Schweinehaltung: Wir standen vor dem Abgrund, jetzt sind wir einen Schritt weiter

Konzepte für die Schweinehaltung im Dauerkrisenmodus. Die diesjährigen DLG-Unternehmertage machten die krisenhaften Marktverwerfungen in der Sauenhaltung und Schweinemast deutlich und zeigten, wie die Landwirte darauf reagieren.

In Deutschland haben sich binnen Jahresfrist zehn Prozent der Schweinehalter fürs Aufhören entschieden.

Warum tun sich die Betriebe das noch an? Diese Frage hat Andre Holke von der Unternehmensberatung Veredelung West der LK Nordrhein Westfalen anlässlich der jüngsten DLG-Unternehmertage in den Raum gestellt, als er die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse spezialisierter Betriebe mit Sauenhaltung und Schweinemast dargestellt hat. Gewinn- und Eigenkapitalentwicklung der Betriebe sind seit Jahren fallend. Das Jahr 2020 hat zwar sehr gut begonnen und bot Luft zum Aufatmen, mit dem ASP-Ausbruch im September dieses Jahres hat sich die Situation dann dramatisch verschlechtert. Dazu kamen noch die Verwerfungen der Lieferketten aufgrund der Corona-Pandemie. Viele Betriebe leben seither von Reserven, besonders kritisch ist die Schieflage bei den Ferkelerzeugern.

Schweinepreis auf zwei Euro, dennoch rote Zahlen

Obwohl das aktuelle Preisniveau bei den Schlachtschweinen mit etwa zwei Euro sehr gut ist, bleibt die wirtschaftliche Situation aufgrund der massiv gestiegenen Futter- und Energiekosten angespannt. Von den für eine Landwirtefamilie erforderlichen Jahresgewinn von 80.000 Euro bzw. von 15.000 bis 20.000 Euro jährlicher Eigenkapitalbildung sei man weit entfernt.
Die Entwicklungspfade in dieser prekären Situation stellte Holke, belegt mit den Entscheidungen der Betriebsführer aus seinen Beratungskreisen wie folgt vor:
• Weitermachen oder aufhören,
• Effizienzsteigerung,
• mehr Tierwohl,
• Integration und Kooperation.
Als Warnsignal für zunehmende finanzielle Engpässe nannte Holke deutlich steigende Anfragen zur Liquiditätsplanung. Zunehmend werde auch die Betriebsmittelfinanzierung über Banken schwieriger. Hier kommen dann die Ausstiegsszenarien in Erwägung. Deutschlandweit haben in den zwölf Monaten seit Mai 2021 rund zehn Prozent der Betriebe mit der Schweinehaltung aufgehört. Meist werde ein bereits mittelfristig geplanter Ausstieg vorgezogen. In Betrieben, in denen eine Hofnachfolge bereits tätig oder absehbar ist, bleibe man eher in der Produktion und erwäge auch Stallrenovierungen oder Umbauten. Manche Betriebsleiter sagen sich auch: „Da müssen wir durch, danach wird es besser.“ Dies zeige, das große Beharrungsvermögen der Landwirte an der Tierhaltung, so Holke.

Verbesserte Futterverwertung ist ein wirksamer Hebel

Als Ansatzpunkt zur Ergebnisverbesserung „auch in schwierigen Phasen“ nannte Holke die Effizienzsteigerung. Vor allem die Verbesserung der Futterverwertung sei ein wirksamer Hebel, so der Berater. Eine Verwertung von 1:2,85 gegenüber 1:3,0 bringe etwa 3,30 Euro je Mastschwein. Auch beim Futterpreis gebe es deutliche Einspareffekte, „wenn man gut verhandelt“, so Holke. Im Vorteil seien Mäster mit hohem Anteil an eigenem Futter, weil hier die Kosten vergleichsweise günstiger seien.
Die Investition in mehr Tierwohl bzw. in höhere Haltungsformen seien bei den niedrigen Schweinepreisen vor zwei Jahren stärker überlegt worden. Der springende Punkt seien derzeit die Zuschläge, die bei den ohnehin schon hohen Preisen erzielt werden müssten. Es gebe aber Mäster, die sich damit befassen. Für die vom Lebensmittelhandel forcierte Außenklimahaltung würden einzelne Ställe versuchsweise umgebaut. Beispielsweise, indem man eine Seitenwand aufmache und eine Außenfläche dazubaue. Je nach Programm steigen damit die Produktionskosten je Mastschwein von etwa 145 Euro auf 175 bis 185 Euro. Neben der Finanzierung solcher Umbauten sei auch die Genehmigungsfrage ein Grund dafür, dass die Sache eher verhalten in Gang komme, so Holke.

Bindung an Schlachtbetriebe nicht wirklich “freiwillig”

Zu den Kooperationsstrategien merkte Holke an, dass es vielfach schon feste Beziehungen zwischen Ferkelerzeugern und Mästern gebe. Dies sei ein stabilisierendes Element. Neu in der Krise seien vermehrte vertragliche Bindungen zwischen Mästern und Schlachtbetrieben, wobei hier offen bleibe wie weit dies vor dem Hintergrund von Hauspreisdrohungen und Abholverzögerungen noch „freiwillig“ sei.
Zusammenfassend stellte Holke fest, dass die Frustration in vielen Familien groß sei. Trotz hoher Notierungen fehle die Kostendeckung. „Damit es sich rechnet, müsste man derzeit 2,30 Euro haben“, so der Fachmann. Diesen Preis sehe er so nicht. Auch der Rückfall auf Eigenversorgung führe nicht automatisch zu besseren Preisen. In Großbritannien sei man bereits seit 30 bis 40 Jahren auf 50 % Selbstversorgung, dennoch seien die Preise nicht deutlich besser.

Peter Seeger, Südhessen
Raus aus den Sauen, raus aus dem Hamsterrad

Im Jahr 2009 haben wir noch einen Sauenstall gekauft, nun steigen wir aus. Die Entscheidung war nicht einfach und es ist auch nicht einfach, darüber zu sprechen, das hat der aus Südhessen stammende Landwirt Peter Seeger beim DLG-Unternehmertag festgestellt, bei dem er seine Motive für den Rückzug aus der Sauenhaltung erläuterte.
Der Sprung war gewaltig, nicht nur wegen des Bestandes von 800 Sauen, der binnen eineinhalb Jahren auf Null gestellt wurde, sondern vor allem aufgrund der schon Generationen währenden Verbundenheit mit der Schweinehaltung. Bereits im Jahr 1980 spezialisierte man sich am Hof-Seeger auf Schweinehaltung. 1985 errichtete Familie Seeger eine eigene Schlachtung und bis 2013 gab es Direktvermarktung. Über mehrere Bau- und Zukaufetappen wuchs der Sauenbestand auf 800 Tiere, die von sieben festen Mitarbeitern betreut wurden. Seeger: „Wenn ein Bauer zehn Jahre keinen Stall baut, dann hört er irgendwann auf.“ Dieser Satz eines Berufskollegen trifft nun annähernd auf ihn selbst zu. Seine Entscheidung sieht er vor allem in der schlechten gesellschaftlichen Position der Schweinehaltung begründet. Mit der Aufgabe der CMA habe die Branche ihres wichtigstes Marketinginstrument aufgegeben. Man spiele in den Medien keine Rolle mehr, für die Gesellschaft sei die Schweinehaltung nicht mehr wichtig genug, dass man ihr helfen würde. Er selbst habe als Direktvermarkter viel für die Öffentlichkeitsarbeit getan. Nun mache er Platz für jene, die weitermachen (müssen). Tierwohl sehe er als Chance, „mit Maß und mit den Kosten im Blick“.
www.hofseeger.de

Gesa Langenberg, Diepholz
“Mehr Tierwohl bedeutet mehr Wertschöpfung”

Erst seit Anfang Oktober hat die Landwirtin Gesa Langenberg aus der niedersächsischen Schweinehaltungs-Intensivregion im Landkreis Diepholz die ersten 440 Ferkel in ihren Tierwohl-Premium-Stall der höchsten ITW-Stufe 4 eingestallt. Die Tiere logieren auf jeweils 1,5 m² mit ständigem Zugang zu einem Auslauf, wobei Stroh immer verfügbar ist.
Der Tierwohlstall entstand aus einem abbruchreifen Teilspaltenstall, der grundlegend saniert wurde. Beim Stallsystem wurde Langenberg im Rahmen einer Exkursion bei der Firma Schauer fündig. Das Einstreuthema wurde mit der Strohmatic samt Entstaubung gelöst. Beim Entmistungssystem überzeugte Langenberg das von Schauer angebotene Kot-Harn-
Trennsystem samt Unterflurschieber. Die Zuluft für den Stallinnenraum wird über ein Coolpad und den ehemaligen Güllekeller zugeführt und konditioniert.
Für 440 Mastplätze hat die Landwirte je Platz zwischen 1.000 und 1.500 Euro investiert. Damit die erhöhten Kosten für Bau und Betrieb gedeckt sind, kalkuliert sie einen Zuschlag von 45 Euro je fertigem Mastschwein. Die Verträge für die Vermarktung sind allerdings noch offen.
www.hi-gesa.de

- Bildquellen -

  • 2242 W Schwein: agrarfoto.com / Grafik Merl-BauernZeitung
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AUTORH.M.
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