Zu Beginn dieses Sommers haben wir Andrea Friedle aus Häselgehr in dieser Almserie kurz vorgestellt. Wir berichteten darüber, dass coronabedingt ihr Almsennereikurs ausfiel, obwohl sie eine herausfordernde Saison vor sich hatte. Nach 23 Sommern auf der Lechtaler Sulzlalm war sie heuer als neue Pächterin auf der Alpe Kaisers zum ersten Mal auch für die Milchverarbeitung und das Käsen zuständig. „Für mich geht damit ein Wunschtraum in Erfüllung“, sagte die leidenschaftliche Almbäuerin am Beginn dieses Sommers. „Es schließt sich sozusagen ein Kreis, denn ich habe mir immer schon gewünscht, selber zu melken und aus der Milch meinen eigenen Almkäse herstellen zu können. Jetzt habe ich zum ersten Mal dazu Gelegenheit. Außerdem werde ich bei der Almarbeit von meinen beiden erwachsenen Kindern unterstützt. Da kann eigentlich nichts schief gehen!“
„Super geaht’s ins!“
Es könnte doch, aber es ist nichts schiefgegangen. Ganz im Gegenteil. „Super geaht’s ins, ins geahts wirklich guat!“ sagte Andrea strahlend auf meine Nachfrage in der vorigen Woche. Kein Wunder, das muntere Almtrio war auch von Anfang an bestens organisiert und teilt sich die Aufgaben nach Vorlieben auf: Tierfreund und Kuhversteher Daniel (22) hütet das Vieh – 32 Milchkühe, ein Stier, fünf Milchkälber, 77 Stück Jungvieh, ein Esel und 13 Schweine – und als gelernter Mechaniker kann er auch für Reparaturen im und rund ums Haus eingesetzt werden. Hotelfachkraft Lisa (20) ist für Küche und Service zuständig, stellt sich aber auch bei der Melkarbeit geschickt an und hat auch öfters ihrem Bruder mit dem Jungvieh geholfen. Außerdem sprangen den Pächtern zwei Praktikanten der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Imst zur Seite: Philipp (15) ist verantwortlich für Schweine und Mithilfe bei der Stallarbeit sowie für die Unkraut-Bekämpfung, Lena (15) hilft im Stall, beim Service und in der Küche.
Andrea, die früher schon einmal ein halbes Jahr in der Sennerei Warth am Arlberg arbeitete, ist die Käsemeisterin und zeigte dabei von Beginn an ihr Können. Sie produzierte fünf Tonnen Almkäse (eine würzige Tilsiterart), davon zwei Tonnen aus der Milch der eigenen Kühe. Beim besucherreichen Käse-Anschnittfest am 26. Juli stellte sie den Käse vor und bekam dafür viel Lob von Bauern und Gästen sowie zahlreiche Vorbestellungen. Eine besondere Spezialität ist ihr mozzarellaartiger Frischkäse, den sie in Gläser füllt und in Öl einlegt, das sie je nach Angebot des Almgärtleins mit Lauch, Maggikraut, Wacholder usw. würzt. Das Grundrezept holte sie sich aus dem Internet, daran tüftelte sie selber noch so lange herum, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden war. Außerdem heuerte sie am Beginn der Saison eine Woche lang einen altgedienten Senner als Berater an. Als er Andreas Frischkäse probierte, sagte er: „Wir machen ihn lieber so wie du, deiner schmeckt noch besser als meiner!“
Zufriedene Kühe
Höchst erfreut sind die Pianner Bauern (die Alpe Kaisers gehört zu Pians im Bezirk Landeck) nicht nur über den Käse, sondern auch über den Zustand der Kühe, vor allem über deren Ruhe und Ausgeglichenheit. Es ist augenscheinlich, dass hier mit Daniel ein guter Hirte seine Arbeit verrichtet. Aber auch gute Hirten brauchen Glück. Bei einem schweren Unwetter wurde eine Kuh vom Blitz gestreift, doch es ist alles gut ausgegangen, sie blieb unverletzt und auch ein Hagelsturm richtete keine wesentlichen Schäden an.
Der Gastbetrieb florierte in diesem Sommer auf der Alm, was für ein neues Team immer eine Herausforderung ist. Hat es dabei viel Stress gegeben? „Stress ist das falsche Wort, wir arbeiten flott, aber wir lassen uns nicht stressen“, sagen die Friedles. „Es gab natürlich viele sehr lange Tage, da haben wir Arbeit bis weit über den Kopf gehabt. Aber weil uns immer wieder Freunde besuchten, die fleißig mithalfen, hatten wir manchmal auch die eine oder andere Stunde Zeit für uns, um durchzuatmen und die Natur zu genießen.“
Nächstes Jahr wieder!
Kurz vor Ende des Sommers saßen Andrea, Lisa und Daniel zusammen und zogen Bilanz. Andrea Friedle, die in diesem Juni ihren 45. Geburtstag feierte, freut sich über den gelungenen Beginn des neuen Lebensabschnitts: „Es ist schön, dass meine Kinder die Zeit auf der Alm ganz ähnlich sehen wie ich. Wir sind hier zusammengewachsen und zu Partnern geworden, die füreinander einstehen und sich aufeinander verlassen können. Das hat uns gut getan. Und als meine Kinder sagten, sie können sich keine schönere Arbeit vorstellen, da war ich glücklich, denn nun schaut es ganz danach aus, als würden wir nächstes Jahr wieder hier auf der Alm zusammenarbeiten.“ Die drei sind sich jedenfalls einig, dass es für sie ein Almsommer wie aus dem Bilderbuch war. Das Vieh würde es wahrscheinlich ähnlich sehen, wenn es sprechen könnte. Und es würde wahrscheinlich gern noch länger bleiben, aber die Milchkühe kommen in dieser Woche nach Hause, das Jungvieh bleibt voraussichtlich noch bis 21. September auf der Alm. Die Pächter harren am längsten aus, denn die Wanderer wollen auch noch im Herbst Andreas vorzüglichen Käse essen. Und so bleibt die Hütte der Alpe Kaisers noch bis Mitte Oktober geöffnet.
- Bildquellen -
- 20200903 132215 820: Familie Friedele
- 20200903 132204 119: Familie Friedele
- IMG 20200813 WA0002: Familie Friedele