Gurkerl-Dilemma: Hohe Kosten und Regulierungen belasten Gemüsebauern

Neun von zehn heimischen Essiggurken werden in Oberösterreich geerntet, genauer im Eferdinger Becken. Doch die Anzahl der Betriebe sowie die Fläche haben zuletzt stetig abgenommen. Über die Gründe dafür informierten Gemüsebauern und die Landwirtschaftskammer.

Die Gemüsebauern, allen voran die Erzeuger von Essiggurken im Eferdinger Becken, klagen über mannigfaltige Wettbewerbsnachteile.

Der Rückgang betrifft nicht nur eines der beliebtesten Sauergemüse der Österreicher, sondern die gesamte Gemüseproduktion. Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Franz Waldenberger, Präsident der LK Oberösterreich: „Neben den immer strengeren gesetzlichen Regelungen in der Produktion und der nachteilig kleinen Struktur etwa im EU-Vergleich zu Spanien, Frankreich, Italien, Polen oder auch Deutschland sind es vor allem die hohen Lohn- und Lohnnebenkosten sowie Nachteile bei der Zulassung von dringend notwendigen Pflanzenschutzmitteln, die den Betrieben aufgebürdet werden.“ Das Eferdinger Essiggurkerl stehe somit als Symbol für „die mannigfaltigen Herausforderungen“ im heimischen Gemüsebau.

Stammarbeitskräfte wandern ab

Während in Deutschland der Mindestlohn für Saisonarbeiter 12,40 Euro pro Stunde (im sogenannten „70-Tage- Modell“, ohne Sozial- und Lohnnebenkostenverpflichtung und auch ohne Urlaubsund Weihnachtsgeld) beträgt, liegt der Nettolohn in Österreich aktuell bei 8,40 Euro pro Stunde. „Das bedeutet ein Drittel mehr Nettolohn oder vier Euro mehr pro Arbeitsstunde für die Saisonkräfte in Deutschland.“ Den Arbeitgebern hierzulande erwachsen hingegen Gesamtbruttokosten pro Arbeitsstunde von 17,20 Euro. „Das macht gegenüber den deutschen Arbeitgebern Mehrkosten von 4,8 Euro pro Stunde aus.“

Umgerechnet auf ein Hektar Einlegegurken mit einem Arbeitskraftbedarf von circa 3.000 Stunden pro Hektar bedeute dies einen Kostennachteil von etwa 15.000 Euro pro Hektar. „Wegen des verlockend höheren Nettolohns wandern viele Stammarbeitskräfte nach Deutschland ab. Nicht wenige unserer Betriebe leisten deswegen freiwillige Mehrzahlungen, um ihr Personal halten zu können. Diese Kosten können aber wiederum nicht in den Produktpreis eingerechnet werden“, erklärt Ewald Mayr, Obmann der oberösterreichischen Gemüse-, Erdäpfel- und Obstbauern, deren Dilemma.

Pflanzenschutz: Keine Waffengleichheit in EU

Ein weiterer Wettbewerbsnachteil ist – wie man am besten bei Bierrettich sehen könne, so Mayr – die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Im Herbst 2023 wurde das Herbizid „Butisan“ EU-weit verboten. In Deutschland ist dessen Ausbringung allerdings „mit einzelbetrieblicher Genehmigung“ weiter erlaubt. Da Österreichs Rettichproduzenten diese Möglichkeit nicht haben, musste kürzlich der letzte verbliebene Rettichbauer nach 47 Jahren das Handtuch werfen. Mayr: „Wir fordern dringend, entweder hier für Waffengleichheit zu sorgen oder dafür, dass solcherart behandelte Produkte nicht mehr nach Österreich importiert werden dürfen.“

Store-Check: Herkunft oft ungewiss

Wie viele heimische Essiggurkerl in den Regalen der Supermarktketten stehen und wie hoch der Anteil importierter oder nicht deklarierter Ware ist, machte jüngst ein Store-Check des Österreichischen Branchenverbandes für Obst und Gemüse deutlich. Er nahm dafür 92 Produkte genau unter die Lupe. Ernüchterndes Ergebnis: Der Großteil der Gurkerl stammte nicht aus der Alpenrepublik. Lediglich in jedem vierten Glas (26 %) fanden sich Essiggurkerl aus Österreich. Bei zwei Drittel (66 %) der überprüften Gläser fehlte die Angabe zur Herkunft des Gemüses komplett. Beim Rest wurde die Herkunft mit Deutschland (5 %), EU (2 %) sowie EU/Nicht-EULandwirtschaft (1 %) angegeben. Auch aus einer aktuellen Nielsen-Analyse, wo von Marktforschern die exakten Umsätze und Absatzmengen erhoben wurden, lässt sich ableiten: Neben 26 Prozent nachvollziehbarer österreichischer Herkunft „verstecken“ sich 24 Prozent der heimischen Gurkerl hinter den (immer häufiger gekauften) Eigenmarken der Supermarktketten. Laut Roll-AMA macht der Anteil der Eigenmarken bei Steril-Gemüse bereits fast 64 Prozent aus.

Efko-Geschäftsführer Klaus Hraby spricht daher „von einem Verdrängungswettkampf“, ausgetragen ausschließlich auf der Preisebene. „So eine Härte wie derzeit habe ich noch nie erlebt. Eigenmarken sind reine Ausschreibungsware. Für diese wird dort produziert, wo es am billigsten ist.“ Und das sei es in Österreich „schon lange nicht mehr“. LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger fordert daher eine eindeutige Herkunftskennzeichnung bei verarbeitetem Obst und Gemüse und eine Entlastung bei Lohnnebenkosten: Andernfalls drohe der Eigenversorgungsgrad bei Gemüse weiter zu sinken „und es müssen noch mehr Gurkerl importiert werden, die unter schlechteren Standards erzeugt worden sind.“

- Bildquellen -

  • Gurkenernte: LK OÖ
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AUTORThomas Mursch-Edlmayr
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