BauernZeitung: Die Auswirkungen der globalen Pandemie hat auch die Landwirtschaft fest im Würgegriff. Welche Agrarsparten leiden derzeit am meisten unter der Krise?
Schmuckenschlager: Es trifft vor allem all jene Bauern hart, die Zulieferer der Gastronomie und Hotellerie sind, etwa mit Rindfleisch oder Wein. Es gibt hier Anstrengungen auf verschiedensten Ebenen, um die Vermarktung aufrechtzuerhalten. Diese Marktverwerfungen werden noch länger spürbar sein, es wird dauern, bis es wieder zu einem normalen Absatz kommt, da die Öffnung von Gastromie und des Tourismus ja schrittweise erfolgt. Die Krise wirkt sich aber nicht nur auf die wirtschaftliche Lage dieser Bereiche aus, sondern genauso auf die landwirtschaftliche Urproduktion.
Die Regierung versucht, mit verschiedenen Härte- und Hilfsfonds, der Rezession gegenzusteuern. Aber kann der Staat über Monate hinweg fehlende Umsätze ausgleichen?
Man sollte jedenfalls nicht den Eindruck erwecken, dass dies möglich sei. Es geht hier um Überbrückungsmöglichkeiten, um die gesellschaftliche Stabilisierung und den sozialen Frieden zu wahren. Wichtig ist, dass die Bäuerinnen und Bauern die gleichen Ansprüche wie alle anderen Gruppen haben, wenn es darum geht, Härtefälle abzufedern.
Die Landwirtschaft gilt als systemrelevante Branche. Welche Strukturen im Agrarbereich sollte man jetzt gezielt fördern?
Wir sehen, dass unsere Landwirtschaft gerade wegen der Klein- und Mittelbetriebe, der vielfältigen Produktionsarten und ihrer regionalen Kreisläufe krisensicher ist. Diese Betriebsformen, die Struktur der bäuerlichen Familienbetriebe, gilt es zu erhalten, auch für die Versorgungssicherheit in unserem Land.
Wo braucht es nun für die Unterstützung der Betriebe vermutlich mehr Pragmatismus als bisher? Bei den Banken, bei der SVS?
Man darf jetzt nicht alle Regularien über Bord werfen. Wir brauchen Flexibilität bei Abgaben und Steuern, um dort, wo es möglich ist, Stundungen und Erleichterungen zu erwirken. Bei administrativen Notwendigkeiten, wie der Abgabe der Mehrfachanträge, wurden die Termine verschoben oder die Frist für die Antragstellung verlängert, ohne die zeitgerechte Auszahlung der Gelder zu gefährden.
Wie sehr spielen bei alldem auch Klimaschutz-Maßnahmen eine Rolle?
Die Corona-Krise hat die Klimaschutzdebatte aus den Medien gedrängt, sie ist deswegen aber nicht weniger aktuell, gerade für die Landwirtschaft, die vom Klimawandel besonders betroffen ist. Klar ist, dass in den künftigen Konjunkturpaketen erneuerbare Energien, wie Biomasse oder Sonnenenergie, entsprechend berücksichtigt werden müssen. Bei staatlichen Infrastrukturmaßnahmen muss auch die Wasserversorgung, konkret die Bewässerungswirtschaft, Platz finden.
Was halten Sie von plakativen Forderungen, etwa Kühe „in Kurzarbeit“ zu schicken?
Das ist ein Vergleich Äpfel mit Birnen, und in diesem Fall auch gefährlich. Dadurch werden gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausgespielt, und das wäre der absolut falsche Weg. Es sind verschiedene Maßnahmen notwendig, wenn auch nicht für jeden dieselbe Maßnahme passend oder hilfreich sein wird.
Wer ist relevanter für den Staat – die Bauern oder die AUA?
Auch diesen Vergleich halte ich für nicht angebracht.
In Sachen Erntehelfer – und Mitarbeiter für die Lebensmittelverarbeitung – hat speziell die LK Niederösterreich rasch reagiert und binnen weniger Tage nach dem Shutdown eine Online-Vermittlungsplattform initiiert. Diese wurde alsbald auf ganz Österreich ausgeweitet. Trotz des großen Andrangs gab es Kritik auch von Bauern, weil „in die falsche Stoßrichtung gehend“ und „zu behäbig“. Ihre Meinung dazu?
Es gibt für solche Situationen keine Schablone. Wir verfolgen hier ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Die Plattform ist eine davon. Sie wurde gestartet, um Betriebe in Notsituationen rasch zu unterstützen. Das Grundkonzept war auf Niederösterreich abgestimmt, die bundesweite Ausweitung ist eine enorme Aufgabe und mit hohem Aufwand verbunden. Die Fülle an Daten und Vermittlungsschritten nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Dank gilt hier all jenen, die diese Plattform durch ihren Einsatz und ihre großartige Arbeit überhaupt erst möglich gemacht haben. Und betonen möchte ich, dass damit bereits vielen Betrieben geholfen werden konnte.
Wie kann man Österreichs Bauern jetzt am besten unterstützen? Genügt es, seitens der Bauern wie auch der Lebensmittelhersteller, fast ausschließlich an den Konsumpatriotismus zu appellieren?
Es gibt viele positive Signale, man denke an den vermehrten Einkauf bei den Direktvermarktern. Und Konsumpatriotismus ist ein Ziel, das wir schon lange verfolgen. Es wurde auch schon einiges erreicht – bei der Herkunftskennzeichnung oder in der öffentlichen Beschaffung. Oberstes Ziel muss es jetzt sein, den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, um den Druck von unseren Bäuerinnen und Bauern zu nehmen.
Angesichts der Milliarden-Hilfspakete vieler Regierungen und der EU – glauben Sie, dass speziell die EU das gemeinsame Agrarbudget wird völlig neu verhandeln müssen?
Die Richtung ist vorgegeben. Bereits vor der Corona-Krise hat man mit der Forderung, den New Green Deal in der Agrarpolitik zu verankern, eine zusätzliche Aufgabe für die Landwirtschaft gestellt. Klar ist, Leistungen müssen auch in Zukunft entsprechend abgegolten und der Wert der europäischen und österreichischen Produktion anerkannt werden. Welchen Wert die europäische Produktion hat, sehen wir gerade jetzt. Um die Produktion in Europa zu halten, muss jedem klar sein, dass dafür eine volle Dotierung des Agrarbudgets absolut notwendig ist.
Der Anspruch an bäuerliche Interessenvertreter in Zeiten wie diesen ist hoch wie nie. Wie gehen Sie persönlich mit dieser Herausforderung um?
Mein Anspruch, meine Aufgaben als bäuerlicher Interessenvertreter zu erfüllen – und zwar im Sinne der Bäuerinnen und Bauern – ist immer hoch. Wenn man Verantwortung in einer Führungsposition übernimmt, muss einem klar sein, dass man alles geben muss, vollsten Einsatz zeigen und entsprechende Leistungen erbringen muss. Was mir momentan sehr fehlt, sind gesellschaftliche Zusammenkünfte zur persönlichen Kontaktpflege.
Was stimmt Sie bei aller Misere optimistisch?
Der Zusammenhalt, den es momentan gibt. Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen, auch wenn für viele von uns die derzeitige Situation hart ist. Das lehrt uns auch die Geschichte. Vor 75 Jahren, zu Kriegsende, befanden sich die Menschen in einem unvergleichbaren Ausnahmezustand mit Verunsicherung und Ungewissheit. Niemand konnte damals abschätzen, wie es weitergeht. Doch die Menschen haben es geschafft, in die Zukunft zu blicken und diesen Ausnahmezustand zu überwinden.
Interview: Bernhard WEBER