„Die ÖVP ist immer für die Bauern da“

Seit vier Jahren ist Thomas Stelzer Oberösterreichs Landeshauptmann. Kommenden Sonntag stellt er sich erstmals der Wahl. Im Interview mit der BauernZeitung sprach er über die Lehren der Corona-Krise, die Herkunftskennzeichnung sowie die Einkommenssituation in der Landwirtschaft.

Für Landeshauptmann Stelzer ist Österreich nicht nur ein Land der Hämmer, sondern auch ein Land der Äcker: „Die Bauern sind zwar nur zwei Prozent unserer Bevölkerung, aber sie machen eine hundertprozentige Arbeit für uns.“

BauernZeitung: In drei Tagen wählt Oberösterreich. Mit welchem Gefühl blicken Sie, bei Ihrer ersten Wahl als Landeshauptmann, auf den Sonntag?

Stelzer: Mit großer Spannung. Es ist eine Entscheidung, die für sechs Jahre getroffen wird. Das werden schwierige Jahre werden. Aktuell gibt es sehr viel Unsicherheit und daher werbe ich darum, ein sehr klares
Ergebnis und einen eindeutigen Führungsauftrag zu bekommen.

Bei der Wahl 2015 hat die ÖVP, vor allem bedingt durch die Flüchtlingswelle, mehr als zehn Prozent verloren. Wieviel wollen Sie davon zurückholen?
Wir wollen jedenfalls stärker werden als letztes Mal und deutlich vor allen anderen Parteien liegen.

Geht es nach den Umfragen, können Sie Ihrer ersten Landtagswahl ohnehin entspannt entgegenblicken.
Ich bin da vorsichtig und bemüht. Zuerst muss einmal gewählt werden. Alle, die finden, dass wir es gut machen und wollen, dass ich weiter Landeshauptmann bleibe, die bitte ich auch, mich zu wählen.

Corona hat die letzten 1,5 Jahre nicht nur das Leben aller Landsleute geprägt, sondern auch die Politik massiv gefordert. Wurde bei der Bekämpfung der Pandemie alles richtig gemacht?
Ich denke, dass wir in Österreich bisher gut durch die Krise gekommen sind. Man darf nicht vergessen, dass es sich um eine weltweite Katastrophe handelt. Niemand war vorbereitet und vor allem hat sich das Virus an keine Pläne gehalten. Entscheidungen können immer nur aufgrund des jeweils aktuellen Wissensstands getroffen werden, um bestens zu schützen, und das hat ganz gut funktioniert.

Harsche Kritik an den Maßnahmen kommt vor allem vom freiheitlichen Bundesparteiobmann Herbert Kickl. Wie entgegnen Sie dem?
Das Virus hat über viele Menschen sehr viel Leid gebracht. Mehr als 90 Prozent derer, die so krank werden, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden müssen, sind nicht geimpft. Wir haben mit der Impfung ein wirksames Mittel gegen dieses Leid. Daher werbe ich auch dafür, hier noch weiter in die Breite zu kommen anstatt die Menschen gegeneinander aufzuwiegeln. Wir sind durchs Miteinander durch die Krise gekommen, weil sich sehr viele sehr diszipliniert an die Maßnahmen gehalten haben.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Corona-Pandemie?
Das Wichtigste ist, dass man sich nie – selbst im reichen Mitteleuropa – über irgendetwas sicher sein darf. Daher ist ganz wichtig, dass wir uns nicht auf Lorbeeren ausruhen, sondern uns immer weiterentwickeln müssen.

In Oberösterreich besteht die letzte Koalition mit der FPÖ. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen auf Landesebene?
Wir haben bisher mit der oberöster­reichischen FPÖ gut zusammengearbeitet und viel zu Wege gebracht, auch in der schwierigen Corona-Zeit. Wir werden jetzt sehr genau beobachten, ob sich diese oberösterreichische FPÖ auch gegen die Kickl-Linie durchsetzen kann, denn eines ist für mich klar: Es muss immer Oberösterreich an erster Stelle stehen.

Soll die Koalition nach der Wahl eine Fortsetzung finden?
Wir bemühen uns als ÖVP stärker und eine klare Nummer Eins zu werden. Dann werden wir mit allen im Landtag vertretenen Parteien sprechen.

Oberösterreich ist nicht nur ein Industrie- sondern auch ein Agrarland. Vor einer Wahl loben ja alle immer die Bäuerinnen und Bauern. Tatsächlich werden die Herausforderungen in der Landwirtschaft aber immer mehr und Lob alleine bringt noch kein Einkommen. Was tut die Politik für die Bäuerinnen und Bauern?
Die Bäuerinnen und Bauern arbeiten rund um die Uhr und daher müssen sie von ihrer Arbeit auch leben können. Es gibt aber viele Nebeneffekte, die das leider manches Mal negativ beeinflussen. Neben den Ausgleichszahlungen von EU und Bund sind wir daher bemüht auch im Land selbst anzusetzen. In Oberösterreich haben wir vor Kurzem eine Investitionsförderung auf den Weg gebracht, um zum Aufschwung beizutragen. Zudem wurde gerade eine Unterstützung für Rinderbetriebe vorgezogen. Wir versuchen immer sehr punktgenau dort hineinzugehen, wo wir unmittelbar vor Ort helfen können. Die Bäuerinnen und Bauern erbringen aber auch Leistungen für die Allgemeinheit, wie beispielsweise die Pflege der Kulturlandschaft als Grundlage für den Tourismus. Diese müssen auch als solche akzeptiert und abgegolten werden.

Braucht es hier auch finanzielle Unterstützung von Seiten des Tourismus?
Das ist eine allgemeine Aufgabe, darum wird es auch von der öffentlichen Hand entsprechend unterstützt. Unsere spezifische Form der Landwirtschaft muss aber auch von Seiten der EU-Agrarpolitik dementsprechend berücksichtigt werden. Bei den Förderungen darf man nicht nur die großen Betriebe im Blick haben.

Die bäuerlichen Einkommen stagnieren seit Jahren. Bekommen die Bäuerinnen und Bauern einen fairen Lohn für ihre harte Arbeit?
In der Phase des ersten Lockdowns wurde über die regionalen Lebensmittel gejubelt. Dieser Jubel muss erhalten bleiben, weil wir die regionale Versorgung immer brauchen. Wir können Bewusstsein bilden und durch unsere Kaufentscheidung selber dazu beitragen. Wichtig ist, dass auch der Preis fair abgebildet wird, da in so einem Produkt viel Leistung drinnen steckt.

Oberösterreich war für den Bund Vorreiter bei der Beschaffung von regionalen Lebensmitteln in öffentlichen Einrichtungen – was sind hier die nächsten Schritte?
Wir wollen auf einen Regionalitäts-Anteil von 70 Prozent kommen und den Bioanteil auf 30 Prozent steigern. Zudem tragen wir durch die Beratung von anderen Großküchen, wie beispielsweisen Betrieben, zur Bewusstseinsbildung bei. Es läuft da und dort schon ganz gut, aber wir müssen noch weiter vorankommen.

Was halten Sie von der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln?
Alle wollen wissen, wo die Produkte bzw. ihr Essen herkommen. Das ist ein sehr wichtiges Anliegen. Die Umsetzung muss, gemeinsam mit Wirtschaft und Gastronomie, erfolgen. Auch deren Interessen müssen berücksichtigt werden. Es gibt bereits viele Vorschriften, die auszuweisen sind. Es müssen hier daher alle Beteiligten auf einen Tisch, um zu erarbeiten, wie man das Ganze praktikabel ohne zusätzliche Belastungen umsetzen kann.

Das Plakat der Grünen „Bio oder Gift?“ hat im Wahlkampf für heftige Diskussionen gesorgt. Bäuerinnen und Bauern bis hin zur Landwirtschaftsministerin haben das Plakat stark kritisiert. Zu Recht?
Völlig zu Recht. Ich verstehe überhaupt nicht, warum hier versucht wird, einen Keil zwischen konventionellen Landwirten und Biobauern zu treiben. Ich werde sicher nicht zulassen, dass eine Gruppe von Landwirten in ein schiefes Licht gerückt wird. Sie alle produzieren ihre Lebensmittel auf höchstem europäischen Niveau und mit großer Verantwortung. Das sollten auch alle politischen Gruppen respektieren.

Oberösterreich ist das einzige Bundesland mit einem Agrar-FH-Masterstudiengang – was erwarten Sie sich davon?
Die Bildung ist ein zentraler Ansatz. Wir müssen junge Menschen begleiten, gut ausbilden und ihnen Chancen aufzeigen. Der FH-Studiengang war immer eine wichtige Forderung von Seiten der Landwirtschaft. Das hat mit dem Bachelor-Studiengang in Wels sehr erfolgreich begonnen und nun wird der Master-Studiengang in Steyr draufgesetzt. Ich halte das Ganze für sehr wichtig, nicht nur für die jungen Agrar-Studenten, die diese Ausbildung in Anspruch nehmen, sondern weil wir daraus auch Innovationen bekommen werden, die den heimischen Agrarstandort stärken.

Stichwort digitale Infrastruktur: Wie wichtig ist der Breitbandausbau für die ländlichen Regionen?
Das haben wir gerade in Corona-Zeiten erlebt, wie wichtig das ist und wie ärgerlich, wenn etwas nicht funktioniert. Ein Flächenbundesland wie Oberösterreich hat hier immer größere Herausforderungen zu meistern als andere. Wir investieren selber als Land mehrere hundert Millionen Euro in diesem Bereich. Zudem konnten zusätzliche Mittel von Seiten des Bundes lukriert werden, mit denen auf einen Schlag 200 Gemeindeprojekte begonnen werden konnten. Das muss genau so weitergehen, weil eine leistungs-fähige schnelle Internetverbindung am Land genauso wichtig ist wie Straßen oder Güterwege.

Wann wird auch der entlegenste Bauernhof mit schnellem Internet versorgt sein?
Wir müssen den Ausbau weiter beschleunigen und weiter kräftig investieren. Schätzungen mache ich ungern, da man nie weiß, wie sich die Baukon­junktur weiterentwickeln wird. Aber wir werden bei diesem Thema jedenfalls ordentlich aufs Tempo drücken.

Abschließend: Warum sollen Bäuerinnen und Bauern die ÖVP wählen?
Weil sie bei uns eine Vertretung haben, die immer für sie da ist – bei Wind und Wetter und nicht nur vor Wahlterminen. Wir wissen, wo die Herausforderungen liegen und haben die Kraft die Antworten auf offene Fragen auch umzusetzen. Das haben wir bisher bewiesen und das werden wir auch die nächsten Jahre tun.

Zur Person
Thomas Stelzer wurde am 21. Februar 1967 in Linz geboren. Der studierte Rechtswissenschafter war Mitarbeiter im ÖVP-Landtagsklub sowie Landesobmann der Jungen ÖVP(1992 bis 2001) und ÖVP-Landesgeschäftsführer (2003 bis 2009). 1997 wurde er in den Landtag gewählt und wechselte 2015 als Landeshauptmann-Stellvertreter in die Landesregierung. Seit 2017 ist er Landeshauptmann von Oberösterreich sowie Bundesparteiobmann-Stellvertreter. Thomas Stelzer ist verheiratet mit Bettina und hat zwei Kinder.

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  • H3I4764: Land OÖ
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AUTORThomas Mursch-Edlmayr
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