Gravierende Folgen für den EU-Agrarhandel

Zerbombte Hafenanlagen und Bahnterminals: Der russische Angriff auf die Ukraine wird heuer tiefe Spuren auch in der Agraraußenhandelsbilanz der EU hinterlassen. Besser läuft es wieder mit den Briten und in die USA.

Odessas Hafen blieb bisher verschont vom Krieg. Die Häfen am Asowschen Meer wurden zerbombt. Foto: Oleksandra - stock.adobe.com

Die EU-Kommission geht in einem aktuellen Bericht davon aus, dass die Kriegszerstörungen in der Ukraine die Lieferketten in beide Richtungen nachhaltig stören, mit verheerenden Folgen vor allem für die ukrainische Agrarwirtschaft. 2021 hatte man landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel im Gesamtwert von 6,9 Mrd. Euro in die EU-27 geliefert. Die Ukraine war damit viertgrößter Handelspartner der EU im Agrar- und Ernährungsbereich, mit 36 % der EU-Drittlandsbezüge bei Getreide; bei Ölsaaten waren es 16 %. Umgekehrt exportierten die EU-Länder Agrarrohstoffe und Lebensmittel für 3,11 Mrd. Euro in die Ukraine.
Auch Russland war im vergangenen Kalenderjahr ungeachtet des Importembargos Moskaus für viele Agrarprodukte ein wichtiger Handelspartner der EU bei Agrar- und Ernährungsgütern. Laut den offiziellen Statistiken exportierte Russland Agrargüter und Lebensmittel um 2,17 Mrd. Euro in die Gemeinschaft. Vor dem Angriff auf die Ukraine kauften die Mischfutterwerke in der Union jede fünfte Tonne Getreide in der Russischen Föderation. Umgekehrt gingen 2021 EU-Agrarerzeugnisse im Wert von 1,1 Mrd. Euro dorthin, wegen des 2014 von Moskau aufgrund im Zuge der Krim-Krise verhängten Einfuhrverbots für Obst, Gemüse, Fleisch- und Milchprodukte aus der EU zuletzt primär Weine und Spirituosen.
Der Gesamtwert des Agrar- und Lebensmittelhandels der EU mit Drittstaaten markierte im Vorjahr einen Rekordwert von fast 330 Mrd. Euro (+ 7,2 %). Unter dem Strich ergab sich für 2021 ein Handelsüberschuss der EU bei Agrarrohstoffen und Ernährungsgütern von knapp 68 Mrd. Euro.
Wichtigste EU-Zielmärkte waren 2021 nach dem Brexit wieder das Vereinigte Königreich, die USA und China. Die Erhöhung der Ausfuhren in die Vereinigten Staaten war vor allem der wieder starken US-Nachfrage nach Europas Weinen und Spirituosen geschuldet, die zuletzt ein Drittel aller EU-Agrarausfuhren in die USA ausmachten. Zuvor hatten Strafzölle im transatlantischen Airbus-Boeing-Streit die betreffenden Lieferungen gebremst. Und waren die EU-Ausfuhren nach Großbritannien durch den Brexit zu Jahresbeginn 2021 noch regelrecht eingebrochen, erreichten sie ab März wieder Normalniveau und blieben letztlich im Jahresvergleich mit nahezu 42 Mrd. Euro nahezu stabil. Hingegen schrumpften die EU-Agrarexporte nach China gegenüber 2020 um 3,1 % auf 17 Mrd. Euro, was laut der Statistiker in Brüssel in erster Linie auf einen Rückgang bei Schweinefleisch um 31 % sowie Säuglingsnahrung um 18 % zurückzuführen war.
Indes gelang Brasilien 2021 wieder der Sprung zurück auf Platz eins unter den EU-Lieferanten. Maßgeblich dafür war das Exportplus von 50 % bei Sojabohnen, von 25 % bei Kaffee und von 13 % bei Ölkuchen.
Bei der Produktrangliste landete Wein mit 8,7 % an den wertmäßigen EU-Exporten auf Platz 1, gefolgt von Getreideerzeugnissen, Schokolade und Süßwaren sowie Schweinefleisch. Dessen Ausfuhren gingen wegen der Exportsperre Chinas gegen Deutschland wegen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) um 9,3 % zurück. Damit hält Schweinefleisch für 2021 den Negativrekord, was die relative Entwicklung der Exporte betrifft.
Den größten prozentualen Anstieg, nämlich um fast 30 %, weist die EU-Importbilanz für Sojabohnen aus, wenn auch allein den höheren Preisen geschuldet, denn mengenmäßig verringerten sich die EU-Bezüge um 3 %.

Bernhard Weber

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