Karotten aus der Kaserne: Das „Gemüseland“ in Hall in Tirol ist ein nachhaltiger Erfolg

Fünf Gemüsebauern haben sich 2013 zu einem einzigartigen Projekt zusammengeschlossen und das Gesamtareal der Straub-Kaserne erworben, um daraus die modernste Gemüsebaulogistik Westösterreichs zu entwickeln.

Im Rahmen einer Forum Land-Führung stellte Stefan Müßigang sen. (vorne links) die erste optische Karottensortieranlage Österreichs vor. In Betrieb genommen wurde die Anlage 2015.

Mehr als 60 verschiedene Gemüsesorten werden in Tirol kultiviert, unter anderem Salate, Radieschen, Kohlgemüse, Karotten und Porree. Spezialitäten wie Artischocken, Stangensellerie, Radicchio oder Rucola sind ebenfalls im Sortiment enthalten. Produziert wird auf einer Fläche von etwa 1.200 Hektar, zudem ist Tirol das wichtigste Anbaugebiet für Radieschen. Die Tiroler Gemüsebauern produzieren pro Jahr ca. 45.000 Tonnen Gemüse vorwiegend für den lokalen Markt. Das entspricht einem Selbstversorgungsgrad von etwa 50 Prozent. 

Gemeinsames Wirtschaften

Eine einzigartige Erfolgsgeschichte des Tiroler Gemüsebaus findet man in Hall in Tirol. Bereits seit mehr als zehn Jahren beherbergt die aufgelassene Straub-Kaserne das „Gemüseland“. 2013 wurde das Areal von den fünf Gemüsebauern Andreas Norz, Andreas Giner, Walter Plank, Stefan Müßigang und Christof Appler ersteigert und zur größten Gemüsebaulogistik Westösterreichs umgebaut. Der Grundgedanke dahinter: Ein Zusammenschluss von ressourcenintensiven Betrieben bringt gemeinschaftliche Vorteile in logistischer, finanzieller und energetischer Hinsicht. Die Aussiedlung aus dem Dorf Thaur minimiert das Konfliktpotenzial mit der Bevölkerung und senkt die Verkehrsbelastung. Die Erschließung des Geländes ist so gestaltet, dass die Fahrten zum Feld und zur Autobahn ampelfrei und abseits von Wohngebieten erfolgt. Heute werden unzählige Tonnen Gemüse in der ehemaligen Kaserne gereinigt, sortiert und verpackt. Das Areal hat sich durch den Einsatz der Bauern in eine eigene Wirtschaftswelt verwandelt.

Smart City

Das neun Hektar große „Gemüseland“ setzt auf ein gesamtheitliches Konzept. Dazu gehören neue Brauch- und Trinkwasserleitungen, ein eigens gegrabener Tiefbrunnen sowie Strom-, Gas- und Glasfaseranbindung für jedes Gebäude. Die Stromversorgung ist weitestgehend autark, da der Bedarf von jährlich 2.400 MWh Strom durch mehrere Photovoltaik-Anlagen produziert wird. Kühleffizienz  wird mittels Grundwassernutzung erreicht und spart fast ein Drittel des Strombedarfes. Nach der Kühlung wird die Restwärme aus dem Grundwasser für die Warmwassererzeugung in den 350 Mitarbeiterunterkünften verwendet. Mehr als 100 Fahrzeuge werden an der betriebseigenen Tankstelle mit hocheffizientem Treibstoff betankt, kurze Transportwege innerhalb des Areals tragen zur Reduktion der CO2-Belastung bei.

Ein hoher Anspruch an Nachhaltigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das „Gemüseland“ – von den auf dem Gelände bereits vorhandenen Gebäuden wurde trotz hohem Sanierungsbedarf kein einziges abgerissen. 

Fokus auf Innovation

Infrastrukturmanager Stefan Müßigang jun. kümmert sich um alles außer Gemüse. 60 Betriebe befinden sich in Summe innerhalb der Kaserne, darunter ein Elektriker und eine Kfz-Werkstätte. „Für uns sind Mieter mit Mehrwert für das Gemüseland wichtig. Bei den angesiedelten Betrieben haben wir den Fokus auf Innovation gelegt. Deshalb findet man hier z. B. Alpengarnelen, Biopilze, AlpPine Spirits und die Urgetreide-Bäckerei BrotSchmiede“, erklärt Müßigang. 

Produktion mit fairen Rahmenbedingungen

Kopfzerbrechen bereiten  Romed Giner, Obmannstellvertreter der Tiroler Gemüsebauern, aktuell die unterschiedlichen Produktionsbedingungen auch innerhalb der europäischen Union. „Wir bauen in Tirol nach anspruchsvollen Qualitätsstandards an. Problematisch ist, dass diese Standards aber nicht für das Ausland gelten. Produktions- und Lohnnebenkosten führen so zu enormen Preisunterschieden. Die derzeitigen Rahmenbedingungen sorgen für Druck auf die Bauern und sind eine Gefahr für die Wirtschaftlichkeit der heimischen Landwirtschaft.“

Das Ziel ist weiterhin die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln. Für Romed Giner ist die Verlagerung ins Ausland nicht der richtige Weg. „Momentan liegt der Fokus sehr stark auf dem Preis. Uns sollte aber klar sein, dass hochwertige Lebensmittel auch etwas kosten dürfen, wenn wir uns nicht vom Import abhängig machen wollen.“

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AUTORJudith Sappl
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