Agri-PV: Doppelnutzung für mehr Effizienz

Aufgeständerte kippbare Module bei Bruck an der Leitha

Welches Potenzial in der Agri-PV liegt und welche Hürden es zu nehmen gibt, davon konnte man sich im April bei einer Exkursion des ÖKL überzeugen.

Beides sind knappe Güter: der Boden und elektrische Energie. Ersterer wird bekanntlich immer weniger. Laut Hagelversicherung werden täglich in Österreich 11,3 Hektar (3-Jahresmittelwert) – das entspricht der Fläche von 16 Fußballfeldern – verbaut, jährlich gehen so mehr als 4.000 Hektar Agrarfläche verloren. Gleichzeitig soll wie im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz festgeschrieben, der gesamte Stromverbrauch bis 2030 national zu 100 Prozent bilanziell aus erneuerbaren Energien stammen. Dafür ist ausgehend von der Produktion im Jahr 2020 die jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen bis 2030 um 27 TWh zu steigern. Davon sollen immerhin 11 TWh auf Photovoltaik (PV) entfallen. Alleine durch Installation auf verbaute Flächen wie insbesondere Dächern wird das nicht möglich sein.

Vielfältiger Nutzen

Quelle: BZ/Stockinger
Auch das ist möglich: Antrieb des Sä-/Hackroboters Farmdroid mit PV-Strom.

Hier kommt Agri-Photovoltaik ins Spiel, die landwirtschaftliche Produktion von pflanzlichen oder tierischen Erzeugnissen und von Strom auf derselben Fläche. Dazu kommen je nach Anlage, Standort und Kultur positive Nebenwirkungen: etwa Schutz vor Hagel, Abschwächung von Hitze und  Spätfrost, geringerer Pflanzenschutzbedarf durch kürzere Blattnasszeiten und geringere Verdunstung. Funktioniert das System, steigt die Landnutzungseffizienz. Sie berechnet sich aus der Summe der Effizienz der Produktion von landwirtschaftlichen Produkten und von Strom. Werte größer 100 Prozent (oder absolut größer 1) ergeben sich durch synergistische Effekte. Das deutsche Frauenhofer-Institut berichtet in seinem Folder „Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende“ gar von einer Erhöhung bei der Kartoffel auf bis zu 186 Prozent.

Auch hierzulande hat man mit der Kombinutzung positive Erfahrungen gemacht. Univ.-Prof. Alexander Bauer, Leiter des Instituts für Landtechnik an der Universität für Bodenkultur, dazu: „Die Agri-PV ist ein System mit großem Potenzial, das gegen Klimawandel und Extremwettereignisse helfen wird. Positiv ist auch die Einkommenssicherung für die Landwirtschaft.“

Die Eignung der Kulturen  für Agri-PV ist unterschiedlich.  Je niedriger Wassernutzungseffizienz, Temperaturoptimum, Hitzeschwelle und Lichtsättigungspunkt sind, desto schattentoleranter ist die Pflanze und desto besser eignet sie sich für Agri-PV, hält der „Leitfaden Agri-Photovoltaik“ dazu fest. C4-Pflanzen wie Mais wiederum seien aufgrund ihres höheren Wärme- und Lichtbedarfs nicht gut geeignet. Betont wird von der LK zudem, dass bei PV-Nutzung der Vorzug stets Flächen mit geringer Bonität und vorbelasteten Flächen zu geben sei.

Beerenobst

Quelle: BZ/Stockinger
Teils lichtdurchlässige PV-Anlage für Beerenobst in der Nähe von St. Pölten

Gut geeignet für Agri-PV dürften Himbeeren sein. Darauf setzt man zumindest bei Familie Deix. Deren Betrieb liegt im Gemeindegebiet Pyhra unweit von St. Pölten. Schon seit zwei Generationen ist er auf Ackerbau und Schweinezucht spezialisiert. Erst 2017 ist man  mit einem Hektar in den Himbeeranbau im Freiland eingestiegen,  für die später Folientunnel aufgestellt wurden, um die Pflanze zu schützen, damit die Früchte nicht nass werden und damit sie optimal gedüngt werden können. „Im Folientunnel wird es aber im Sommer extrem heiß und das taugt der Himbeere nicht“, sagt Johann Deix. Anfang Jänner dieses Jahres hat der AMA-GAP-zertifizierte Betrieb neben dem Folientunnel auch eine semitransparente PV-Anlage mit rund 500 kWp in Betrieb genommen. Ermuntert dazu hat den Landwirt eine Studie der niederländischen Universität Wageningen, wonach Himbeeren mit bis zu 40 Prozent Beschattung keinen Minderertrag zeigen würden. Das Beerenobst bekommt unter dem PV-Dach nun Schutz vor Wetterextremen. Darüber wird sich auch das Erntepersonal freuen.

PV-Ackerbau in Wien

Quelle: BZ/Stockinger
Vertikale Module in Wien

Bei der Schafflerhofstraße im  22. Bezirk steht eine der größten PV-Anlagen in Österreich. Wien Energie gibt auf ihrer Webseite die Jahresstromproduktion mit 17 Gigawattstunden an, 8.700 Wiener Haushalte könnten mit Strom versorgt werden. Neben zehntausendenen klassischen, nach Süden ausgerichteten PV-Modulen, zwischen denen Schafe grasen, gibt es auch 400 bifaziale. Letztere verwerten die Sonnenstrahlen auf beiden Seiten und sind vertikal aufgestellt. Damit werden die Ertragsspitzen in die Morgen- und Abendstunden verschoben und decken sich damit besser mit den realen Lastgängen der Verbraucher. Ein weiterer Vorteil kann sich aus den daraus resultierenden höheren Strompreisen zu diesen Tageszeiten ergeben. Der spezifische Jahresertrag (kWh/kWp) lag im Jahr 2022 um rund zehn Prozent unter den klassischen, nach Süden ausgerichteten PV-Module.

Die bifazialen Module gehören zu der Agri-PV-Versuchsfläche, die von der Versuchswirtschaft der Universität für Bodenkultur unter der Leitung von Ass.-Prof. Helmut Wagentristl betreut wird.  Damit die Bewirtschaftung des Ackers mit üblichen Maschinen problemlos funktioniert, sind sie in einem Abstand von zehn Metern positioniert. Zum Schutz der PV-Anlage vor landwirtschaftlichen Beschädigungen wird ein Abstand zwischen den Modulen und dem Ackerfeld gelassen. Er beträgt laut Wagentristl jeweils 0,5 Meter, sodass ein neun Meter breiter Streifen für die Feldfrüchte übrig bleibt. Die Fahrgeschwindigkeit bei der Bearbeitung des Ackers muss dann an die Fähigkeiten des Fahrers und das Beschädigungsrisiko angepasst werden. Dabei gilt: Je kleiner der ausgesparte Abstand zu den Modulen, desto höher die Flächeneffizienz, umso länger aber auch die Bearbeitungsdauer.

Die Bestandsführung erfolgt auf Grundlage des ökologischen Landbaus, das heißt synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel wurden nicht eingesetzt, womit auch die Module diesen nicht ausgesetzt waren. Im Jahr 2022 lag die Landnutzungseffizienz laut Berechnungen von Wien Energie bei Wintergerste am höchsten mit 1,19, gefolgt von 1,15 bei Winterweizen, unter eins blieb sie bei der Sojabohne mit 0,94.

Sonnenfeld

Eine der ersten Agri-PV-Anlagen in Österreich ist das vom Klima- und Energiefonds geförderte EWS Sonnenfeld  bei Bruck an der Leitha (NÖ), ein Kooperationsprojekt der Energiepark Bruck/Leitha GmbH und der EWS Consulting GmbH mit der Universität für Bodenkultur als Forschungspartner. Die Leistung der Anlage wird mit 3,03 MWp angegeben, der Stromertrag soll für 1.000 Haushalte reichen. Neben diversen Aufständerungsvarianten und einer Referenzfläche ohne Module befindet sich auf dem 5,5 Hektar großen Areal ein Agri-PV-Versuch mit unterschiedlichen Bewirtschaftungsreihen (6, 9 und 12 m Breite). Direkt unter den hoch aufgeständerten PV-Modulen  (2,8 m) wurden zwei Meter breite Blühstreifen eingerichtet. Damit ergeben sich Abstände der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden PV-Achsen  von 8, 11 und 14 Metern.

Die Module werden entlang dieser Achsen automatisch gekippt und folgen so dem Sonnenstand. Schon vor dem Bau war die Schätzung, dass der Stromertrag 20 Prozent über einer starren Südaufständerung liegen soll, nun soll das auch eingetreten sein. Aber auch andere Möglichkeiten eröffnen sich durch die beweglichen Module. So können sie in den „Erntemodus“ versetzt werden, bei dem die Modultische auf 70 Grad aufklappt werden. „Die Forschung an der Agri-PV-Anlage in Bruck zeigt: Wenn die Solaranlage gut auf die vorhandenen landwirtschaftlichen Maschinen abgestimmt ist, funktioniert der Ackerbau weiterhin problemlos. Manche Pflanzen profitieren sogar vom teilweisen Schatten, andere bringen zwar etwas weniger Ertrag, wachsen aber trotzdem gut“, erklärt Bauer.

Hürden

Sum­ma sum­ma­rum sind die Forschungsergebnisse zur Agri-PV ermutigend. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass eine aufgeständerte Anlage höhere Investitionskosten als niedrigere Freiflächen-PV hat. Wie im „Leitfaden Agri-Photovoltaik“ ausgeführt, beeinflussen unterschiedliche Geschäftsmodelle und die Beteiligung ebenfalls die Höhe und Art der Erlöse und Kosten. Grundsätzlich möglich sind eine Eigennutzung der PV-Anlage, und zwar mit und ohne externem Landeigentum, eine Flächenverpachtung ohne Eigennutzung der PV sowie Kooperationsmodelle.

Im Zusammenhang mit Agri-PV und Netzanschluss sind auch rechtliche/planungstechnische Hürden bzw. Auflagen und Förderungen zu beachten. Sie  reichen vom Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, Photovoltaik-Erlass des BMF, GAP-INVEKOS und Steuerrecht über Gewerbeordnung, Luftfahrt- und Wasserrechtsgesetz hin zu Raumordnung, Naturschutz, Bauordnung und Elektrizitätsrecht auf Bundesländerebene. Anzeige- und Genehmigungspflichten sind entsprechend zu beachten. Die LK empfiehlt daher dringend, Beratung einzuholen.

 

Kleinwindkraft als Ergänzung zu Phovoltaik

Quelle: Braun WindkraftWährend sich die Bevölkerung in Kärnten am 12. Jänner bei einer von der FPÖ initiierten Volksbefragung knapp für das Verbot zur Errichtung von weiteren Windkraftanlagen auf Bergen und Almen ausgesprochen hat, freute man sich bei IG Windkraft gleichzeitig über einen neuen Tagesrekord heimischer Windräder: 81,28 GWh. Knapp 60 Prozent des Stroms in Österreichs Netzen wurden damit erzeugt. „Der Rekord zeigt, wie entscheidend die Windkraft für eine unabhängige und leistbare Energieversorgung in Österreich ist“, betonte Florian Maringer, Geschäftsführer der IG Windkraft.

Windkraft ist auch wichtig im Zusammenhang mit dem Stromanfall aus der Photovoltaik, der bekanntlich im Winter gering ist. Bei Windrädern werden hingegen zwei Drittel des Stroms im Winterhalbjahr erzeugt. „Während Solaranlagen tagsüber bei Sonneneinstrahlung arbeiten, liefern Windkraftanlagen auch nachts oder bei schlechtem Wetter Energie – eine perfekte Ergänzung für eine stabile Versorgung“, weiß man bei EcoChange Consulting. Dort verweist man auch auf das Potenzial von Kleinwindkraftanlagen (Nennleistung von typischerweise bis zu 50 kW)  für die Landwirtschaft. Diese würden nicht nur Stromrechnungen reduzieren, sondern könnten auch eine zusätzliche Einnahmequelle durch den Stromverkauf schaffen. Gleichzeitig würde die Technologie Betriebe unabhängiger von externen Energiequellen machen, gerade in Zeiten schwankender Energiepreise ein Vorteil. Laut kleinewindkraft.at  kann an sehr guten Standorten eine 10-kW-Anlage rund 10.000 kWh/Jahr erzeugen. Um die Größenordnung besser verstehen zu können: Der durchschnittliche Stromverbrauch einer vierköpfigen Familie in Österreich wird mit 5.000 bis 7.000 kWh/Jahr angegeben.

 

- Bildquellen -

  • Famdroid: BZ/Stockinger
  • PV Beerenobst: BZ/Stockinger
  • PV Wien: BZ/Stockinger
  • Windrkaft und PV: Braun Windkraft
  • PV Sonnenfeld: EWS Consulting GmbH
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AUTORMichael Stockinger
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