Der seit vielen Jahren zu diesem Thema als „Kassandra-Rufer“ warnende Vorstandsdirektor der Versicherung, Kurt Weinberger, untermauerte genau einen Monat nach der erneut auf die lange Bank geschoben Absegnung der „Österreichischen Bodenschutzstrategie“ vor dem Verlust der Produktionsgrundlage für die Landwirtschaft und damit einer Gefährdung der heimischen Lebensmittelversorgung.
Untermauert wurden Weinbergers Alarmierung von WIFO-Agrarexperten Franz Sinabel, der dazu eine im Auftrag der Versicherung erhobene Studie mit dem Titel „Bodenverbrauch nimmt uns Essen vom Teller“ präsentierte. Laut WIFO-Erhebungen wurden in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten annähernd 130.000 Hektar Agrarfläche verbaut, darunter 72.000 Hektar teils bestes Ackerland. „Umgerechnet in Versorgungsleistung bedeutet der Rückgang des Ackerlandes, dass in Österreich binnen zwanzig Jahren etwa 480.000 Menschen pro Jahr weniger ernährt werden können“, erklärte Sinabell.
Der Auftraggeber der Studie zeigte sich sichtlich betroffen von dieser Zahl. Aktuell (Stand 2021) werden laut Umweltbundesamt jeden Tag mehr als zehn Hektar Boden verbaut (im Schnitt der vergangenen 15 Jahre waren es laut Hagelversicherung 20 Hektar). Damit sei Österreich vom bereits 2002 formulierten Regierungs-Ziel, den Bodenverbrauch bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag zu drücken, meilenweit entfernt. Und auch die 2,5 Hektar wären noch zu viel, so Weinberger: „Wenn wir in dem Tempo weitermachen, haben wir in 200 Jahren keine Landwirtschaft mehr, keine Äcker, keine Wiesen, keine Lebensmittel.“
Die rasant vorangetriebene Verbauung oft besonders fruchtbarer Böden führe nicht nur zu massiven Überschwemmungsschäden, sondern auch zur Senkung des Grundwasserspiegels, fehlender Wärmespeicherung und damit mehr Hitze im Sommer. „Wo vor fünf Jahren noch Getreidefelder waren, stehen heute Supermärkte.“ Österreich sei negativer Europameister in Sachen Bodenverbrauch, etwa mit seinem dichten Straßenbau. Und auch in Sachen Errichtung neuer Supermärkte samt Parkplätzen. „In Österreich zählt man 60 Supermärkte pro 100.000 Einwohner, in Deutschland 40.“ Diese Überversorgung ist Weinberger ein besonderer Dorn im Auge. Deshalb seien hierzulande auch die Lebensmittel um 15 Prozent teurer, so Weinberger. Das habe jüngst auch der Chef von Rewe Österreich (Billa, Penny), Marcel Haraszti, bei einem Interview in der ORF-Sendung ZiB2 bestätigt, ärgert sich der Naturkatastrophenversicherer. Weinbergers wiederholt geäußerte Warnung: „Von Beton können wir nicht abbeißen.“
Als eine Maßnahme zur Kurskorrektur nannten Weinberger und Sinabel den gesetzlichen Schutz von Agrarflächen. Die geplante Bodenschutzstrategie der Regierung biete zwar ein Maßnahmenbündel an. „Sie braucht aber verbindliche, quantitative Zielwerte.“ Darunter auch die 2,5 Hektar-Marke.
- Bildquellen -
- Hagelversicherung: Weber