Über dem Maisfeld surrt eine Drohne. Sie nimmt Fotos auf, in denen in der Folge am Rechner die gerade keimenden Kulturpflanzen sowie Beikräuter und Schadgräser unterschieden werden können. Daraus lassen sich Wirkstoffempfehlungen, Applikationskarten und schließlich die punktgenaue Ausbringung der Mittel mit der Pflanzenschutzspritze ableiten.
Was wie Science-Fiction klingt, ist durch heutige bildgebende Verfahren und digitale Rechenkapazitäten bereits möglich. Das geschilderte Verfahren beschäftigt aktuell universitäre und private Forschungseinrichtungen sowie Agrartechnik und Pflanzenschutzindustrie. Sie alle arbeiten an neuen Lösungen zum digitalen Herbizidmanagement. Einen Blick in den aktuellen Stand der Entwicklung ermöglichte der Pflanzenschutzkonzern Bayer CropScience im Rahmen eines Ende Oktober abgehaltenen Fachtages “Digitale Innovationen”. Laut Einschätzung der Bayer-Entwickler könnte das eingangs geschilderte Verfahren bereits Ende 2022 reif für den automatisierten praktischen Einsatz sein. Bayer setzt beim digitalen Herbizidmanagement auf ein absetziges Verfahren in vier Schritten:
- Erkennung des Unkrautbesatzes und der Verteilung mittels Befliegung durch Drohnen (unmanned aerial vehicles, UAV) und photometrische Aufnahmen des Schlages in hoher räumlicher Auflösung.
- Analyse der gewonnenen Daten mit modernen bildgebenden Verfahren, wobei die Rechenmuster auf verschiedene Unkrautarten trainiert werden und bereits Kulturpflanzen sowie ein- und zweikeimblättrige Unkräuter bzw. Gräser unterscheiden können. Ergebnis sind Unkrautverteilungskarten sowie davon abgeleitet Applikationskarten.
- Empfehlungen zu Ausbringzeitpunkt und Wirkstoffen,
- Ausführung bzw. zielgenaue, teilflächenspezifische Applikation der Herbizide.
Im Vergleich zum integrierten Verfahren am Feld (“SmartSprayer”), bei dem Kameras, Recheneinheit und Spritzensteuerung allesamt auf einer hochgerüsteten Spritze montiert sind, hält Bayer das absetzige Verfahren für flexibler und kostengünstiger. Aufgrund der entkoppelten Applikation können betriebsübliche Spritzen weiter zum Einsatz kommen. Um die Vorteile der Technik nutzen zu können, ist aber eine Ausstattung zumindest mit Sektionskontrolle erforderlich. Noch besser wäre eine Einzeldüsenschaltung mit Mehrfach-Düsenträgern bzw. mit Spot-Spraying-Düsen. Grundbedingungen für die absetzige Methode sind allerdings ein hochgenaues GPS mit RTK-Referenzstation sowie entsprechende Rechenkapazitäten. Denn Drohne und auch Feldspritze müssen in der Lage sein, Millionen Spritzpunkte je Hektar zentimetergenau zu erfassen bzw. abzuarbeiten. Ein Vorteil des absetzigen Systems ist zudem die verbesserte Abschätzbarkeit des Spritzbrühenbedarfs bzw. die minimierte Restmenge. Für Fluggerät und Kamerausstattung gelten erhöhte Ansprüche, jedoch ist diese Hardware als Gewerbe- bzw. Industriestandard marktgängig verfügbar und somit gegenüber Individualentwicklungen vergleichsweise kostengünstig.
Bei Bayer in Erprobung stehen drei Fluggeräte:
- Ein Quadrokopter “DJI-P4” mit Multispektralkamera,
- ein Quadrokopter aus der DJI-Profiserie “M300” mit einer Kamera des US-Herstellers Sentera (“AGX710”) sowie
- die Vertical Take-off Drohne (VTO) “Trinity F9” des Herstellers quantum-systems samt entsprechender Kameraausstattung.
Die Fluggeräte sind mit hochpräzisem GPS und geeigneter Kameratechnik ausgestattet, der Unterschied liegt vor allem in der erreichbaren Flugzeit bzw. in der möglichen Flächenleistung. Bei den Quadrokoptern muss man sich mit 30 bzw. 60 Minuten begnügen, die VTO-Drohne kann aufgrund ihrer günstigeren Aerodynamik bis zu 90 Minuten fliegen. Wichtig bei der Drohnentechnik ist weiters, dass die Geräte eine niedrige Flughöhe von beispielsweise fünf Metern möglichst exakt einhalten können und damit gut zur Analyse geeignetes Bildmaterial aufnehmen.
Vorteil der Eigendrohne
Für den Drohnenflug sollen die Landwirte künftig auf eigene Geräte oder auch auf Dienstleister zurückgreifen können. Der Vorteil der Eigendrohne liegt im passgenau wählbaren Flugzeitpunkt – so früh wie möglich, je nach Entwicklungsstand der Unkräuter. Betriebseigene Drohnen können zudem für weitere Anwendungen infrage kommen und werden damit wirtschaftlicher. Denkbar ist der Einsatz zur Kontrolle des Feldaufgangs, zur Anlayse von Krankheits- und Schädlingsbefall oder zur Auswertung von Nährstoff- und Wasserversorgung. Spritze bzw. Traktor brauchen bei der Applikation dann ebenfalls das GPS und die geeignete Teilbreiten- bzw. Einzeldüsensteuerung. Die Steuerungselektronik muss in der Lage sein, bei akzeptabler Fahrgeschwindigkeit die Millionen Spritzpunkte genau abzuarbeiten. Die Herausforderung für die Entwickler liegt derzeit darin, die Unkrauterkennung zu optimieren sowie die Software-Programme und das System Drohne-Spritze-Traktor zu einer Kundenlösung zusammenzuführen.
- Bildquellen -
- Applikationskarte: Bayer CropScience
- DJI Profi-Quadrokopter: Hans Maad
- DJI-P4-Standarddrohne: Hans Maad
- Einzeldüsensteuerung: Bayer CropScience
- Vertical Take-off Drohne: Hans Maad