Berglandmilch setzt auf Zertifikatehandel

Das Geschäft mit CO₂-Zertifikaten boomt. Nun springt auch Österreichs größter Milchverarbeiter, die Berglandmilch, auf den Zug auf und will künftig eingesparte Methanemissionen ihrer Lieferbetriebe auf den internationalen Kohlenstoffmärkten an den Mann bringen. Was für die Bauern dabei herausspringt und was die hiesige Wissenschaft zu dem Modell sagt.

Eine Reduktion der Methanemissionen um 10 Prozent (je kg ECM) wird dem Zusatzstoff nachgesagt.

Dass Unternehmen CO2-Zertifikate kaufen, um ihre eigene Klimabilanz zu verbessern, ist weltweit gängige Praxis. Erst durch den Zukauf von Zertifikaten (die gemeinhin dem Wert einer Tonne des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid entsprechen) wird ermöglicht, dass Fluglinien, Handelsketten oder auch Bekleidungshersteller sich Klimaneutralität auf die Fahnen heften können. Nicht zu verwechseln ist diese Praxis übrigens mit dem Emissionshandel der Europäischen Union (EU-ETS). Die EU kontingentiert bekanntermaßen für die Schwerindustrie (wie Raffinerien, Stahl- und Zementhersteller und die chemische Industrie) jährlich deren Soll an Emissionen, ebenfalls in Form von Zertifikaten. Diese werden auch an den Börsen gehandelt und von Unternehmen, die Emissionen einsparen konnten, an jene verkauft, die zu viel Treibhausgas ausstoßen.

Futterzusatz hemmt Methanbildung

Während EU-ETS klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen folgt, ist der internationale Markt mit CO2-Zertifikaten ein offenes Konstrukt. Unterschiedliche Zertifizierungsunternehmen folgen dabei unterschiedlichen Regelwerken. Das feilgebotene CO2 stammte bisher vor allem aus Aufforstungsprojekten in aller Welt. Geht es nach Österreichs größter Molkerei, Berglandmilch, sollen künftig auch ihre gut 8.500 Milchlieferbetriebe davon profitieren. Möglich macht dies eine Kooperation mit dem US-Zertifizierungsunternehmen Verra, dem Weltmarktführer in Sachen CO2-Zertifikatvergabe. Der hat sich bereit erklärt, die Methaneinsparungen der Berglandmilch-Kühe nach dem internationalen Verified Carbon Standard (VCS) messbar zu machen.

Um sich als Milchbauer für den Zertifikatehandel zu qualifizieren, ist der Einsatz spezieller Zusatzstoffe im Mineralfutter vorgeschrieben. Die Rede ist von Agolin Ruminant und Naturu, beides Produkte eines Schweizer Zusatzstoffherstellers, der mehrheitlich im Eigentum des US-Futtermittelriesen Alltech steht. Agolin-Produkte bestehen aus natürlichen ätherischen Ölen. Diesen wurde in Studien (aus Spanien, Schottland und den USA) neben einer Leistungssteigerung auch eine hemmende Wirkung auf die Methanemissionen von Rindern nachgewiesen. Konkret sollen sie je Kilogramm energiekorrigierte Milch (ECM) um 10 Prozent geringer ausfallen.

Noch keine EFSA-Zulassung

„Aufgrund der vorliegenden Studien kann aus wissenschaftlicher Sicht von einer Methanreduktion der Agolin-Produkte ausgegangen werden“, sagt Georg Terler, der an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein zu den Themen Milchproduktion und Fütterung forscht. Allerdings räumt er ein, dass die Produkte bislang noch keine Zulassung der EFSA, der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, als „methanreduzierender Futterzusatzstoff“ besitzen. „Eine solche Zulassung hat bisher nur ein einziger Zusatzstoff erhalten“, weiß Terler. Gemeint ist „3-Nitrooxypropanol“, ein synthetischer Zusatz, der ein für die Methanbildung notwendiges Enzym hemmt. Auch die AGES bestätigt, dass für Agolin-Produkte ein derartiger Beleg nicht vorliege. Dem Vernehmen nach sei der Prozess aber im Laufen.

Zehn Zertifikate pro Hof und Jahr

Für die Teilnahme am Klimaprogramm der Berglandmilch müssen Betriebe Fütterungsdaten wie Trockenmasseaufnahme oder Fettgehalt der Ration, auch den durchschnittlichen Tierbestand an trockenstehenden und laktierenden Kühen sowie sämtliche Rechnungen des Agolin-Zukaufs in einem eigens eingerichteten Onlineportal festhalten. Zusätzlich sehe der VCS-Standard „natürlich auch externe Kontrollen vor“, teilt die Berglandmilch auf Nachfrage mit. In der Molkerei geht man von einem durchschnittlichen Reduktionspotenzial von 300 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kuh und Jahr aus. Den Bauern entstehe neben den Dokumentationspflichten kein zusätzlicher Aufwand. Per Formular überlassen sie ihrem Milchabnehmer die Vermarktungsrechte der eingesparten Emissionen. Diese werden über ein „Kohlenstoffregister“ der Zertifizierungsstelle angeboten „und können dort von jeder öffentlichen oder privaten Organisation gekauft und verwendet werden“, heißt es.

Undurchsichtiger Kohlenstoffmarkt

Sämtliche Erlöse aus dem Verkauf werden den jeweiligen Landwirten von der Molkerei gutgeschrieben. Ein durchschnittlicher Berglandmilch- Lieferant könne demnach mit zehn verkauften CO2-Zertifikaten pro Jahr rechnen. Was deren Wert betrifft, hält man sich allerdings vorerst noch bedeckt. „Der Erlös beim Verkauf richtet sich nach der Nachfrage am Zertifikatsmarkt“, wird mitgeteilt. Recherchen zeigen indes, dass der Marktwert deutlich unter jenem der EU-ETS-Zertifikate liegt. Während diese zuletzt mit mehr als 60 Euro pro Stück gehandelt wurden, soll der Preis für „freie“ Zertifikate, Medienberichten zufolge, zwischen 3 Euro (bei Billiganbietern) und 30 Euro schwanken. Valide Zahlen lassen sich aufgrund der Intransparenz des Marktes vorerst nicht ausfindig machen. Die Berglandmilch geht von steigenden Preisen in den nächsten Jahren aus.

Wer mutmaßt, der Zertifikatehandel von Österreichs größter Molkereigenossenschaft sei nur ein Marketinggag, kann beruhigt werden. Es gehe ausschließlich darum, aufzuzeigen, dass Milchbauern „viel Gutes“ für das Klima tun, heißt es aus deren Geschäftsführung. Eine Bewerbung der CO2-Zertifikate- Kampagne auf Produkten der Berglandmilch sei aber „nicht vorgesehen“.

- Bildquellen -

  • Fleckvieh am Futtertisch: agrarfoto.com
- Werbung -
AUTORClemens Wieltsch
Vorheriger ArtikelBeste Uhudler ausgezeichnet
Nächster ArtikelArge-Alp-Preis 2024: Ressource Wasser im Fokus