Deutscher LEH will noch heuer die Haltungsform bei Milch kennzeichnen

Weidemilch verdrängt Milch aus Anbindehaltung aus den Kühlregalen der großen Handelsketten in Deutschland.

Große Supermarktketten in Deutschland werden ab diesem Jahr auch bei Milchprodukten mit einem Label über Haltungsbedingungen informieren. Den Anfang macht Edeka bei Trinkmilch. Stammt diese aus ganzjähriger Anbindehaltung, fliegt sie aus dem Regal.

Nach Rewe haben nun auch weitere große Lebensmittelhändler in Deutschland wie Lidl, Aldi Nord und Aldi Süd, bekanntlich die Konzernmutter von Hofer sowie Edeka angekündigt, ihr Milchsortiment 2022 schrittweise mit der vierstufigen Haltungsformkennzeichnung auszuloben und so für mehr Tierwohl zu sorgen.

Für Aufsehen sorgt die Ankündigung von Edeka samt Tochter Netto, bereits heuer das gesamte Trinkmilchangebot ihrer Eigenmarken auf die in Deutschland ausgewiesene Haltungsform 2 oder höher umzustellen. Man werde konsequent auf die niedrigste Haltungsform 1 verzichten und damit auch keine Milch mehr aus ganzjähriger Anbindehaltung verkaufen, erläuterte das Unternehmen. Parallel werde der Anteil der Haltungsstufen 3 und 4 weiter ausgebaut. Bei Aldi Nord und Süd verlautete, dass ab 2024 bei Trinkmilch der Eigenmarken komplett auf die Stufe 1 verzichtet werde und bis 2030 nur noch die höheren Haltungsformen 3 und 4 in den Regalen stehen. Lidl macht keine konkreten Zeitangaben und kündigte an, dass zukünftig 65 Prozent des Trinkmilchsortiments die Anforderungen der Haltungsformen 3 und 4 erfüllen sollen.

Der Bayerische Bauernverband (BBV) kritisierte, dass Edeka mit der schnellen Auslistung der Haltungsform 1 „besonders die kleinen Landwirte im Regen stehen lasse“. Sie könnten die Anforderungen für die genannten Tierwohlprogramme meist aus fehlender Wirtschaftlichkeit und Planungssicherheit nicht erfüllen. Milchbauern mit ganzjähriger Anbindehaltung würden schlagartig an den äußersten Rand gedrängt; der Handel lasse sie einfach fallen.

Fehlende Zahlungsbereitschaft

Laut BBV-Präsident Walter Heidl treffe die Ausgrenzung kleiner Familienbetriebe mit Anbindehaltung genau diejenigen Betriebe, die in der öffentlichen Diskussion immer wieder für so erhaltenswert erachtet würden. „Der Bayerische Bauernverband hat sich bei der gemeinsamen Erarbeitung von zwei Tierwohlprogramme massiv für die kleineren Strukturen in Deutschland stark gemacht. Leider hatte der Lebensmitteleinzelhandel daran überhaupt kein Interesse“, kritisierte der BBV-Präsident. Hinzu komme die fehlende Zahlungsbereitschaft des LEH für die wahren Kosten des Tierwohls. Heidl forderte daher einem Takt, „den auch die kleineren Betriebe mitgehen können“. Kleine Betriebe werden verdrängt. Auch der Präsident des Hessischen Bauernverbandes Karsten Schmal, monierte, dass mit der schnellen Auslistung der Haltungsstufe 1 vor allem kleinere Familienbetriebe mit Anbindehaltung, wie in Süddeutschland, aus dem Markt gedrängt würden. „Es sei unmöglich, innerhalb weniger Monate auf andere Haltungsformen umzustellen“, so Schmal.

Bessere Absatzchancen für „Pro Weideland“

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies, begrüßte hingegen die vom LEH angekündigte Haltungsformkennzeichnung auf Molkereiprodukte. ,,Es ist gut, dass der Handel für die Stärkung des Tierwohls nun Zeitpläne festlegt, um im eigenen Sortiment eine Umstellung zu erreichen“, erklärte der Sozialdemokrat. Um die Milcherzeugung stärker auf Tierwohl sowie den Klima- und Artenschutz auszurichten, hat Niedersachsen das Gütesiegel „Pro Weideland“ kreiert.

Edeka gibt Signal für Tierschutz

Edeka betonte, mit der Umstellung des Sortiments auf höhere Haltungsformen sein Engagement für mehr Tierwohl weiter auszubauen zu wollen. Dies betreffe nicht nur die Trinkmilch, sondern perspektivisch auch weitere Milch- und Molkereiprodukte. ,,Gemeinsam mit seinen regionalen Partnermolkereien gibt der Edeka-Verbund mit dieser Entscheidung ein wichtiges Signal zur Verbesserung der Haltungsbedingungen von Milchkühen in Deutschland“, so das Handelsunternehmen. Bei Edeka erfüllen alle gekennzeichneten Milchsorten die grundsätzlichen Haltungskriterien, wie ein Verbot von ganzjähriger Anbindehaltung, ausreichend Scheuermöglichkeiten sowie genügend Liege- und Bewegungsfläche für die Milchkühe.

Aldi will Planungssicherheit schaffen

Bei Aldi verweist man auf die positiven Verbraucherreaktionen nach der Sortimentsänderung vor einem halben Jahr auf tierwohlgerechtere Haltungsformen bei Frischfleisch. Und schon heute stamme auch ein Viertel der Trinkmilch der Aldi-Eigenmarken aus den Haltungsformen 3 und 4, hob der Discounter hervor. Dieser Anteil soll bis 2023 auf 40 % steigen; ausgenommen sind Markenartikel. Nur ein Jahr später will Aldi dann in seinen Regalen gar keine Trinkmilch mehr aus der Haltungsform 1 anbieten, dafür aber nur noch auf deutsche Herkunft zurückgreifen.

Auch Lidl Deutschland will ab diesem Jahr sukzessive Milch und Milchprodukte seiner Eigenmarken mit der Haltungskennzeichnung ausloben. Als erstes werde die Haltungsform auf der Verpackung der Trinkmilch zu sehen sein, die bereits zu 100 % aus Deutschland stamme. Lidl nimmt für sich in Anspruch, schon heute Vorreiter in Sachen Tierwohl in der Branche zu sein.

So sei die gesamte Biomilch nach höchstem Standard zertifiziert. Rund zwei Drittel des Trinkmilchsortiments würden künftig die Haltungsformen 3 und 4 haben, und 50 % der Lidl-Filialen böten Weidemilch als Mindeststandard im Frischebereich an. Der Rewe Konzern hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, zusammen mit Penny schrittweise Milch- und Molkereiprodukte mit der Haltungsinformation für Verbraucher zu kennzeichnen. Den Anfang machte zu Jahresbeginn die Biofrischmilch, weitere Erzeugnisse sollen folgen. Der Deutsche Tierschutzbund begrüßte den Vorstoß des Handels: „Der Handel treibt die Politik vor sich her und zeigt, wohin die Reise gehen muss.“ Allerdings bleibe die aus Tierschutzsicht „unzureichende Haltungsformstufe 2“, die eine saisonale Anbindehaltung der Kühe zulasse, bei Aldi noch weitere acht Jahre erhalten. Edeka, Netto und Lidl hätten noch kein konkretes Ausstiegsdatum für diese Stufe genannt.

Ein Blick, ein Griff

Wie die Tiere gehalten worden sind, von denen das Fleisch stammt, darüber informiert seit dem 1. April 2019 eine einheitliche „Haltungsform“-Kennzeichnung. Diese ist mittlerweile auf Fleischprodukten bei fast allen Händlern zu finden, auch beim Discounter. Demnächst auch für Milchprodukte.
Und das bedeuten die vier Stufen der Haltungsform:

Stufe 1: Stallhaltung
Fleisch, das mit dem roten Label gekennzeichnet ist, kommt von Tieren aus Ställen, die dem gesetzlichen Standard entsprechen. Bei Schweinen, Hühnern und Puten ist eine Zulassung im QS-System erforderlich.

Stufe 2: Stallhaltung Plus
Das blaue Label gibt es für Fleisch, das aus einer Haltung stammt, die über die gesetzlichen Standards hinausgeht. Darunter fallen auch die Betriebe der Initiative Tierwohl. Die Tiere haben mindestens zehn Prozent mehr Platz im Stall als vorgeschrieben, zusätzlich gibt es Beschäftigungsmaterial.

Stufe 3: Außenklima
Mit dem orangefarbenen Label wird Fleisch von Tieren gekennzeichnet, die Zugang zu Außenbereichen haben. Es entspricht auch den Richtlinien des landwirtschaftlichen Fachverbands Neuland, mit Futtermitteln ohne Gentechnik und
Tieren, die mehr Platz im Stall und Außenklimakontakt haben.

Stufe 4: Premium
Mit dem grünen Label wird etwa Biofleisch gekennzeichnet,
das die Anforderungen an die europäische Öko-Verordnung und ihre Richtlinien erfüllt. Wenn die entsprechenden Premium-Anforderungen eingehalten werden, kann auch Fleisch aus anderen Programmen so gekennzeichnet werden.
www.haltungsform.de

- Bildquellen -

  • Weidehaltung: Olha Rohulya - stock.adobe.com
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