Bevor Bischof Manfred Scheuer über seine Aufgaben in der Diözese Linz spricht, braucht er Zeit zum Abschied nehmen. Ab 17. Jänner wird sich der gebürtige Oberösterreicher dann auf seine alte Heimat neu einlassen und hofft, dass die Oberösterreicher und er “einander mögen”.
Sie kommen nach 19 Jahren, die Sie in Deutschland und ab 2003 als Bischof der Diözese Innsbruck verbrachten, nach Oberösterreich zurück. Welches Gefühl verbinden Sie damit?
Scheuer: Es ist nicht einfach eine Heimkehr. Man kehrt nicht in eine Vergangenheit zurück, sondern es ist eine neue Situation. Sicherlich kenne ich relativ viele Menschen in Oberösterreich, diese haben sich aber ebenso verändert. Insofern wird für mich vieles Neuland sein. Es ist eine gewisse Anspannung da, die auch mit Risiko zu tun hat.
Aber Sie lassen sich gerne auf Risiken ein…
Scheuer: Das Einlassen geht für mich nicht von heute auf morgen. Ich brauche eine Zeit zum Abschied nehmen und eine Zeit zum Ankommen.
Viele haben sich Sie als Bischof gewünscht. Welchen Bischof dürfen die Oberösterreicher erwarten?
Scheuer: Es war nicht mein Wunsch, Innsbruck zu verlassen und nach Oberösterreich zu gehen. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Das hat bei mir etwas zu tun mit meiner grundsätzlichen Bereitschaft, zur Verfügung zu stehen. Ich bin in meiner Vergangenheit in Oberösterreich in anderen Aufgaben tätig gewesen, z.B. als Spiritual, Seelsorger oder als Lehrer. Einiges davon nehme ich mit, wobei die Rolle des Bischofs auch die des Leitens, Beurteilens und Entscheidens ist. Das schmerzt manchmal, mich selber und auch andere. Ich hoffe, dass wir uns aufeinander einlassen können und uns mögen.
Was werden Ihre dringendsten Aufgaben in der Diözese Linz sein?
Scheuer: Diese Aufgaben werden sich erst im “sich Einlassen”, im Hinhören und im Gespräch ergeben. Und dafür habe ich noch keine Gelegenheit gehabt.
Linz ist ja bekannt dafür, dass es auf der einen Seite viele progressive und auf der anderen Seite viele konservative Gruppierungen gibt. Wie geht man damit um?
Scheuer: Es stellt sich die Frage, wer ist laut und wird damit auch öffentlich bekannt? Das sind meist die progressiven, die liberalen, die konservativen oder reaktionären Gruppen – wie auch immer sie schubladisiert werden. Es wird wichtig sein, auch auf jene zu hören und zuzugehen, die in dieser doch vereinfachten Darstellung des kirchlichen Lebens nicht so vorkommen.
Die Mitgliederzahlen in der Kirche gehen zurück. Wie schaffen Sie es als neuer Oberhirte, Ihre Schäfchen zu begeistern?
Scheuer: Jeder Kirchenaustritt tut weh, weil damit nicht einfach Zahlen sondern konkrete Menschen verbunden sind. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert, der Pluralismus ist stärker geworden. Manches hängt auch mit der demografischen Entwicklung zusammen. Ich glaube, diese neue Situation, in der wir als Kirche nicht mehr einfach die bestimmende Mehrheit sind, ist eine Herausforderung. Doch ich nehme diese Situation als Chance wahr. In dieser Gegenwart haben wir als Christen Zeugnis zu geben. Die Zeit ist vorbei, wo ganze Milieus oder Völker gemeinsam getauft wurden oder zum Glauben gekommen sind. Es ist eine Überzeugungsarbeit, in der es um jeden Einzelnen geht.
Die Vermittlung zwischen den Religionen war Ihnen immer ein großes Anliegen. Wie kann man angesichts der anhaltenden Flüchtlingswelle einen guten Weg finden?
Scheuer: Wir sprechen da von jenen, die hier Asyl suchen. Asyl ist ein Menschenrecht. Ich glaube, da ist es unsere Aufgabe und Pflicht, die Menschen innerhalb der rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen aufzunehmen. Zum anderen ist es eine Frage der Ursachen oder der wirtschaftlichen und ideologischen Hintergründe, die dazu führen, dass Menschen flüchten. Das lässt sich nicht von einer Seite alleine angehen. Entscheidend ist, dass wir nicht resignieren und uns in der Ohnmacht vergraben, sondern versuchen, mit Solidarität ans Werk zu gehen.
In Ihrem neuen Buch “Wider den kirchlichen Narzissmus” [siehe Buchtipp Seite 22] schreiben Sie, neben vielen anderen Themen, über den Wert der Lebensmittel. Fehlt den Menschen die Wertschätzung für die Lebensmittel? Scheuer: Wir hatten selber eine kleine Landwirtschaft und eine Bäckerei. Da ist mir der Wert des Brotes und der Wert der Lebensmittel von klein auf mitgegeben worden. Brot war etwas Heiliges. Es durfte nicht weggeworfen werden. Ich glaube, dieser grundsätzliche Umgang mit Lebensmitteln, dass es da um etwas Heiliges geht, ist abhandengekommen. Lebensmittel sind nicht Industrieprodukte, sondern Mittel zum Leben. Und dafür braucht es Wertschätzung und einen achtsamen Umgang. Damit ist wieder die Wertschätzung und Achtung menschlicher Arbeit und die Wertschätzung und Achtung der Natur und der Schöpfung verbunden. Es braucht insgesamt ein Umdenken, man könnte auch sagen eine Art Bekehrung.
Was wünschen Sie den Oberösterreichern für das neue Jahr?
Scheuer: Ich wünsche ihnen gute Lebensmittel. Denn der Geschmack am Essen und Trinken ist für die Lebensqualität sehr wichtig. Ich verbinde damit aber auch das Lebensmittel Solidarität, das Lebensmittel Kultur und das Lebensmittel Hoffnung. Weil ohne Hoffnung können wir nicht leben.
Über Manfred Scheuer
Manfred Scheuer wurde am 10. August 1955 in Haibach ob der Donau geboren. Nach der Matura am Bischöflichen Gymnasium Petrinum Linz studierte er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Linz und an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom.
Am 10. Oktober 1980 wurde Manfred Scheuer in Rom zum Priester geweiht. Er war Seelsorger und Spiritual in der Diözese Linz. Ab 1997 war er in Freiburg (D) Studentenseelsorger und lehrte in Salzburg und St. Pölten. Von 2000 bis 2003 war er Professor für Dogmatik an der Theol. Fakultät Trier.
Am 21. Oktober 2003 ernannte Papst Johannes Paul II Manfred Scheuer zum Bischof der Diözese Innsbruck, am 14. Dezember 2003 wurde er im Innsbrucker Dom zum Bischof geweiht. In der österreichischen Bischofskonferenz ist Scheuer für die Bereiche Caritas, Erwachsenenbildung, Ökumene und Pro Scientia verantwortlich.