Auf der Suche nach zukunftsfitten Eichen

Auf einem Testfeld in Wien keimen gesammelte Saatgut-Eicheln im Feldversuch. Die Forschenden untersuchen die Sämlinge auf ihre Vitalität.

Eichen wachsen sowohl an sehr trockenen als auch an gut wasserversorgten Standorten. Welche Anpassungen die Bäume aufweisen, wird in einem internationalen Forschungsprojekt untersucht. So sollen Saatgutquellen, die der Klimaerwärmung standhalten, gesichert werden.

Man kennt es aus TV-Krimis: Wenn die Forensiker ihre Untersuchungshandschuhe überstreifen und zu den weißen Tupfern greifen, holen sie sich eine DNA-Probe und damit das genetische Profil aus dem Mundraum von Verdächtigen. Doch wie wird der genetische Fingerabdruck von einem Eichenbaum erfasst? „Wir brauchen ein Blatt im Sommer oder eine Knospe im Winter – die Frage ist, wie wir an das Material herankommen“, erklärt Waldgenetiker Charalambos Neophytou. Um es aus der Baumkrone zu holen, schwärmten 2021 geschulte Teams vom österreichischen Kamptal bis in die türkische Provinz Ankara aus. Im Gepäck hatten sie sechs Meter lange Stangensägen und Wurfsäcke mit Halteseil, die in die Krone geschleudert und dann zum Rütteln der Äste verwendet werden. 3.000 Eichen – Individuen von Trauben-, Stiel- und Flaumeiche – wurden in ganz Europa für das Projekt „Acorn“ (englisch für Eichel) „erkennungsdienstlich“ behandelt. Unter Leitung des Experten für Forstgenetik arbeiteten Teams aus fünf Ländern mit vielen helfenden Händen zusammen.

Lokales Saatgut für klimafitte Eichenwälder

Die Trauben-, Stiel- und Flaumeichen sind in Europa weitverbreitet und zählen zu den Gewinnern des Klimawandels. Projektleiter Neophytou, zuletzt Senior Scientist an der Universität für Bodenkultur in Wien, leitet heute den Arbeitsbereich Waldgenetik an der Forstlichen Versuchsanstalt Freiburg und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Züchtungsfragen: „Wir vermuten, dass im Genotyp, also in den Erbanlagen einzelner Bäume, aber auch im individuellen Erscheinungsbild ihrer Merkmale, dem Phänotyp, Anpassungen an Trockenstress zu finden sind. Diese Signaturen der Anpassung sollen mit Acorn gesucht werden. Wenn es sie gibt, gehen wir der Frage nach, ob wir sie nutzen können, um die Resilienz zukünftiger Eichenwälder zu erhöhen, indem wir gezielt Saatgut aus trockenangepassten Standorten gewinnen.“
Die aufwendigen Datenerhebungen sind bereits abgeschlossen. Nun laufen die genetischen Auswertungen zu Art­identität und Anpassungen sowie länderübergreifende Pflanzversuche, deren Ergebnisse für Herbst erwartet werden.
Zunächst hat das Projektteam die DNA von je rund 30 Individuen einer Art aus unterschiedlichen Beständen vereint und das Genom der drei Arten mit „Next Generation Sequencing“ entschlüsselt, um Bereiche des Erbguts zu identifizieren, die Signaturen lokaler Anpassung tragen. Zudem sollen Bestandspaare genetisch verglichen werden: zwei Waldflächen der gleichen Art in unmittelbarer Nähe, die sich nur in der Wasserversorgung stark unterscheiden, zehn Paare pro Art in Mitteleuropa und Südosteuropa.
In einem weiteren Schritt wurde einzelstammweise lokales „Saatgut“, also Eicheln, von Mutterbäumen aus 24 Beständen gesammelt und in Ankara, Wien sowie nahe Zürich auf Versuchsflächen eingepflanzt.

Fitness der Sämlinge im Fokus

Die physiologische Fitness der Sämlinge, etwa der Chlorophyllgehalt, wird seit Jänner 2022 immer wieder analysiert und beobachtet, wie sich die Nachkommen behaupten. Wird ein Nachkomme der Stieleiche vom Steilhang im Kamptal in Ankara zurechtkommen? Wie tut sich ein süddeutscher Sämling aus 1.000 Meter Seehöhe im pannonischen Klima Wiens? Antworten darauf gibt es 2024.
Die Forscher des internationalen Acorn-Konsortiums werden vom Wissenschaftsfonds FWF, weiteren nationalen Förderagenturen und aus EU-Mitteln unterstützt. Mit an Bord sind unter Leitung der BOKU unter anderem auch die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (Schweiz), die Forstliche Versuchsanstalt in Baden-Württemberg (Deutschland), die Universität Thessaloniki (Griechenland) und die Universität in Ankara (Türkei).

www.acorn-biodiversa.net

- Bildquellen -

  • Feldversuch ACORN: C. Neophytou
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AUTORRed. MS
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