Ein Umsatzplus um 24,2 % oder knapp 576 Mio. auf 2,95 Mrd. Euro und einen um 27,4 % höheren Gewinn vor Steuern von 28,5 Mio. Euro. Diese knallenden Zahlen über das „turbulente Geschäftsjahr 2021“ präsentierten der Generaldirektor der Raiffeisen Ware, Reinhard Wolf, und Vorstandsdirektor Christoph Metzker.

Alle fünf Geschäftsfelder – Agrar, Technik, Haus und Garten, Baustoffe sowie Energie – wiesen zuletzt eine positive Entwicklung auf, so Wolf, der von einem der besten operativen Ergebnisse in der bisherigen Unternehmensgeschichte sprach. Die Agrarsparte etwa legte um knapp ein Fünftel (+19,8 %) auf 1,7 Mrd. Euro zu, trotz der schwierigen Bedingungen wie die anhaltende Covid-19-Pandemie mit Lockdowns und Geschäftsschließungen, gestörten Lieferketten nach der vorübergehenden Blockade durch das quergestellte Containerschiff „Ever Given“ im Suezkanal oder der Verknappung von Rohstoffen und in der Folge enormen Preisschwankungen in unterschiedlichsten Waren- und Produktgruppen.

Steigende Weizenpreise auf bis zu 250 Euro je Tonne bei geringeren Erntemengen forderten den Getreidehandel, führten für Teilnehmer an der RWA-Poolvermarktung von Premiumweizen & Co am Ende aber zu einer demnächst ausgeschütteten Nachzahlung „mit einem Dreier voran“, kündigte Wolf an. Auch haben immer mehr Landwirte in Österreich auf ihren Feldern den Sojaanbau forciert und so die Anbaufläche um 10.000 auf rund 80.000 Hektar ausgeweitet. Laut Wolf ein Beweis dafür, „dass in Österreich die für die EU geforderte Eiweißstrategie bereits greift.“

Ein Trend, der vielen Schweinehaltern offenbar noch wenig zu Gute kommt. „Derzeit die Mast betriebswirtschaftlich nicht mehr interessant“, analysiert Wolf, „es droht zu wenig Fleisch am Markt“. Die RWA gehört mit den Tochterunternehmen Garant und Agromed zu den führenden Mischfutteranbietern in Europa und hat dieses Geschäft im Vorjahr mit dem Kauf der Firma Patent Co in Serbien ausgeweitet.

Probleme bei der Versorgung ortet Wolf auch für die kommenden Monaten oder gar Jahre: bei Saatgut („Uns fehlen Flächen in der Maissaatvermehrung“); bei Getreide für die Versorgung von Nordafrika oder des Nahen Ostens als Folge des Ukraine-Krieges; auch bei Handelsdünger durch immer teureres, gar ausbleibendes russisches Gas („Stickstoff-Düngerproduktion ist Erdgasveredelung“) oder fehlendes Phospor oder Kali wegen der Wirtschaftssanktionen gegen Russland und Weißrussland. Durch die weltweit sehr hohe Nachfrage gingen vor allem die Preise für Harnstoff (+ 300 %) und Kali durch die Decke. Von der RWA wurden derweil um 10 Prozent weniger Dünger verkauft.

Als Turbo für den Landmaschinenabsatz der RWA habe sich dagegen laut Christoph Metzker die staatliche Investitionsprämie in Folge der Corona-Krise entpuppt: „In 2021 entwickelte sich dadurch zu einem absoluten Rekordjahr“. In Summe stieg der Umsatz mit neuesten Traktoren, Mähdreschern und vieles mehr um gut ein Drittel (+36,4 %). Indes sorgen hohe Auftragsstände in ganz Europa und gleichzeitig vermehrt Materialengpässe oder fehlende Einzelteile für Wartezeiten bis zu über einem Jahr. Besonders rund gelaufen ist es im vergangenen Jahr in Österreich für John Deere, exklusiv vertrieben durch das Lagerhaus Technik Center mit einem Anstieg des Marktanteils auf 12,6 %, im wachsenden Traktorensegment über 150 PS sogar „auf deutlich mehr als 20 Prozent“, so Metzker.

Sorge bereitet dem RWA-Management natürlich wie vielen anderen derzeit die aktuelle Situation im Ukrainekrieg, mit Preisausschlägen auf mittlerweile teils weit über 400 Euro je Tonne für Weizen, etwas weniger für Mais, auch die Preise für Raps und Soja haben stark angezogen. Der Düngerabsatz der Lagerhaus-Genossenschaften ist seit Ende Februar um 25 Prozent eingebrochen, die Energiekosten haben sich vervielfacht.

Um die Agrarproduktion in der Ukraine produktiv zu halten, beteiligt sich die RWA an den Anstrengungen, um gelagertes Getreide via Schiene aus dem Land zu holen: 80 Prozent der Äcker wurden bestellt. Diese seien zwar noch lange nicht geerntet, aber viele Getreidesilos seine aber noch voll und müssten bis ´zum Sommer geleert werden. „Wir bemühen uns auch mit einigen Mitarbeitern vor Ort um Logistik-Lösungen“. Seit Anfang Mai fährt jede Woche ein Zug mit 1500 Tonnen Weizen oder Mais im Auftrag von ÖBB und RWA Richtung Westen. Bis Juli wären das 15.000 Tonnen. „Ein Tropfen auf den heißen Stein. Vermutlich lagern noch bis zu 10 Millionen Tonnen Getreide im Land“, sagt Wolf.

Vor diesem Hintergrund ist für Wolf mittlerweile längst „das Anlegen von strategischen Notreserven wie für Erdöl (vor knapp 50 Jahre, 1973, in Österreich eingeführt), das nun für Erdgas breit diskutiert wird, auch im Lebensmittelbereich ein Thema.“ Und in Sachen Energielenkung ist Wolf für eine Priorisierung von Industrie und Verarbeitung vor privaten Haushalten. „Zu sagen ‚es wird niemandem kalt‘ halte ich für populistisch. Zwei Tage ohne Klopapier, tagsüber in der Wohnung im Anorak oder die Nächte im Schlafsack hält man aus. Keine Milch, kein Brot, kein Fleisch zu haben kann dagegen unangenehm sein“.

Trotz seiner schon früher geäußerten Kritik, dass man in der EU „lange zugeschaut hat, wie wesentliche Teile der Infrastruktur auch in russische Hände gelangt sind und wie sich die Gasprom in Europa breit gemacht hat“, sei der Beinahe-Verkauf der Borealis-Stickstoffdüngerproduktion „vielleicht ökonomisch interessant, aber strategisch aus europäischer Sicht nicht klug gewesen“, meint Wolf. Er habe am Beginn seiner Karriere als Agrarkaufmann noch bei fünf verschiedenen deutschen Düngerherstellern einkaufen können. „Heute gibt es davon keinen einzigen mehr und alle übrigen gehören den Russen oder sonstigen Oligarchen.“

Dass der Verkauf der Borealis-Düngeranlagen an Eurochem in letzter Minute abgesagt wurde, könne er „nur begrüßen“, sagt Wolf. Eine Beteiligung von Raiffeisen-Unternehmen zum weiteren Erhalt einer rotweißroten Eigentümerstruktur kommt für den RWA-Manager aber auch nicht in Frage: „Wir wissen, was wir können und was nicht. Wir sind definitiv kein Chemieproduzent.“

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  • Lagerhaus Marchfeld: Lagerhaus Marchfeld
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AUTORBERNHARD WEBER
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