Die EU-Kommission lässt in ihren „Farm to Fork“-Plänen die Saatgutproduktion und damit auch die Beizung als innovative Pflanzenschutzmethode unberücksichtigt, bemängelt der Branchenexperte Florian Mayer.

In den vergangenen zehn Jahren ging in Österreich ein Viertel der Pflanzenschutzmittel verloren. Das sorgt laut Branchenkennern nicht nur in der Produktion von Lebens- und Futtermitteln für Probleme, sondern auch in der Saatgut-Vermehrung. Kritik dazu kommt nun von Florian Mayer, Bereichsleiter Saatgut bei der Raiffeisen Ware Austria (RWA). Er sagt: „Österreich ist bei der Saatgutversorgung krisenfest und unabhängig von internationalen Warenströmen. Das hat die Branche in den vergangenen Jahren der Krisen gezeigt. Auch die heuer witterungsbedingte enorm hohe Nachfrage nach Saatgut von Sommergetreide und Saatkartoffeln können wir zum Großteil abdecken. Wird die derzeitige Verbotspolitik bei Pflanzenschutzmitteln jedoch fortgesetzt, ist diese Resilienz aber gefährdet.“ 

Mayer: „Die Europäische Union hat auf die Saatgutwirtschaft vergessen.“ 

Quelle: RWA
Florian Mayer, Bereichsleiter Saatgut in der Raiffeisen Ware Austria.

Mayer begrüßt daher, dass die EU-Kommission einige Initiativen und Gesetzesvorlagen neu aufsetzen will. Gleichzeitig ortet er aber zwei Denkfehler, die im Vorfeld behoben werden müssten: „Die Landwirtschaft in der EU wird die Reduktionsziele erreichen, aber nicht in fünf Jahren. In der Landwirtschaft und in der Entwicklung von Wirkstoffen oder technologischen Innovationen haben wir Zyklen von fünf bis 15 Jahren.“ Punkt zwei sei eine grundsätzliche Schwäche: „Ohne Saatgut gibt es keine Pflanzen und keine Ernte. Die Strategie der EU-Kommission hätte also ‚From Seed to Fork‘ (dt. „Vom Samen bis zur Gabel“) heißen müssen.“ Ein wesentlicher Teil der Wertschöpfungskette wurde laut Mayer ausgeklammert. „Sei es nun als Betriebsmittel oder als Teilbereich in der Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln.“

Brüssel hat auf Beizung “vergessen”

Da die EU-Kommission in ihren Plänen die Züchtung und die Produktion von Saatgut beiseite lässt, bliebe auch die Beizung als innovative Pflanzenschutzmethode unberücksichtigt, gibt Mayer zu bedenken. „Bei dieser Form der Wirkstoffausbringung gelangen Wirkstoffe nicht in die Luft und werden nur auf einem Bruchteil der Fläche angewendet. Das ermöglicht eine enorme Reduktion der Aufwandmenge.“ Zudem habe sich die Beiztechnik über die Jahre hinweg stark verbessert. Gebeizt werden aber nicht nur Pflanzenschutzmittel, sondern auch Biostimulanzien oder Mykorrhizasporen, wie etwa mit der Maisbeize Zea Pro. Mayer: „Dadurch stärken wir die Pflanzen bereits in einem frühen Wachstumsstadium und verbessern die Nährstoff- und Wasseraufnahme, was die Pflanzen widerstandsfähiger macht. Mit den zunehmenden Hitze- und Trockenheitsphasen, bedingt durch den Klimawandel, wird das an Bedeutung gewinnen.“ Im Pflanzenschutz gingen jedoch wichtige Beizmittel verloren. So warnt Mayer: „Die Zulassung der wesentlichen Produkte wie Redigo M, Vibrance, Korit oder Celest endet in den nächsten Jahren, Insektizide sind trotz zunehmenden Schädlingsdrucks kaum noch vorhanden und einige der Mittel bedürfen einer Notfallzulassung.“

Notfallzulassung birgt Planungsunsicherheit

Diese würden generell trotz immer früherer Einreichungen zunehmend seltener und später – bei Ölkürbis heuer etwa erst im Februar – erteilt. „Das verursacht auf beiden Seiten eine extreme Planungsunsicherheit, sowohl für die Saatgutwirtschaft in Bezug auf Produktion und Auslieferung als auch für die landwirtschaftlichen Betriebe in Bezug auf Anbaumanagement und Berücksichtigung der Fruchtfolgen. Zudem endet die Notfallzulassung nach vier Monaten“, so Mayer.

Mayer: „Bei der Aussaat ist immer öfter Geduld gefragt.“

Ein weiterer erschwerender Faktor im Anbau ist der frühere Vegetationsbeginn mit frühlingshaften Temperaturen bereits im Februar. Florian Mayer rät den Landwirten daher zu Geduld bei der Aussaat und „abzuwarten, bis der Boden die richtige Temperatur erreicht hat, welche die jeweilige Kultur braucht“. Das sei im Vorjahr ein großes Problem im Kürbisanbau gewesen, so der Experte. „Dazu kam, dass die Wirkstoffe gegen bodenbürtige Krankheitserreger, deren Druck durch den frühen Vegetationsbeginn steigt, fehlten. Dafür haben wir heuer eine Lösung gefunden.“

Vorsicht bei Nachbau-Saatgut

Es gebe aber eine weitere Ursache für den steigenden Krankheitsdruck: „Viele Landwirte sehen in der Verwendung von Nachbau- Saatgut einen Ausweg aus der gegensätzlichen Preisspirale mit steigenden Betriebsmittelkosten, aber gleichzeitig sinkenden Erzeugerpreisen. In einigen Kulturen gibt es aber aufgrund des intensiv betriebenen Anbaus von Nachbausaatgut eine massive Verunreinigung mit samenbürtigen Pilzen. Steinbrand etwa ist eine Gefahr im Weizenanbau. Um dieses Problem zu durchbrechen, braucht es neues, geprüftes, gesundes und zertifiziertes Saatgut, das – anders als Nachbausaatgut – bei Steinbrandsporen strenge Grenzwerte einhalten muss.“ Als weitere Maßnahme könnten laut Mayer neben einer weiten Fruchtfolge auch steinbrandtolerante Bio-Sorten gewählt werden. „Das bringt den Betrieben mehr Sicherheit bei Ertrag und Qualität.“ Mayer verweist zudem auf das Nachbauverbot von Sojabohnen.

Das Z-Saatgut finanziert die Züchtung

Die Verwendung von zertifiziertem Saatgut sei letzten Endes auch eine Innovations- und Zukunftsinvestition. „Die Pflanzenzüchtung ist aufwendig, kostenintensiv und auf die Erlöse aus dem Verkauf von Saatgut angewiesen. Nur eine heimische Züchtung gewährleistet Sorten, die an den Standort angepasst sind.“ Das Engagement der RWA gehe hier über den Standard hinaus, der etwa mit dem Projekt Klimafit vom Branchenverband Saatgut Austria mit dem Landwirtschaftsministerium, den Ländern und der AGES erreicht wird. „In Österreich ist mit dem Projekt ein wichtiger Schulterschluss gelungen, der die Versorgung der Landwirtschaft mit klimafitten Sorten in unserem Land sichert. Ähnliches wäre auch auf europäischer Ebene wünschenswert“, urgiert Mayer.

- Bildquellen -

  • Florian Mayer: RWA
  • Weizensaatgut: agrarfoto.com
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AUTORRed. BW
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