Bis ins Jahr 2100 wird die Fichte aus der Hälfte ihrer Habitatsfläche verschwunden sein.

Unter dem Titel „Europas Holzversorgung in Zeiten des Umbruchs“ wurde im März eine Studie präsentiert, welche die Handlungsoptionen für Holzindustrie, Forstwirtschaft und Politik für einen gelungenen Waldumbau aufzeigt. Initiiert wurde die von einem achtköpfigen Autorenteam verfasste Publikation von der Plattform „Teaming up 4 Forests“. Diese ist vor gut drei Jahren als Kooperation des Internationalen Verbandes Forstlicher Forschungsanstalten (IUFRO) und der auf die Herstellung von Papier und Verpackungsmaterial spezialisierten Mondi-Gruppe entstanden, um den Diskurs zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern.

Die IUFRO-Studie gießt in Zahlen, was Waldbauern in ihrer täglichen Arbeit längst schmerzlich zur Kenntnis nehmen müssen: Bis zum Ende des Jahrhunderts wird die Habitatsfläche der Fichte in Mitteleuropa um die Hälfte schrumpfen. Aber auch Kiefer und Buche geraten unter Druck. Ganz verschwinden wird die Fichte laut Co-Autor Florian Kraxner vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse jedoch nicht. „Doch es wird sie mit Sicherheit nicht mehr in diesem Ausmaß geben, wie wir es uns vielleicht erhoffen würden“, wird er im „Holzkurier“ zitiert. Nebst Käferkalamitäten und vermehrtem Windwurf werde sich IUFRO zufolge auch die Brandgefahr in den Wäldern durch ausbleibende Niederschläge massiv erhöhen. Demnach müsse man „schleunigst“ Maßnahmen treffen, um den Rohstoff Holz weiterhin in gewohnter Weise bereitstellen zu können, so Kraxner.

„Schwieriger Spagat“

Für die holzverarbeitende Industrie bestehe die Schwierigkeit darin, einerseits die große Menge an anfallendem Schadholz (vornehmlich Fichte) zu verarbeiten und zu vermarkten und sich zugleich auf zukünftige Sortimente vorzubereiten. „Ein schwieriger Spagat“, weiß auch Kraxner und appelliert an die handelnden Personen: „Wir müssen uns dringend Gedanken machen, wie wir andere Baumarten stofflich nutzen können.“ So werden auch in der Studie dringend Investitionen in die Diversifizierung bei der Holzverarbeitung empfohlen. Für Großprojekte möge man auch die öffentliche Hand miteinbeziehen.

Die Branchenkenner legen der Holzindustrie nahe, dem Kerngeschäft mit Nadelholz perspektivisch den Rücken zu kehren und auf die Verarbeitung von zumindest drei unterschiedlichen Baumarten zu setzen. Weiters seien eine intensive Auseinandersetzung mit dem Markt und eine unternehmenseigene Abschätzung der Versorgungslage bis 2030 und darüber hinaus von Bedeutung. Großes Potenzial wird in der Studie auch der Ressource Altholz sowie der kaskadischen Nutzung beigemessen. Um Altholz zu sammeln und zu sortieren, müsse dringend Infrastruktur geschaffen werden. Auch die Erschließung bisher ungenutzter Sortimente für die Verarbeitung stellen die Experten in den Raum. Langfristig würde sich so die Auswahl an verarbeitungstauglichen Hölzern vergrößern und die Abhängigkeit von einzelnen Holzarten reduzieren. „Dies würde den Holzmarkt stabilisieren“, heißt es.

Welche Holzarten Zukunft haben

Bei der Frage, welche Baumarten künftig noch bis zur Hiebsreife gedeihen und damit für die Industrie zur Verfügung stehen, sind sich auch die Wissenschaftler uneins. So sei die mit Vorschusslorbeeren eingeführte Douglasie deutlich weniger klimaresistent als angenommen. Invasive Arten wie die Robinie hingegen passen sich gut an, auch die Eiche erweitere ihr Verbreitungsgebiet. Florian Kraxner warnt diesbezüglich vor Scheuklappen: „Der Umbau hin zu Wäldern mit resilienteren Baumarten passiert nur durch menschliches Zutun.“ Auch nicht-heimische Hölzer müssten hier Berücksichtigung finden.

Ausweichen zwecklos

Keine Lösung sei hingegen das derzeit beobachtbare Abwandern der mitteleuropäischen Industrie in Richtung Skandinavien. Zwar profitieren nördliche Gefilde vorerst von den steigenden Temperaturen, die deutliche Zunahme von Schadereignissen mache diesen positiven Effekt jedoch zunichte, so die Wissenschaftler. Der stetig wachsende Bedarf Europas an Holz und Holzprodukten werde sich so jedenfalls nicht stillen lassen, zumal auch in Skandinavien der Borkenkäfer zunehmend Fuß fasse.

Die gesamte Studie steht hier zur Nachlese bereit.

- Bildquellen -

  • Bestand nach Borkenkäferbefall: DYNAMOLAND - STOCK.ADOBE.COM
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AUTORClemens Wieltsch
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