Ein Großhändler soll Obstbauern im Vorjahr den Kaufpreis für gelieferte Äpfel zu spät ausbezahlt haben. "Eine unzulässige Belastung für die Bauern" nennt das BWB-Chefin Natalie Harsdorf-Borsch.

Seit gut zwei Jahren existiert in Österreich mit dem Faire-Wettbewerbsbedingungen- Gesetz (FWBG) ein Rechtsrahmen zum Schutz von Zulieferern in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette. Österreich erfüllt damit die 2019 präsentierte EU-UTP-Richtlinie. Erklärtes Ziel: Landwirtschaftliche Erzeuger vor unfairen Geschäftspraktiken schützen. Für betroffene Bauern wurde hierzulande eigens eine niederschwellige Anlaufstelle geschaffen, das Fairness-Büro. In dessen erstem Jahresbericht war im Vorjahr von 21 eingegangenen Beschwerden die Rede.

Wenn Vermittlungsversuche der Erstanlaufstelle keinen Erfolg bringen, übernimmt die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) als Durchsetzungsbehörde den Fall. Auch diese ist zu jährlicher Berichterstattung verpflichtet. Der vergangene Woche präsentierte Jahresbericht der BWB lässt diesbezüglich tief blicken. Eine im Vorjahr unter 1.500 Zulieferern des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) durchgeführte Umfrage ergab demnach, dass für über 70 Prozent der Befragten der hochkonzentrierte LEH mit Abstand bedeutendster Abnehmer ihrer Produkte ist. Vier von fünf bäuerlichen Zulieferern gaben außerdem an, von Repressalien betroffen zu sein. „Die Auswertung lässt darauf schließen, dass unlautere Handelspraktiken hierzulande in nicht unerheblichem Maß verbreitet sind“, so die etwas stoisch formulierte Zusammenfassung der Wettbewerbshüter.

Zahlungsverzug als Druckmittel

Das FWBG unterscheidet bei diesen, den Wettbewerb gefährdenden Praktiken zwischen zwei Kategorien: jenen, die unter allen Umständen verboten sind (Anhang I), und jenen, die nur dann strafbar sind, wenn sie nicht ausdrücklich zwischen Handel und Bauern so vereinbart wurden (Anhang II). Deutlich häufiger scheinen dabei dezidiert verbotene Handelspraktiken angewendet zu werden. 18 Prozent der im Vorjahr befragten Betriebe gaben an, von einem Zahlungsverzug von mehr als einem Monat betroffen zu sein. Per Gesetz haben diese bei verderblichen Gütern aber binnen 30 und bei „unverderblichen“ Gütern binnen 60 Tagen zu erfolgen.

Harsdorf-Borsch: „Verspätete Zahlungen stellen eine unzulässige Belastung für die Bauern dar, wir gehen Beschwerden in diese Richtung mit Nachdruck nach.“

„Verspätete Zahlungen stellen eine unzulässige Belastung für die Bauern dar, wir gehen Beschwerden in diese Richtung mit Nachdruck nach“, berichtet Natalie Harsdorf-Borsch, die Generaldirektorin der BWB. In 14 Prozent der Fälle waren Liefervereinbarungen seitens der Abnehmer geändert worden, bei weiteren knapp 14 Prozent wurden Bauern oder Erzeugergemeinschaften für nicht von ihnen verursachte Verluste oder Qualitätsminderungen zur Kasse gebeten. Rund 13 Prozent wurden zu Zahlungen verpflichtet, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf ihrer Produkte stehen. Unlautere Handelspraktiken gemäß Anhang II sollen laut BWB 3 bis 5 Prozent der Zulieferer betreffen.

Zwei Verfahren anhängig

In zwei Fällen hat die BWB mittlerweile auch die Gerichte bemüht. So wurden im November gegen eine Supermarktkette in Westösterreich Geldbußenanträge beim Kartellgericht eingebracht. Hintergrund: Der Lebensmittelhändler hatte von 16 Zulieferern Unterstützungszahlungen für einen unternehmensinternen Bericht verlangt und Pro-forma-Rechnungen mit Pauschalbeträgen unterschiedlicher Höhe verrechnet.

Quelle: BWB/ GSTUDIO - STOCK.ADOBE.COMVergangene Woche wurde außerdem ein möglicher Verstoß eines Großhandelsunternehmens zur Anzeige gebracht. Zwei Obstbauern hatten mit dem Fairness-Büro Kontakt aufgenommen, da sie für die von ihnen gelieferten Äpfel erst nach über 60 Tagen ihren Verkaufspreis erhielten. Die BWB stellte in ihren Ermittlungen fest, dass auch zwölf weitere Betriebe das Geld von besagtem Abnehmer erst verspätet erhielten, wobei es sich überwiegend um Ratenzahlungsmodelle handelte, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckten. In beiden Fällen liegt noch kein Urteil des Kartellgerichts vor. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Pikantes Detail: Die BWB erhob 2023 auch, warum Bauern auf die – damit legal werdenden – Handelspraktiken nach Anhang II eingingen. Man kam zu dem Schluss, dass neben beiderseitigem Nutzen oder fehlenden Bedenken vor allem Druckausübung des Geschäftspartners oder die Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen ausschlaggebend waren. So gaben etwa 8 Prozent der befragten Lieferanten an, etwa der Übernahme von Kosten von Preisnachlässen bei Rabattaktionen aufgrund von Druckausübung zugestimmt zu haben.

Bauern meiden offizielle Schritte

Die BWB geht davon aus, dass aufgrund dieses „Angstfaktors“ die Übermittlung von Beschwerden durch betroffene Lieferanten bisher häufig ausbleiben. „Stellt man die Anzahl der beim Fairness-Büro eingegangenen Beschwerden und die Angaben über die Verbreitung unlauterer Handelspraktiken im Auskunftsverlangen der BWB einander gegenüber, ist von einer hohen Dunkelziffer solcher Praktiken auszugehen“, heißt es im Jahresbericht. Die Behörde nahm übrigens auch Kontakt mit den Big-Four-Ketten des heimischen Lebensmitteleinzelhandels auf. Während ein Unternehmen knapp auf die fehlende juristische Basis verwies, informierten die anderen drei, bisher noch nicht mit Vorwürfen zu unlauteren Handelspraktiken konfrontiert zu sein. Das Thema sei jedoch bereits Gegenstand von Personalschulungen. Betroffene Bauern können über das Fairness-Büro anonym Verdachtsfälle bekannt geben.

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AUTORClemens Wieltsch
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