Wer derzeit einen Vertrag mit einem Stromanbieter abschließt, dem verschlagen die gebotenen Konditionen häufig die Stimme. Die Tarife je Kilowattstunde Strom übersteigen alle bisherigen Rekorde. Im Speziellen die landwirtschaftlichen Betriebe sind den massiven Preissteigerungen schutzlos ausgeliefert, ist doch eine Energieeinsparung wie im Privathaushalt auf diesen nur bedingt möglich. Aber wie kommt der Strompreis für den Endkunden zustande= Welche Parameter beeinflussen ihn?

Der Teuerste bestimmt den Preis
Die genaue Entstehung des Strompreises ist komplex, da dieser heute großteils an der Börse gehandelt wird, wobei zwei Märkte von Bedeutung sind: Am „Day-Ahead“-Markt wird Strom für den kommenden Tag verkauft, was den tagesaktuellen Preis beeinflusst. Am Termin-Markt wird der Stromkauf für einen zukünftigen Termin abgewickelt. Wie sich nun die Preise dort entwickeln, ist von mehreren Faktoren abhängig. Neben den Kosten für die CO2-Bepreisung ist die Preisentwicklung der fossilen Energieträger Kohle und Erdgas von besonderer Relevanz. Diese werden, in Stunden mit niedriger Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen, nämlich intensiv verstromt.

Fossile Energie als Treiber
Der für Österreich zentrale Leitmarkt Deutschland ist, durch den für Ende 2022 angekündigten, endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie stark auf die fossilen Energieträger angewiesen. Neben den bekannten massiven Umweltwirkungen sind für die Preisbildung in Importländern wie Österreich vor allem die Kosten von Kohle und Erdgas kritisch. Denn diese erhöhen die Grenzkosten der Stromerzeugung gegenüber den je Kilowattstunde verhältnismäßig günstigen Erneuerbaren massiv.
Die Krux dabei: der Börsenpreis für Strom wird anhand dieser Grenzkosten errechnet, nämlich mittels „Merit-Order-Prinzip“. Der Begriff bedeutet nichts anderes als „Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit“. Wie die Grafik zeigt, werden die Kraftwerke dazu nach ihren Grenzkosten gereiht und je nach Bedarf zugeschaltet. Springt der Strombedarf über das mit Sonne, Wasser, Wind und Biomasse zu erzeugende Maß hinaus, werden die wesentlich kostenintensiveren Öl- und Gaskraftwerke angeworfen – und der Börsenpreis steigt.

 


Dramatik im Energiesektor
Wer die Entwicklung des Strompreises beobachten möchte, muss unweigerlich auch den Tarif für Erdgas im Auge behalten. Die Österreichische Energieagentur errechnet auf Basis der der Börsennotierungen an der Energie-Börse Leipzig EEX einen österreichischen Strompreisindex, kurz ÖSPI. Der gibt vereinfacht ausgedrückt an, um wie viel sich der Einkaufspreis für Strom im kommenden Monat gegenüber dem Vormonat und Vorjahr verändert. Ein Blick auf die aktuellen Werte spiegelt die Dramatik im Energiesektor wider. Im Juni 2022 liegt der ÖSPI bei 290,58 Punkten, um 4 Prozent höher als im Mai und um satte 202,7 Prozent höher als im Vorjahr.

Auch für den Gaspreis errechnet die Energieagentur einen Index, den Österreichischen Gaspreisindex (ÖGPI). Dieser zeigt im Juni ebenfalls eine weitere Preissteigerung an – 4,8 Prozent höher als im Mai und rund 424 Prozent höher als 2021.
Der Hauptgrund für die große Nervosität der Märkte ist der Angriffskrieg Russlands. Ende Februar stieg der Preis für Stromprodukte binnen einer Woche um 50 Euro und eine weitere Woche später um bis zu 200 Euro je Megawattstunde.

Hohe Nachfrage und knappes Angebot
Schon im Herbst 2021 waren Preissteigerungen am Energiemarkt zu beobachten. Die Austrian Energy Agency nennt hier schlicht Angebot und Nachfrage als Grund. Im vergangenen Herbst sei die Wirtschaft nach dem pandemiebedingten Einbruch 2020 rascher gewachsen als erwartet. Vor allem der asiatische Raum fragte verstärkt Erdgas nach. China etwa strebt einen Ausstieg aus Kohle zugunsten von Flüssiggas an, um seine Emissionen zu reduzieren. Die Folge ist ein knapperes Angebot am Markt, was Europas Stromerzeuger im vergangenen Winter besonders stark getroffen hat. Über die kalte Jahreszeit ist Europa verstärkt auf Strom aus Gas angewiesen.

Letztlich verteuerte sich der Betrieb der Erdgaskraftwerke. Die Produzenten mussten ihre Mehrkosten in den Börsenauktionen weitergeben. In Österreich war und ist das deshalb problematisch, da die Stromproduktion aus Gas bereits 2021 um 14 Prozent über dem Vorjahresniveau lag. Auch heuer wird, trotz hoher Preise, überdurchschnittlich viel Strom aus Gas erzeugt. Unter anderem wegen der geringeren Verstromung aus Wasserkraft, geschuldet den insgesamt zu geringen Niederschlägen im Frühjahr.

Und wo bleibt der Endkunde?
Bleibt noch die Frage, wie Börsen- bzw. Großhandelspreis nun die Rechnung beim Endkunden beeinflussen?
Denn die im Strompreisindex berücksichtigten, reinen Energiekosten machen nur 40 Prozent der tatsächlichen Stromrechnung aus. Daher zeigt die Entwicklung des ÖSPI auch nur geringe Veränderungen im Endkundenpreis. Die verbleibenden 60 Prozent entfallen auf Netzgebühren, Steuern und Abgaben wie Umsatzsteuer und Ökostromkosten.
Die Netzentgelte werden von der Regulierungsbehörde E-Control festgelegt und machen regional unterschiedlich rund ein Viertel der Kosten je Kilowattstunde aus. In den vergangenen Jahren waren die Strompreise für Endkunden mit rund 20 Cent/kWh generell stabil.

In Österreich fallen Preisschwankungen im Gegensatz zu Ländern wie etwa Spanien weniger ins Gewicht. Allerdings zahlt man hierzulande auch mehr als der europäische Durchschnitt. Im Jänner wurden außerdem die Netzkosten erhöht.
Um die stark erhöhten Energiekosten abzufedern, hat die Bundesregierung ein Paket mit 1,7 Mrd. auf den Weg gebracht. Die Ökostrompauschale entfällt 2022, die Elektrizitätsabgabe ist auf 0,1 Cent/kWh reduziert. Einen pauschalen Kostenausgleich, wie ihn Privathaushalte erhalten, sucht man für die Landwirtschaft allerdings bisher vergeblich.

Fazit
Einen Ausblick auf die weitere Energiepreisentwicklung zu geben, gestaltet sich schwierig. Branchenkenner gehen von keiner Entspannung im heurigen Jahr aus – im Gegenteil. Sollten Lieferembargos oder -stopps für russische Energie flächendeckend schlagend werden, ist mit einer weiteren Steigerung zu rechnen. Ein Wermutstropfen für die wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist jedoch, dass Investitionen in erneuerbare Energie mit den steigenden Strompreisen zunehmend auch ohne spezielle Förderhilfen lukrativ sind.

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  • Strom: ABCDstock-stock.adobe.com
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AUTORClemens Wieltsch
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