Natürlich hornlos: Ein Trend in der Rinderzucht

Durch die Einführung der genomischen Selektion nimmt hornloses Fleckvieh zu. ©Dr. Cord Drögemüller
Durch die Einführung der genomischen Selektion nimmt hornloses Fleckvieh zu. ©Dr. Cord Drögemüller
Hornlose Rinder sind seit dem Altertum bekannt. Bereits im alten Ägypten gibt es Belege von der Existenz natürlich hornloser Kühe. Natürliche Hornlosigkeit kommt durch spontane Mutationen zustande, die vom Menschen ausselektiert oder züchterisch vermehrt wurden. So ist es auch zu erklären, dass wir heute Rinderrassen wie Angus oder Galloway kennen, die vollständig hornlos sind, während in anderen Rinderrassen die natürliche Hornlosigkeit nur sporadisch vorkommt.

Traditionell wurde der natürlichen Hornlosigkeit in der Fleischrinderzucht eine weit größere Bedeutung zugemessen. In der Milchviehhaltung ist in den letzten Jahrzehnten die Enthornung, heute meist thermisch mit dem “Buddex”-Gerät durchgeführt, zum Standard geworden. Die gesellschaftliche Diskussion, ob die Enthornung aus Tierschutzsicht zu vertreten sei, ist aber bereits angelaufen. Aus diesem Grund tut die Tierzucht gut daran, frühzeitig über Alternativen zur Enthornung nachzudenken.

Die Vererbung der Hornlosigkeit

Die Behornung der Rinder wird in einem Abschnitt im Erbgut, der am ersten Rinderchromosom lokalisiert ist, bestimmt. Bis jetzt kennen wir zwei Mutationen, die beim Rind natürliche Hornlosigkeit verursachen. Beim Fleckvieh kommen aufgrund der Einkreuzung von Red Friesian beide Varianten vor. Beide Mutationen wirken dominant über die Behornung. Das bedeutet, dass bereits ein Horn- losallel “P” genügt, um das Tier hornlos zu machen. Mischerbig hornlose Tiere werden mit der Abkürzung “Pp” gekennzeichnet, während reinerbig hornlose Tiere die Abkürzung “PP” bekommen.

Für den Züchter ist die Unterscheidung von mischerbig und reinerbig hornlosen Tieren sehr wichtig. Während beim Einsatz von mischerbig hornlosen Stieren auf behornte Kühe nur rund die Hälfte der daraus geborenen Kälber hornlos ist, werden beim Einsatz von PP-Besamungsstieren ausschließlich hornlose Nachkommen geboren. Seit 2012 steht ein direkter Gentest zur Verfügung, mit dem der Hornlosstatus zweifelsfrei festgestellt werden kann. Seit 2015 wird dieser Gentest für alle Tiere in der genomischen Zuchtwertschätzung routinemäßig durchgeführt.

Hornloszucht bei Fleckvieh

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Als Geburtsstunde der Hornloszucht im Fleckvieh kann das Jahr 1974 bezeichnet werden, als die erste genetisch hornlose Fleckviehkuh durch eine Initiative der Bayerischen Landesanstalt für Tierzucht Grub sowie der Ludwig-Maximilian-Universität München angekauft wurde. In Bayern wurde in den Folgejahrzehnten die Hornloszucht konsequent vorangetrieben. Die ungeahnte Dynamik der vergangenen Jahre ist aber der Einführung der genomischen Selektion zu verdanken. Dieses Werkzeug erlaubt es erstmals, natürlich hornlose Tiere strenger vorzuselektieren. Damit konnten nun hornlose Stiere angeboten werden, die im Vergleich zur behornten Fleckviehpopulation ein konkurrenzfähiges Vererbungsprofil aufwiesen.

Auch in Österreich ist diese Entwicklung am Besamungsanteil mit hornlosen Stieren abzulesen, freilich auf weit niedrigerem Niveau als in Bayern. Im Jahr 2016 lag der Anteil von Besamung mit hornlosen (Pp und PP) Stieren bei 3,6 Prozent mit ansteigender Tendenz (siehe Tabelle). Im Vergleich dazu lag im Jahr 2016 der Besamungsanteil mit hornlosen Stieren in Bayern bei rund 19 Prozent. Das durchschnittliche Besamungsniveau im Gesamtzuchtwert zum Zeitpunkt der Besamung lag bei den hornlosen Stieren 2015 um 5,2 und 2016 nur mehr um 2,6 Zuchtwertpunkte unter jenem mit behornten Vererbern. Diese Zahlen zeigen die Verfügbarkeit von hornlosen Stieren auf annähernd gleichem züchterischen Niveau. Diese Entwicklung ist sehr erfreulich und wird das Fleckvieh für neue Züchterkreise attraktiv machen.

Wackelhorn

Wackelhorn: Die Ausprägungen reichen von kleinen Krusten bis zu Hornstummeln. ©
Wackelhorn: Die Ausprägungen reichen von kleinen Krusten bis zu Hornstummeln. ©
Bei mischerbig und vereinzelt auch bei reinerbig hornlosen Tieren kann das Wackelhorn ausgebildet werden. Die Ausprägungen können sehr variabel sein von fingernagelgroöen Krusten bis zu Hornstummeln mit zehn Zentimeter Länge. Wackelhörner weisen keine knöcherne Verbindung mit dem Stirnbein auf und werden nor- malerweise nicht enthornt, da von ihnen keine Gefahr ausgeht. Wackelhornträger werden derzeit in der Hornloszucht aufgrund der Seltenheit toleriert.

Zucht auf Hornlosigkeit ist effektiv

Da die Hornlosigkeit beim Rind von einem einzelnen, dominant wirkenden Genort bestimmt wird, kann diese Eigenschaft vergleichsweise schnell in der Population verbreitet werden. Der Trend zum natürlich hornlosen Fleckvieh wurde in den letzten fünf Jahren durch die Einführung der genomischen Selektion stark befördert. Verhindert werden sollte jedoch, dass der erfreuliche Trend in der Hornloszucht in einen Hype abgleitet. Da die Hornlosigkeit im Fleckvieh immer noch nicht weit verbreitet ist, bestünde dann die Gefahr, dass es zu reduziertem Zuchtfortschritt und einer Linienverengung kommen könnte.

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