Sehr geehrter Herr Bubna!
Die Klima- und die Biodiversitätskrise sind die großen Herausforderungen unserer Zeit. Ihre Folgen spüren gerade die Land- und Forstwirt:innen mittlerweile massiv. Trockenheit, Unwetter und Überschwemmungen vernichten immer größere Teile unserer Ernte. Das ist insofern dramatisch, als gerade die Land- und Forstwirte unsere Lebensgrundlage be- und erwirtschaften, sei es durch die Bereitstellung von Lebensmitteln, Rohstoffen oder auch die Aufrechterhaltung der vielen verschiedenen Funktionen des Waldes. Das Renaturierungsgesetz steht diesen Herausforderungen aber nicht entgegen. Bereits in Artikel 1 ist als Ziel der Verordnung die Sicherstellung unserer Ernährungssicherheit festgeschrieben.
Eines will ich klarstellen: Die Renaturierungsverordnung enthält keine verpflichtenden Flächenstilllegungen. Sie können im finalen Textentwurf nachlesen, dass genau das nicht geplant ist. Das Gesetz sieht lediglich vor, dass bis 2030 auf 20 Prozent aller Flächen in der EU (nicht nur land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen) Renaturierungsmaßnahmen gesetzt sind. Dieses Ziel gilt für die gesamte EU, ohne Verteilungsschlüssel, welches Land hier wie viel beitragen soll.
Zu diesen 20 Prozent zählen auch Flächen, die schon heute geschützt und nicht bewirtschaftet werden. Auch bedeutet Renaturieren nicht außer Nutzung stellen. Renaturieren heißt, Flächen und Lebensräume wieder fit und gesund zu machen, damit wir Menschen ihre Leistungen weiterhin genießen dürfen.
Wir werden dabei die Renaturierungsmaßnahmen selbst festlegen können. Für unsere Wälder kann das bedeuten, dass sie von Monokulturen zu stabilen, klimafitten Mischwäldern umgebaut werden. Wir sprechen hier also über die Maßnahmen und strategischen Ziele, die sich das Landwirtschaftsministerium in der österreichischen Waldstrategie 2020+ im Handlungsfeld „Biologische Vielfalt in Österreichs Wäldern“ vorgenommen hat. Wir machen den Wald fit für die Zukunft, damit weiterhin ein nachhaltiges Wirtschaften möglich bleibt. Auch die vielen Maßnahmen im ÖPUL sind Renaturierungsmaßnahmen im Sinne der Verordnung.
In Sachen Auwälder will ich Sie beruhigen: Der Vorschlag sieht nicht vor, dass solche Gebiete außer Nutzung gestellt werden. Enteignungen kommen im Verordnungstext nicht vor. Es gibt auch kein Pflanzenschutzmittelverbot in der Verordnung. Lesen Sie bitte die Verordnung, schauen Sie, was tatsächlich drinsteht. Am Ende verbindet uns das Wissen: Ohne gesunde Natur gibt es kein gesundes Leben. Passen wir also auf unsere Lebensgrundlage auf. Genau dazu leistet das Renaturierungsgesetz einen essenziellen Beitrag.
Mit freundlichen Grüßen,
Leonore Gewessler
Zur Person:
Leonore Gewessler, BA, 46, Politikerin der Grünen und ehemalige Umweltaktivistin, ist seit Jänner 2020 Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie der Republik Österreich.
Entscheidung am 17. Juni
Beim Rat der Umweltminister Ende nächster Woche in Luxemburg soll die Entscheidung über das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur endgültig gefällt werden.
Eine abgeschwächte Kompromissposition des Rates zu dieser umstrittenen Verordnung der Kommission war bereits im Februar vom EU-Parlament angenommen worden. Der Verordnung müssen jedoch im Umweltrat mindestens 55 Prozent der Mitgliedsländer (die zudem mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen) zustimmen. Weil sich eine solche Billigung im März jedoch nicht abgezeichnet hatte, wurde die Letztentscheidung über das Renaturierungsgesetz auf Juni vertagt.
Mindestens zehn EU-Länder sehen die geplante Verordnung kritisch, darunter Finnland, Ungarn, die Niederlande und auch Österreich, wo die Bundesländer bis vor wenigen Wochen geschlossen gegen die Verordnung argumentierten, weil die Umsetzung in deren Kompetenz fällt. Auch die Landwirtschaftskammer und der Bauernbund sprechen sich gegen die Verordnung aus. Umweltministerin Leonore Gewessler darf in Luxemburg dem EU-Renaturierungsgesetz nicht zustimmen. Sie ist an eine „einheitliche Länderstellungnahme“ der Bundesländer gebunden.
Sollte es am 17. Juni zu keiner Einigung kommen, auf die nicht zuletzt auch die derzeitige belgische Ratspräsidentschaft drängt, müsste die Renaturierungsverordnung erneut das Gesetzgebungsverfahren von vorne durchlaufen. Eine Unterstützung etwa auch durch das nächste Parlament gilt dann laut Insidern jedoch „alles andere als sicher“.
- Bildquellen -
- Urdenbacher Kämpe: JEFs-FotoGalerie - stock.adobe.com