©ZVG
Ein beliebtes Argument von Grundeigentümern, die durch ein fremdes Fahrtrecht belastet sind und dieses gerne weghaben möchten, ist, dass der Berechtigte eine oder sogar mehrere andere Zufahrtsmöglichkeiten hätte und daher nicht auf diese Fahrt angewiesen sei. Dieses Argument kann, muss aber nicht ziehen. Die Tatsache, dass dem Berechtigten mehrere Alternativen zur Verfügung stehen, reicht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) nicht ohne Weiteres aus, um das Recht erlöschen zu lassen. Anders ist die Sache, wenn das Recht zwecklos geworden ist. Was das im Einzelfall heißt, ist eine heikle Frage, die Grenzen sind fließend. Zwecklosigkeit liegt etwa nicht nur dann vor, wenn die Zufahrt ins Nirgends führt und absolut keinen Nutzen mehr hat, sondern kann schon früher eintreten: In seiner Entscheidung vom 20. 12. 2012, 2Ob190/12y, bekräftigt der OGH im Sinne der ständigen Judikatur zwar, dass eine Dienstbarkeit grundsätzlich nicht allein deshalb erlischt, weil der Berechtigte seinen Grund auf einem anderen Weg erreichen kann. Allerdings kann der Zweck eines Wegeservituts wegfallen, wenn eine vom Servitutsweg verschiedene Zugangsmöglichkeit einen gleichwertigen Ersatz für diesen bietet. Dabei ist nicht nur auf die Länge, sondern auch auf den Zustand der Wege und auch auf sonstige Umstände abzustellen. Jeder auch nur einigermaßen ins Gewicht fallende Vorteil genügt für die Aufrechterhaltung des erworbenen Rechts. Ob ein gleichwertiger Ersatz vorliegt, richtet sich somit nach den Umständen des Einzelfalls. Bestätigt wird diese Linie in der Entscheidung vom 18. 2. 2015, 3Ob214/14p. Die meisten Probleme gibt es erfahrungsgemäß bei mündlich vereinbarten oder ersessenen Fahrtrechten. Egal, ob aus Konfliktscheu oder aus finanziellen Erwägungen auf einen schriftlichen Vertrag und die Eintragung ins Grundbuch verzichtet wurde – mit Fortdauer der Zeit kann sich das als Bumerang erweisen. Im Interesse der Rechtssicherheit auch für kommende Generationen sollte daher bei Servituten einer schriftlichen Regelung der Vorzug gegeben werden. OGH vom 20. 12. 2012, 2Ob190/12y und vom 18. 2. 2015, 3Ob214/14p

E-Mail: raab@oebauernbund.at

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