Der Protest australischer Landwirte gegen den Handelsdeal zeigte offenbar Wirkung.

Eigentlich war das Handelsbündnis mit Australien schon fast in trockenen Tüchern. Am Rande der Handelsministerkonferenz der G7-Staaten in Osaka (Japan) Ende Oktober hätte die politische Einigung verkündet werden sollen. Dementsprechend hochrangig war die aus Brüssel angereiste Delegation besetzt. Neben Handelskommissar und Kommissionsvizepräsidenten, Valdis Dombrovski, war auch EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski extra für den Abschluss der Gespräche nach Fernost gereist. Vergeblich, wie sich allerdings herausstellte. „Die EU-Delegation ist für nichts nach Osaka geflogen“, zitiert Agra Europe einen hochrangigen Kommissionsbeamten.

„Keine Fortschritte erzielt“

Trotz erfolgreicher Vorabgespräche, ließ Australiens Handelsminister, Don Farrell, nämlich kurz vor Beginn der finalen Verhandlungsrunde den Deal platzen. „Wir haben keine Fortschritte erzielt“, lässt Farrell den Medien ausrichten. Wenige Tage zuvor hatte das in EU-Kreisen noch ganz anders geklungen: „Wir haben es tatsächlich geschafft, die strittigen Dinge auf wenige politisch relevante Punkte zu reduzieren.“ Damit ist das Handelsabkommen nach fünfjähriger Verhandlung vorerst vom Tisch. Denn die Gespräche wurden von australischer Seite zum zweiten Mal binnen weniger Monate abgebrochen. In Brüssel glauben Insider nun nicht mehr an ein Zustandekommen vor der Europawahl 2024 und den darauffolgenden Wahlen im Commonwealth-Staat. “Wir sind sehr enttäuscht, um nicht zusagen: komplett schockiert”, kommentiert ein EU-Beamter die Aussagen des australischen Chefverhandlers gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Landwirtschaft als Knackpunkt

Dem Vernehmen nach begründete Farrell seine Entscheidung mit einem unzureichenden Marktzugang der australischen Landwirtschaft auf den EU-Binnenmarkt. Konkret gehe es dem Handelsminister um den für sein Land besonders relevanten Rind- und Lammfleischabsatz sowie Zuckerexport. Während bei Letzterem eine Einigung gefunden werden konnte, wurde der Marktzugang für Fleisch auf EU-Ebene kritisch beäugt. „Sie haben ihre Maximalforderungen als rote Linien formuliert”, munkelt man in Verhandlerkreisen. Die Regierung in Canberra forderte eine Freihandelsquote von 60.000 Tonnen Fleisch pro Jahr. Die EU-Verhandler sollen jedoch nur 40.000 Tonnen geboten haben. Zum Vergleich dies entspricht etwa einem Fünftel des in Österreich im Vorjahr erzeugten Rind- und Kalbfleischs. Zu Diskussionen hatte auch das Regionalisierungskonzept der Union in Sachen Tierseuchen geführt. Die Kommission wollte – etwa bei einem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest – nicht mehr den gesamten Markt des betroffenen Mitgliedsstaates für den Export sperren, doch die australischen Regierungsvertreter weigerten sich.

 

Auch mit den Einschränkungen bei Namensrechten – etwa Feta oder Prosecco – und möglichen Umweltauflagen, zeigte man sich in Down Under nicht einverstanden. Bauernvertreter gingen dagegen zuletzt auf die Barrikaden. „Wir wollen nicht, dass uns europäische Systeme aufgezwungen werden, die für die australische Umwelt überhaupt keinen Sinn ergeben“, teilte der australische Bauernverband NFF im Oktober mit. Dieser nannte das Abkommen einen „Blindgänger“ und „schlecht für Australiens Landwirtschaft“ und hatte Handelsminister Farrell zum Abbruch der Gespräche aufgefordert. Mit Erfolg, wie sich herausstellte.

Dombrovski: “Wir hatten Australien einen wirtschaftlich bedeutsamen Zugang zum Agrarmarkt angeboten.“

Sowohl die australische Mitte-rechts-Opposition, als auch die Landwirtschaft streuen ihm dafür nun Rosen. Selbst die Industrie- und Handelskammer sei mit der Entscheidung Farrells „einverstanden“, heißt es. Agrarminister Murray Watt geizt auch nach dem Scheitern der Verhandlungen nicht mit EU-Kritik. Der europäische Markt sei „protektionistisch“, Brüssel habe sich nicht weit genug bewegt, zitiert ihn die Süddeutsche.

Rückschlag für Brüssel

Naturgemäß anders kommentiert Handelskommissar Dombrovski die Entwicklungen: “Wir hatten Australien einen wirtschaftlich bedeutsamen Zugang zum Agrarmarkt angeboten.“ Für das erklärte Ziel der Union sich von einseitigen Importen, etwa aus China, loszusagen bedeutet der Abbruch der Verhandlungen einen herben Rückschlag. Auch die EU Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrem letzten Gipfeltreffen eine „Verringerung der wichtigsten kritischen Abhängigkeiten und Diversifizierung der Lieferketten durch strategische Partnerschaften” eingefordert. Australien wäre durch seine weltweit zweitgrößten Kobalt- und Lithium-Vorkommen ein solcher strategisch wichtiger Partner. „Unsere Tür bleibt offen“, streckt die EU-Kommission entsprechend die Hand aus.

 

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  • Schafherde Australien: 169169 - stock.adobe.com
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AUTORClemens Wieltsch
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